Während etwa bei Hilfsmatt-Aufgaben heutzutage mehrere Lösungen selbstverständlich sind, ist bei Beweispartien noch immer eine Lösung der Standard.
Dies ist nicht nur eine Folge davon, dass sich mehrere Lösungen in Beweispartien deutlich schwerer darstellen lassen als etwa in einem Hilfsmatt-Dreizüger, sondern auch, weil es bei den Beweispartien fast immer erforderlich ist, dass sich verschiedene Züge in den einzelnen Lösungen wiederholen: Irgendwie müssen ja alles Steine auf ihre Zielposition kommen.
Besonders interessant finde ich persönlich Beweispartie-Zwillinge, in denen sich die Lösungen ausschließlich durch ihre Zugzahl unterscheiden: Hier stellt sich natürlich die Frage, weshalb in der “längeren” Lösung nicht einfach ein Tempo verloren werden könne?
Schauen wir uns einmal eine aktuelle Aufgabe der Retro-Sachbearbeiters von StrateGems an:
P0345 StrateGems 2012
Beweispartie in 20 Zügen; b) Beweispartie in 20,5 Zügen (14+15)
Hier geht das “Themen-Raten” recht schnell, wenn wir erst einmal die Schlagfälle analysiert haben: Der fehlende schwarze Läufer wurde auf h3 geschlagen, die beiden fehlenden weißen Steine auf c6 und f6, dabei der Läufer f1 auf c6, während der andere fehlende Stein auf f6 starb. Der Bauer von b2 kann dort natürlich nicht direkt dort geschlagen worden sein, musste sich also schlagfrei auf b8 umwandeln und sich dann selbst auf f6 opfern (Ceriani-Frolkin Thema) oder den Stein, der auf f6 geschlagen wurde, auf dessen Ursprungsfeld ersetzen (Pronkin Thema).
Zählt man nun die schwarzen Züge, stellt man fest, dass alle 20 Züge erforderlich sind. außerdem können wir sofort ein paar Reihenfolgen feststellen: So muss Schwarz Lc5 vor d6 ziehen, so muss der schwarze König über d6 oder c6 marschiert sein, um in vier Zügen nach b4 gelangen zu können.
Gerade der f8-Läufer hilft uns deutlich weiter, denn sein Ziehen legt die Reihenfolge der Schläge fest: exf6, dann Lc5, d6, Lh3, dann wLg2 und irgendwann Lc6 bxc6. Damit steht auch das Thema bereits genau fest: Pronkin auf b8 — und dies gilt für beide Lösungen, da wir bisher den Zugunterschied in unseren Überlegungen noch nicht berücksichtigt haben.
Also liegt es nahe zu versuchen, möglichst rasch einen Stein auf f6 zu opfern: In drei Zügen geht dies mit Sb1 und Lc1. Egal wie wir beginnen (dies könnte ja der Unterschied der beiden Zwillinge sein?!), stellen wir fest, dass sSg8 dann bereits auf e4 stehen muss, damit die beiden schwarzen Springer die Chance haben, in zusammen vier Zügen ihre Zielpositionen zu erreichen, denn Sg8-f6-d7 und Sb8-a6-c5 scheidet wegen der Zugreihenfolgen, die wir uns oben überlegt hatten, aus.
Damit verbaut aber Se4 dem weißen Läufer seinen direkten Weg nach c6. so dass wir hier Umwege einplanen müssen. Darüber hinaus sieht man schon, dass auch der “Rückweg” der Umwandlungsfigur auf ihr Pronkin-Feld eine Weile dauert.
Mit dem, was wir bisher aus der Stellung abgeleitet haben, möchte ich euch einladen, selbst die Lösung zu (ver)suchen. Interessant ist dabei, wieso (und vor allen Dingen wann!) Weiß in der b)-Fassung ein Tempo verlieren muss: Das geht nur ganz am Anfang!
a) 1.Sc3 Sf6 2.Sd5 Se4 3.Sf6+ exf6 4.b4 Lc5 5.b5 d6 6.b6 Lh3 7.gxh3 Dd7 8.Lg2 Db5 9.Lf3 Kd7 10.Lg4+ Kc6 11.Le6 Dd3 12.Ld5+ Kb5 13.Lc6+ bxc6 14.b7 Sd7 15.b8=S Te8 16.Sa6 Te5 17.Sb4 a6 18.Sd5 La7 19.Sc3+ Kb4 20.Sb1 Sec5. und b) 1.b3 Sf6 2.Lb2 Se4 3.Lf6 exf6 4.b4 Lc5 5.b5 d6 6.b6 Lh3 7.gxh3 Dd7 8.Lg2 Db5 9.Lf3 Kd7 10.Lg4+ Kc6 11.Le6 Dd3 12.Ld5+ Kb5 13.Lc6+ bxc6 14.b7 Sd7 15.b8=L a6 16.La7 The8 17.Lb6 Te5 18.La5 La7 19.Lc3 Sec5 20.Lb2 Kb4 21.Lc1.
Wer nun noch einen “klassischen” Zweispänner mit Pronkin-Läufer und -Turm bewundern mag, der sei auf den 1. Preis in der Schwalbe 1895 1985(!) vom Namensgeber des Themas verwiesen.
Danke an Bernd für diese wichtige Frage. Sämtliche Themazüge sind identisch zur Aufgabe von Pronkin und deshalb muss meiner Meinung nach ein “nach D. Pronkin” hin. Kostas hat das anscheinend genauso gesehen, denn in StrateGems 60 steht der entsprechende Zusatz. Natürlich ist Kostas Version existenzberechtigt, denn das mit Tempospiel zu kombinieren, erfordert – wie Thomas schon sagte – komplexeres Spiel.
Diese Art BP-Zwillinge sind in der Tat interessant und schwierig zu konstruieren. Diese hier dürfte eine der ganz wenigen sein , die wirklich zusammenhängendes thematisches Spiel zeigt. Es gibt noch die P1067421 mit je einem Prentos-Stein (Ceriani-Frolkin mit Schlag durch Offizier). Ansonsten gibt es Versuche, den Zügezahlunterschied nach oben zu treiben (P1000618). Und manchmal findet man etwas, wenn man beim Prüfen die Zügezahl vertippt (P1003969).
Na ja, ganz so alt (“1895”) ist der erwähnte Pronkin-Klassiker nun doch nicht: Er stammt von 1985 (was immer noch erstaunlich ist!). Aber eigentlich geht es mir um eine andere Frage, die an eine Diskussion anschließt, zu der Silvio Baier zuletzt etwas im Retroblog kommentierend geschrieben hat: Hätte Kostas Prentos sein Problem mit der Angabe “nach D.W. Pronkin” versehen sollen? Es ist ja nicht nur das doppelt gesetzte Pronkin-Thema, was die beiden Probleme gemeinsam haben.
Danke für den Hinweis auf den wirklich lustigen Typo; ich habe ihn korrigiert.
Zur Frage “nach Pronkin?”: Hier glaube ich, ist das nicht erfoderlich: speziell die Art der Zwillingsbildung über den zusätzlichen Halbzug erfordert schon deutlich komplexeres Spiel (wLf1, Heimführung des Pronkkin-Steins) als bei der Vergleichsaufgabe. Aber natürlich kann man hier auch anderer Meinung sein!