Gelegentlich nutzen Komponisten “Spezialregeln”, um ihre Aufgaben korrekt zu bekommen; speziell in den Frühzeiten des Problemschachs waren Forderungen wie “Matt in 26 Zügen, ohne einen Bauern zu ziehen” gar nicht so selten. Wenn dies nicht einfach nur dazu diente, Nebenlösungen auszuschalten, sondern wesentlich zum Inhalt der Aufgabe beitrug, war dies natürlich von ganz anderer Qualität.
So ist auch heute die Einschätzung der Verwendung von Märchenbedingungen nicht nur in der Retroanalyse, sondern auch in Vorwärtsproblemen: Die Bedingungen müssen inhaltlich gerechtfertigt sein.
Die sehr einfach zu verstehende Bedingung “Duellantenschach” (Definition aus dem Schwalbe Märchenlexikon: Der einmal gewählte Stein des Startzuges einer Partei muss auch alle folgenden Züge seiner Partei bestreiten. Ist dies nicht mehr möglich, bringt ein neuer Startzug einen neuen Duellanten ins Spiel. Die Schachwirkung aller Steine bleibt normal erhalten.) kann natürlich dazu “missbraucht” werden, einfach Duale zu vermeiden. Sie kann aber natürlich auch thematisch genutzt werden, beispielsweise um Ablösungen zu thematisieren.
Dies habe ich vor einiger Zeit in einer Beweispartie versucht; allzu schwer sollte sie nicht zu lösen sein.
8706 feenschach 2002, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 9,5 Zügen, Duellantenschach (15+16)
Bei Schwarz haben, das sieht man schnell, neun verschiedene Steine gezogen — also hat es nach jedem schwarzen Zug einen Duellantenwechsel gegeben, und damit ist auch das Thema der Aufgabe schon klar. Nun gilt es also “nur” noch, einerseits die Reihenfolge der Duellantenwechsel zu finden und dafür die Begründungen zu entdecken.
Zur Lösung notiere ich auch die jeweiligen Motive für den Wechsel des Duellanten:
1.g4 g5 (gegenseitige Blockade der g-Bauern) 2.Lg2 d6 3.Ld5 (Blockade) Lg7 4.Lc6+ (Schachgebot) Sd7 5.Lb5 (Fesselung) c5 6.Lc4 (Blockade) b5 7.Lxf7+ (Schachgebot) Kf8 8.Lg6 (Patt des sK) e5 9.Le4 (Blockade) Se7 10.Lg2.
Natürlich gibt es deutlich komplexere Duellanten-Retros: Sich damit zu beschäftigen ist, wie ich finde, sehr spannend! Vielleicht regt diese kleine Aufgabe ja den einen oder anderen von euch an, sich damit einmal intensiver zu befassen?
In der Tat ein schönes Beispiel, das in kompakter Form fast alle im orthodoxen Schach möglichen Methoden für die Erzwingung eines Duellantenwechsels illustriert (fehlt eigentlich nur noch der Schlag eines Duellanten, schade, daß das hier nicht auch noch eingebaut werden konnte). Wenn man möchte, kann man noch zwischen Block- und Selbstblock unterscheiden (1. … g7-g5 blockt aktiv den wBg4, aber gleichzeitig auch sich selbst).
Für Duellantenneulinge ist das Studium dieser BP tatsächlich ein guter Einstieg in diese Märchenart.
Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie eine Märchenbedingung nicht eine wertmindernde Konstruktionserleichterung, sondern ein thematisches Hindernis sein kann. Dagegen dienen aufdringliche unthematische Umwandlungsfiguren in der Diagrammstellung immer nur als Konstruktionserleichterungen… Falls das eine Tautologie ist, ist es doch immerhin wahr! 😉