Das Pronkin-Thema, mit dem wir uns hier in den letzten zwei Wochen beschäftigt haben, ist eigentlich ein klassisches Thema für Beweispartien: Dort wirkt es besonders paradox, wenn ein Stein auf dem Feld der Partieanfangsstellung steht, aber er schon einmal gezogen hat – nicht um zurückzukehren, sondern weil es ein Umwandlungsstein ist, der das Original-Pendant ersetzt.
Dennoch lässt sich das Thema natürlich auch prima in klassischen Retros darstellen. Eine solche Aufgabe, die übrigens ebenso wie unser Retro der Woche 27/2014 nun bereits 25 Jahre alt ist, möchte ich euch heute zeigen.
Schachmati w SSSR 1989, 2. Preis
Ist die Stellung legal? (12+13)
Nun soll natürlich die Antwort auf die Autor-Frage nicht einfach „ja“ oder „nein“ lauten, sie muss selbstverständlich begründet werden.
Beginnen wir also wie üblich mit der Analyse der Schlagbilanz: Die vier fehlenden weißen Steine sind alle durch schwarze Bauernschläge erklärt: gxf und dxcxbxa. Bei Weiß ist erst einmal nur ein weißes Schlag sofort sichtbar: axb; damit sind noch zwei weiße Schläge frei.
Betrachten wir einmal die fehlenden weißen Steine: Das ist der [wLc1], und dann fehlt der f-, g- und h-Bauer. Die konnten nicht direkt geschlagen werden, also mussten sie sich umwandeln. Dafür stehen noch unsere zwei Schlagfälle zur Verfügung; damit ist klar, dass sich alle drei fehlenden weißen Bauern auf g8 umgewandelt haben; damit sind auch alle fehlenden schwarzen Steine erklärt.
Doch halt, warum kann nicht Schwarz mit gxf den [wBf2] geschlagen haben; damit wären unsere Überlegungen hinfällig? Dafür müssen wir uns anschauen, wie der Retroknoten im Westen aufgelöst werden kann. Das geht nur mit der Rücknahme Bb2-b3 – und dafür muss erst [wLc1] wieder zu Hause sein. Den aber kann keiner der schwarzen Damenflügelbauern entschlagen, da sie das erst können, nachdem der Knoten geöffnet worden ist. Also bleibt nur gxLf4 oder gxLf6 als möglicher Entschlag des [sBg7] übrig.
Das aber ist wegen der Schlagbilanz erst dann möglich, wenn sich alle drei weißen Bauern auf g7 entwandelt haben, denn sonst wären weitere, nicht mehr zur Verfügung stehende Entschläge erforderlich.
Wenn wir nun versuchen zurück zu spielen, stellen wir fest, dass Schwarz droht in Zugnot zu geraten, daher muss sich Weiß mit der ersten Entwandlung und folgendem Entschlag beeilen.
Das Rückspiel kann dann beispielsweise wie folgt geschehen:
1.Se2-g1+ f5-f4 2.Tg1-h1 f6-f5 3.Tg8-g1 h4-h3 4.g7-g8=T h5-h4 5.g6-g7 h6-h5 6.f5xTg6 Tg8-g6 7.f4-f5 Tg5-g8
Nun hat sich nolens volens der weiße König selbst eingemauert. Um jemals wieder nach Hause zu kommen, muss er das schwarze Lager über d7 verlassen und dort zwischenparken. Anschließend kann dann der entschlagene sT schon auf seine Grundreihe zurückziehen, um nach dem Entschlag des [sLf8] und dessen Heimkehr (und nach der dritten weißen Entwandlung) für g7xLf6 bereit zu stehen.
8.Kg8-h7 T~ 9.Kf8-g8 T~ 10.Ke8-f8 T~ 11.Kd7-e8 T~ 12.Lh3-f1 Tg8-g5 13.Lf5-h3 T~8 14.Lh7-f5 T~8 15.Lg8-h7 h7-h6 16.g7-g8=L T~8 17.g6-g7 T~8 18.Sg3-e2 T~8 19.Sf5-g3 Tf~8 20.Sh6-f5 T~8 21.Sg8-h6 T~8 22.g7-g8=S Th8-~8 23.h6xLg7 Lf8-g7 24.g6-g5 g7xLf6 25.Lb2-f6 Tg8-h8 26.Lc1-b2 Th8-g8 27.b2-b3 Kc5-b5 28.b3-b4+ usw.
Das weitere Rückspiel ist nun noch etwas kompliziert, aber nicht prinzipiell schwer: Spielt einmal selbst weiter zurück; achtet dabei besonders auf den wK, der über d8-c7-b6 entschwinden muss, nachdem [sLc8] zurückgekehrt und Schwarz dann d7xc6 hat zurücknehmen können.
Damit haben wir nun bewiesen, dass die Stellung legal ist, die Frage der Autor also mit „ja“ zu beantworten ist. Selbstverständlich hätte er auch einfach „Löse auf“ drunterscheiben können…
Vielleicht ist das Pronkin-Thema in klassischen Auflöse-Retros nicht ganz so paradox wie in Beweispartien, weil die Auflöse-Retros weniger direkten Bezug zur Partieausgangsstellung haben, dennoch gefällt mir diese Aufgabe und ihr Thema sehr gut. Wer stellt nun noch zusätzlich eine thematische wD nach d1??