Retro der Woche 37/2013

Luigi Ceriani (23.1.1894 — 8.10.1969) war einer der besten und produktivsten Retro-Komponisten des vorigen Jahrhunderts, und seine beide Bücher 32 personaggi e un autore (1955) und La genesi delle posizioni (1961) gehören für mich neben Dawson/Hundsdorfers Retrograde Analysis (1915) und Dittmanns Der Blick zurück (2006) zu den absoluten Klassikern der Retroanalyse-Literatur, all diese Werke verdienen eine uneingeschränkte Lese-Empfehlung.

Ein Beispiel sei heute von ihm vorgestellt — besonders das erstgenannte Buch kann man einfach aufschlagen, und man findet eine interessante Aufgabe.

Luigi Ceriani
32 personaggi e 1 autore 1955, Nr. 91
Öffne den Südkäfig (13+12)

Ceriani liebte es, seine Forderung sehr beschreibend darzustellen; heute ist mehr “Löse die Stellung auf” üblich (und so findet sich die Aufgabe auch in der PDB), aber er schrieb unter das Diagramm “aprire la gabbia Sud”, und das habe ich hier übernommen.

Der Südosten kann erst befreit werden, wenn der sLe1 hinaus kann, dafür fehlen im Moment aber noch die Voraussetzungen, nämlich dass der sKd2 nach d1 zurückziehen kann.

Gleichzeitig sind in der Diagrammstellung sofort beide Parteien in Zugnot: Schwarz kann nur a7-a6 und e7xXf6 zurüchnehmen (d7-d6 scheidet aus, da es den Originalläufer auf h1 aussperren würde), und Weiß hat gar keinen Rückzug, denn h3-h4 würde entweder den wLh2 oder den sKd2 abklemmen.

Damit ist auch schon die Frage beantwortet, welche Seite mit der Rücknahme beginnen muss: Schwarz, und zwar mit e7xXf6.

Offensichtlich muss das X ein Springer sein: Bei Weiß fehlen nur die beiden Springer und der weißfeldrige Läufer. Bei Schwarz hingegen fehlen ebenfalls die beiden Springer sowie die beiden Türme, die nach e7xSf6 beide hinter den eigenen Bauern entschlagen werden müssen, da sie “von außen” nicht mehr nach Hause kommen können.

Irgendwie müssen wir auch eine Schutzfigur nach c1 bringen (das kann natürlich nur ein Springer sein), damit Schwarz zunächst Kd1-d2 zurücknehmen kann, und das erfordert ein wenig Vorbereitung:

1.– e7xSf6 2.Sd7-f6 a7-a6 3.Se5xTd7 Sonst wäre Schwarz retropatt, und die beiden schwarzen Springer werden gleich noch um Süden gebraucht. 3.– Td8xLd7! 4.La4-d7 T~-d8 5.Lb3-a4 T~ 6.La4xSb3 Sc5xSb3+! Ein schwarzer Springer auf c1 würde den Südwesten blockieren, deswegen muss dort ein weißer hin. 7.Sc1-b3+ Kd1-d2 8.Sf3-e5 Lc3-e1 9.Se1-f3+ L~-c3 10.Sf3xSe1! Kd2-d1 -11.S~-f3+ Sf3-e1 12.Te1-f1 Df1-g1 13.Tg1-g2 usw.

Nun kann der sLh1 nach Hause, und auch der sK kann nun via h3 entweichen.

Selbstverständlich sind nicht alle Züge im Rückspiel eindeutig, aber die wesentlichen, nämlich die in den Südkäfig hinein und aus ihm heraus, sind es.

Dies ist ein, wie ich finde sehr schönes, Beispiel für eines der Lieblingsthemen von Ceriani: Figurenschlag durch Figuren. Das ist natürlich viel schwieriger darzustellen als die Entschläge durch Bauern, da hierbei eben keine Spuren etwa anhand der Bauernstruktur entstehen. Gleichzeitig zeigt die Aufgabe eine Kette von Entschlägen: Die gerade entschlagene Figur entschlägt wieder. Hier also wSxsTxwLxsSxwSxsS.

8 thoughts on “Retro der Woche 37/2013

  1. Ich gratuliere zum Retroblog-Jubiläum! Die Bücher von Dawson/Hundsdorfer (nicht “Hundsdoffer”!) und von Ceriani rechne auch ich zu den wichtigsten Retro-Büchern. Meine Liste findet sich in meinem Aufsatz “Desert Island Delights”, in The Problemist Supplement vom September 2011, inzwischen auch online zu finden unter
    http://www.theproblemist.org/september-2011

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