Im Jahr 1981 kam Bernd Schwarzkopf auf den Gedanken, in Retros nach den genau definierten ersten Zügen von bestimmten Steinen zu fragen – ein neues Rekord-Thema war geboren, das jedoch nicht „einfach nur“ bemerkenswert sparsame Darstellungen hervorbrachte, sondern auch einige sehr gute Retros.
Eines davon wollen wir uns heute anschauen:
feenschach 1984
Erster Zug der weißen Dame? (10+8)
Machen wir wie üblich Inventur: Weiß hat mit seinen Bauern sechs Mal geschlagen (d2xe3 und h2xg3xf4xe5xd6xe7), darüber hinaus hat er auf c8 den dortigen schwarzen Läufer geschlagen, damit bleibt ein schwarzer Stein als Schlagopfer übrig.
Bei Schwarz wäre die sparsamste Entschlagfolge a7xb6xc5xd4, c7xd6, fx3 – das sind 5 Entschläge. Das aber funktioniert nicht, denn wie sollen in diesem Fall sBd6 und wBc7 aneinander vorbei gekommen sein? Also muss die Entschlagfolge bei Schwarz sein: h7xg6xf5xe4, fxe, e7xd6 und cxd; damit sind alle schwarzen Schläge erklärt.
Damit wissen wir noch mehr: der nicht von einem weißen Bauern geschlagene Stein ist [sBa7]: Für ihn ist kein Schlag übrig; er konnte sich also auch nicht umwandeln und wurde demnach auf der a-Linie geschlagen.
Die weiße Stellung kann erst richtig aufgelöst werden, wenn Schwarz e7xd6 zurücknehmen kann. Dafür allerdings muss [sLf8] wieder zu Hause sein. Der wiederum kann nur durch d2xLe3 wieder aufs Brett kommen – das hingegen setzt voraus, dass der weiße Damenflügel schon wieder eingeräumt ist, d.h. vorher müssen [wTa1], [wLc1], [wDd1] und auch [wKe1] wieder zu Hause sein, da die beiden letztgenannten ja nicht via Osten nach Hause kommen können.
Also muss Schwarz dafür sorgen, dass diese Steine möglichst rasch wieder aufs Brett kommen, kann dabei aber selbst, wie man sich leicht überzeugen kann, in Retro-Zugnot kommen.
Dann muss also Weiß im Rahmen seiner Heimkehr Schwarz noch die erforderlichen Tempi verschaffen – und da kommt der noch fehlende [sBa7] ins Spiel: Wird er „möglichst weit im Süden“ im Rahmen des Einräumens der weißen Stellung entschlagen, so hat er einige Züge frei.
Dann lässt sich die Stellung wie folgt auflösen, wobei die Reihenfolge der schwarzen Züge nicht ganz eindeutig ist:
R 1.Kc1-c2 c5xTd4 2. Td1-d4 c6-c5 3.O-O-O f5xDe4 4.Da4-e4 g6xSf5 5. Dd1xBa4 f6xLe5 6.c2-c3 f7-f6 7. Lc3-e5 a5-a4 8.Ld2-c3 a6-a5 9.Lc1-d2 a7-a6 10.d2xLe3 etc.
Eindeutig hingegen ist das weiße Spiel: Die Rochade ist der schnellste Weg, Tumr und König wieder nach Hause zu bringen, die weiße Dame braucht sowieso zwei Züge nach d1, so dass sie dabei auf a4 den schwarzen Bauern entschlagen kann, der dann für drei Züge gut ist. Und die werden auch gebraucht…
Nicht einfach „nur“ ein Rekord, sondern auch ein sehr schönes Retro-Problem.
Als Werner Keym in seinem Buch „Eigenartige Schachprobleme“ auf dieses Konstruktionsthema verwies, fehlte nur noch eine Darstellung. Diese Lücke wurde aber sehr schnell geschlossen – und dieses Stück schauen wir uns in der kommenden Woche an.
Yet another fine retro by Michel Caillaud, strangely enough not to be found in the PDB (yet)