Vor ein paar Tagen habe ich das Buch 64 Proof Games von Satoshi Hashimoto erhalten: Ein sehr schön gemachtes und interessantes Buch, das nicht nur durch seine besonders Aufmachung punktet: Die 64 Beweispartien werden chronologisch zunächst ohne Lösungen präsentiert, dann erfolgt auf einer ganzen Seite (mit wiederholtem Diagramm) die Lösung und Anmerkungen dazu sowohl auf japanisch als auch auf englisch. Er folgen einige Vergleichsaufgaben, genau so kommentiert, sowie zwei Aufsätze über klassische Retros von Michel Caillaud sowie über das Lösen von Beweispartien, letzterer stammt von Tadashi Wakashima.
Beziehen kann man das Buch (Preis: 20,– EUR) beispielsweise bei Ralf Krätschmar, dem Bücherwart der Schwalbe.
Aus dem Büchlein stelle ich die Nr. 63 vor — weil sie eine tolle Fortsetzung zum Retro der Woche 22/2013 bildet.
StrateGems 2011, 2. Preis
Beweispartie in 25 Zügen (14+15)
Zählen wir die weißen Züge, so sehen wir auf dem Brett bereits 22; darüber hinaus muss sich der fehlende weiße Turm auf d6 opfern, womit alle weißen Züge erschöpft sind.
Schwarz scheint jede Menge Züge übrig zu haben, jedoch fällt die Position der schwarzen Türme auf: Einer kam von a8 und hat dann den wBc2 zu Hause geschlagen (alle weißen Züge sind erschöpft!) und hat anschließend dieses Feld wieder geräumt, damit [wDd1] via h7 nach h8 gelangen kann.
Schnell merkt man, dass [wTa1] ganz früh nach h1 gelangen muss: So früh, dass Schwarz keine Zeit hat, vorher h5-h3-h3 zu spielen, um den [sBh7] auf h3 schlagen zu lassen. Daher muss die wD ihn zu Hause geschlagen haben — dann aber wird es schwierig, den [sTh8] auf die c-Linie zu spielen, er muss also “hinten herum” über die achte Reihe, wegen der schwarzen Bauernstellung also via c8, nach c6 gelangen. Das erfordert natürlich, dass die schwarzen Kollegen auf der Grundreihe brav Platz machen und anschließend auf ihr Ursprungsfeld zurückkehren.
Dieser Weg wird auch durch den Marsch des weißen Monarchen nach a8 mit bestimmt: Ihm muss Schwarz den Weg immer wieder frei machen. Und dies führt dann dazu, dass diese Aufgabe ein tollen Pendant zum letztwöchentlichen “Retro der Woche” ist: marschierte dort ein schwarzer Läufer in Trippelschritten, so macht es dieses Mal ein schwarzer Turm. Und wie es das Schicksal will, war einer der Autoren der Läufer-Trippelei, nämlich Reto Aschwanden, dieses Mal der Preisrichter.
Ich empfehle euch, genau die Motive für die Trippelschritte zu untersuchen: Das ist sehr spannend!
In der Lösungsangabe habe ich die Turm-Schritte mit Ausrufezeichen gekennzeichnet:
1.a4 a5 2.Ta3 Ta6 3.Th3 Tc6 4.Sa3 Txc2 5.Sc4 Tc3 6.Dc2 Sf6 7.Dxh7 Tg8! 8.Dh8 e6 9.Th7 Le7 10.h4 Tf8! 11.Th3 Sg8 12.Td3 f6 13.Td6 Kf7 14.d3 Te8! 15.Kd2 Lf8 16.Ke3 De7 17.Kd4 Td8! 18.Kc5 cxd6+ 19.Kb6 Ke8 20.Ka7 b6 21.g3 La6 22.Lg2 Tc8! 23.Lc6 Dd8 24.Lb5 Tc6 25.Ka8 Lc8.
Für mich eine begeisternde Beweispartie!
Nachbeberkung:
Ich hatte diesen Beitrag schon vorbereitet, als ich am letzten Freitag (31.5.) das Maiheft von The Problemist bekam — und ich staunte nicht schlecht, als ich darin genau diese Aufgabe als H2 aus den “Selected Retros and Proof Games” von Bernd Gräfrath entdeckte. Dennoch wollte ich nicht auf diesen Beitrag verzichten, gerade weil dieses Stück so hervorragend zum letzten Retro der Woche passt.
Satoshi veröffentlich nicht allzu viel Beweispartien, aber wenn, kommt in der Regel so etwas an Qualität und Ideenreichtum heraus. Wohl niemand sonst hätte einen derartigen Vorwurf auch nur ansatzweise versucht dazustellen bzw. hätte geglaubt, dass sich das korrekt umsetzen lässt. Einfach genial. Hoffentlich ist diese BP auch wirklich korrekt, denn mit PC prüfbar ist sie nicht. Dieser StrateGems-Jahrgang war von wirklich sehr hoher Qualität: 8 Preise, 9 ehrende Erwähnungen und nur 3 Lobe. Der 1. Preis gin an den DTdt-Pronkin von Nicolas Dupont.
Eine gute Wahl, Thomas! Wir erkennen eben beide unabhängig voneinander Qualität.