Retro der Woche 34/2014

Mal wieder ein Blick dreißig Jahre zurück, auf ein klassisches Retro aus der damaligen Sowjetunion. „Wieso Retro, das ist doch eine Vorwärts-Forderung?“ mag der eine oder andere vielleicht fragen.

Richtig, ein einzügiges Matt ist leicht zu finden (Lxf6 bzw. Lg4) –- aber genau das ist der Punkt: Eigentlich können beide Seiten Matt setzen, wenn sie denn am Zug sind. Und das gilt es per Retroanalyse zu klären.

Metschislaw Palewitsch
Shakhmaty v SSSR 1984, 3. Preis
Matt in einem Zug (11+15)

 

Zur damaligen Zeit wurden besonders in der Sowjetunion Retros hinter „Vorwärtsforderungen“ versteckt, wohl um ihre Publikationschancen in den sehr orthodox orientierten Zeitungen zu verbessern, obgleich gerade zu dieser Zeit Retros in der UdSSR eine sehr hohe Qualität und internationale Reputation hatten.

Lassen wir uns also davon nicht irritieren und schauen uns zunächst einmal die Schlagbilanz an:

Bei Schwarz fehlt nur [sLf8], der durch hxg auf einem schwarzen Feld geschlagen worden sein muss. Bei Weiß fehlen fünf Steine, die mittels bxa, dxc, exf, gxf und hxg geschlagen worden sind, womit alle Schläge durch Bauern erfolgt sein müssen.

Unter den Schlagopfern befinden sich auch die Bauern [wBb2], [wBd2] und[wBe2], die nicht direkt geschlagen worden sein können, sich daher schlagfrei auf ihrer jeweiligen Linie umgewandelt haben müssen.

Nun überlegen wir uns einmal, wie wir den Käfig im Nordosten öffnen können? Das funktioniert nur durch Rücknahme von exf – aber das geht erst nach der Entwandlung des [wBe2].

Nun wird es aber zeitlich eng mit den schwarzen Rückzügen, so dass weder einer der Türme (nach temporärer Räumung der 8. Reihe und dann Schachschutz durch wLf8) noch der wSg1 rechtzeitig nach e8 zum entwandeln kommen kann, da Schwarz in diesem Fall nur fünf schlagfreie Bauernzüge zur Rücknahme bleiben.

Also sollte vielleicht ein schwarzer Erntschlag ermöglicht werden, nd das Schlagopfer kann dann auf e8 entwandeln? Versuchen wir das einmal, indem wir wTa8 entwandeln, dann kann Schwarz anschließend schon einmal b7xa6X zurücknehmen. Also fangen wir mal an:

R 1.Tb8-a8 a5-a6 2.b7-b8=T a6-a5 3. b6-b7 b7xSa6 4.Sc7-a6 c5-c4 5.Se8-c7 c7-c6 6.e7-e8=S c6-c5 7.e6-e7 e7xDf6 8.Dd4-f6 f6-f5 9.Dh4-d4 Lf5-h3. Nun löst sich die Stellung leicht auf, wenn der schwarze Läufer die Deckung von g4 aufgibt, so dass dann weiter Kg4-h5 Sf5-h6+ zurückgenommen werden kann.

Das Rückspiel macht deutlich, dass Weiß mit der Rücknahme beginnen muss, ansonsten fehlt Schwarz ein Bauernzug und ist retropatt. Damit lautet die konkrete Antwort auf die Frage des Autors: Schwarz setzt matt durch Lg4!

Eine, wie ich finde, sehr hübsche Aufgabe mit schön eindeutigem Rückspiel, ohne allzu schwer zu sein. Und auch die dritte weiße Entwandlung ist noch eindeutig, da der wLd8 nun eingemauert ist, so dass es ein Umwandlungsstein ist.

2 thoughts on “Retro der Woche 34/2014

  1. Very nice retro, but I have an issue with the stipulation.
    #1 can mean (at least) two things:
    ‘White has the move and mates in one’ or ‘Who has the move and mates in one?’.
    Of course, the real interest lies in the retroplay, and this depends very much on which stipulation is intended.
    It seems fair to the solver to disclose the intention: #1 for the first, and ‘#1 (who)’ for the second. In the good old days people did not care, but I believe the stipulation for this retro should be updated to ‘#1 (who?)’

    • Dear Henrik, I agree: As an original problem for Die Schwalbe I would publish it with the stipulation “#1 (wer?)” only. But if you look into papers or books say 30 or so years old you ususally will find the simple (and misleading) stipulation “#1” — and so I decided to cite it here in the “original form” and to discuss it in its historical background.

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