Sehr schnell konnte Kostas Prentos seinen Preisbericht zur Retro-Abteilung des 5. FIDE World Cups erstellen: Es gab nur zwölf Einsendungen, von denen auch noch zwei defekt waren. Trotz der dünnen Beteiligung gibt es im Turnier zumindest drei ganz hervorragende Aufgaben.
Den ersten Platz – Tusch und herzliche Glückwünsche nach Dresden – belegte Silvio Baier mit seiner Beweispartie, die ich heute vorstellen möchte; dabei orientiere ich mich an den Anmerkungen von Kostas.
5. FIDE World Cup in Composing 2017, 1. Platz
Beweispartie in 30,5 Zügen (13+10)
Die drei fehlenden weißen Steine wurden von [Bd7] auf seinem Weg nach a2 geschlagen. Zählt man die weißen sichtbaren Züge 5+1+2+3+3+5=19, so stellt man fest, dass Weiß noch zwölf Züge frei hat. In denen kann er aber nicht [Bf2], [Bg2] und [Bh2] zur Umwandlung bringen, damit drei Umwandlungssteine geschlagen oder das originale Schlagopfer ersetzen können.
Also hat Weiß „nur“ zweimal umgewandelt, und das dritte weiße Schlagopfer ist [Ba2]! Damit stammen die Bauern auf a3 bis e3 von b2 bis f2 – fünf „Betrügerbauern“, die nur deshalb nicht von der Reihe kommen können, auf der sie stehen, weil Weiß zu wenig Züge dafür zur Verfügung hat. In einer Auflöse-Aufgabe ließen sich natürlich aus dieser Stellung drei Entwandlungen zurücknehmen – dort gibt es ja den Zeitdruck nicht.
Bei Schwarz fehlen Dame, zwei Läufer und die drei Bauern auf dem Königsflügel. Weiß musste einen dieser Bauern auf dem Weg zur Umwandlung schlagen, und die beiden anderen mussten sich umwandeln, um von den Betrügerbauern geschlagen zu werden. Also mussten die drei fehlenden Originalsteine ebenso wie die beiden Umwandlungssteine auf die dritte Reihe ziehen, um sich dort schlagen zu lassen.
Damit wissen wir schon, dass wir neben den fünf Betrügerbauern auch noch zwei plus zwei thematische Umwandlungen sehen: Entweder Ceriani-Frolkin oder Phoenix-Umwandlungen. Bei Weiß können es aus Zeitgründen nur Ceriani-Frolkin-Steine sein – und die hatten jeweils nur einen Zug frei, um auf ihr Schlagfeld gelangen zu können. Also müssen sich beide weißen Bauern auf g8 in Läufer umgewandelt haben: Damen wären Nebenlösungen, da können wir sicher sein, dass die z.B. durch ein störendes Schachgebot ausscheiden.
Auch für die schwarzen Umwandlungen können wir schon Mutmaßungen anstellen: Hier könnte es sich um Damen oder Springer handeln. Denn die Umwandlungssteine müssen, von Osten kommend, nach Westen auf die dritte Reihe ziehen, und da die weißen Bauern ebenfalls nach Westen schlagen, brauchen sie mindestens zwei Züge, um auf ihr Opferfeld zu gelangen. Dass auf dem Brett noch schwarze Umwandlungssteine stehen, die geschlagene Originalsteine ersetzen, ist unwahrscheinlich, da dies sehr viele zusätzliche Züge erfordern würde.
Nach diesen Vorüberlegungen und mit diesen Hypothesen können wir nun versuchen, die Aufgabe zu lösen:
1.h4 f5 2.h5 f4 3.h6 f3 4.hxg7 h5 5.g4 h4 6.g5 Th5 7.g6 Sh6 8.g8=L Lg7 9.Lb3 Lc3 10.g7 h3 11.g8=L h2 12.Lgc4 d5 13.dxc3 dxc4 14.Le3 Dd3 15.Lb6 De3 16.fxe3 cxb3 17.Kf2 bxa2 18.Kg3 f2 19.Lh3 f1=D 20.Sd2 Df7 21.Sgf3 Db3 22.cxb3 Lf5 23.Dc2 Kd7 24.Thb1 h1=D 25.Sh2 Dc6 26.Kf4 Da4+ 27.Ke5 Da3 28.bxa3 Kc6 29.Tb2 Ld3+ 30.Ke6 Sd7 31.exd3.
Also zwei weiße Ceriani-Frolkin-Läufer, zwei schwarze Ceriani-Frolkin-Damen, die dann zusammen mit der Original-Dame und den beiden Läufern von den fünf Betrügerbauern geschlagen werden. Das ist sehr einheitlicher und überzeugender Inhalt!
Kostas verweist darauf, dass es von Osorio und Lois bereits einige Aufgaben mit vier Betrügerbauern gibt, die zwei Original- und zwei Umwandlungssteine schlagen. Diese Erweiterung um einen fünften thematischen Schlag ist eine große Leistung, die zudem in hervorragender Form gelungen ist. Für mich ein „Vier-Punkte-Album-Kandidat“.
Vielen Dank für die netten Worte. Bezüglich Album hoffe ich auch, dass die Aufgabe mir einen Punkt beschert; allerdings scheinen mir 12 Punkte doch ein wenig zu hoch.
Ich habe eine ganze Weile gebraucht, das Ding korrekt zu bekommen. Es gab immer die Möglichkeit, den Lc8 auf b3 und die UW-Dame von f1 auf d3 schlagen zu lassen. Schlüssel war die zeitweilige Selbstfesselung des Lf5 durch Kd7. Nun musste nur noch Kf4 an einer geeigneten Stelle eingebaut werden, damit auf f5 auch wirklich ein Läufer stehen muss. Allerdings brauchte ich auch noch Glück, denn 30….Kb5 ist kaputt, weil der Th8 geschlagen werden und der Th5 durch Umwandlung auf f1 entstehen konnte. Sd7 kontrolliert e5 und verhindert damit ein Durchkommen des wK.
Vielen Dank auch an Thomas, der mir zu dieser Version geraten hatte. Eine andere (20.b4 und dann wird die Dh1 auf a5 geschlagen) braucht nur 28,5 Züge und hat zwei Homebasesteine mehr, allerdings steht der eine Betrügerbauer auf a6, was wohl kein so schönes Bild ergibt.
Vielen Dank für diese Erläuterungen, Silvio! Ja, ein Betrügerbauer auf a6 sähe schlechter aus, und so ist die Länge von 30,5 gegenüber 28,5 Zügen sicherlich gerechtfertigt. Ist dieses lange Problem eigentlich C+? Andernfalls könnte die kürzere Fassung des Themas ja als Reserve dienen.
Beide Fassungen – also die hier gezeigte in 30,5 Zügen als auch jene in 28,5 Zügen (20.b4 …. 24.Tc1 h1=D 25.Sh2 Dd5 26.Kf4 Da5 27.b:a5 Kc6 28.a6 Ld3 29.e:d3) sind C+. Das dauert mit dem neuen Natch weniger als 15min.
I was also impressed by the analysis revealing the theme of five impostor pawns even before solving the proof game.
Interestingly, Euclide could find the solution, but testing (if practically possible at all) would require more than 1 hour on my computer.
Für mich ein 3×4=12-Punkte-Album-Kandidat!