Retro der Woche 48/2014

Das war gestern wahrlich kurios: Das heutige Retro der Woche hatte ich schon herausgesucht, als ich das Rätsel der Woche in Spiegel Online fand. Dieses Mal geht es um Schach – um einen Weg des sTa8 nach h1.

Ihr kennt das Rätsel? Wenn nicht, schaut es euch an!

Lustigerweise geht es auch bei unserer heutigen Aufgabe um einen auffälligen schwarzen Turm auf h1. Der, so ist zu vermuten, von a8 kommt.

Michel Caillaud & Noam Livnat
StrateGems 1998, 3. Preis
Beweispartie in 21,5 Zügen (16+15)

 

Zunächst sehen wir sehr schnell, dass wir uns heute nicht mit Umwandlungen beschäftigen: Es fehlt genau [sBd7]; der aber kann nicht umgewandelt haben, da alle weißen Steine noch auf dem Brett sind und er schlagfrei nicht auf die erste Reihe kommen konnte.

Nun zählen wir einmal die weißen Züge. Das ist bis auf eine Steinart sehr einfach.

Lassen wir erst einmal die weißen Türme beiseite, so lassen sich die anderen weißen Züge leicht zählen: 3+2+?+4+1+5 – damit bleiben maximal sieben Züge für die weißen Türme übrig. Die brauchen sie auch, denn [wTa1] brauchte drei Züge und [wTh1] derer vier – und damit sind alle weißen Züge erklärt.

Können wir auch noch herausbekommen, welcher Turm von a1 kommt? Er hatte dann den Weg Ta1-a3-d3-d6 oder Ta1-a3-e3-e4. Das kann beides gehen. Gehen denn auch die beiden Alternativen des anderen weißen Turms (Th1-f1-f3-d3-d6 oder Th1-f1-f3-e3-e4)? Nun schauen wir uns einmal andere Abhängigkeiten von weißen Zugfolgen an: [wTh1] kann erst dann nach f3 ziehen, wenn f2-f4 bereits erfolgt ist. Dafür aber muss schon [wLc1] auf e5 stehen – und dafür muss bereits d2-d3 erfolgt sein.

Daher kann [wTh1] nicht via d3 nach d6 gelangt sein, daher kommt wTd6 von a1. Damit sehen wir, auch, dass Weiß zunächst seinen Damenflügel entwickeln muss: Wegen des sBb4 kann [wDd1] nur via a4 in zwei Zügen nach b5 gekommen sein. Daraus folgt schon eindeutig der Partieanfang 1.c4 b5 2.Da4 b4 3.Db5, anschließend entwickelt sich der Turm nach d6 /a4, Ta3-d3-d6, woraufhin dann endlich d3 und Entwicklung des Königsflügels folgen kann.

Weil der wT keine Züge frei hat, muss er den sBd6 entweder auf d3 oder auf d6 geschlagen haben – ein anderer Schläger kommt gar nicht in Frage. Vor d7-d6 muss allerdings [sKe8] nach f8 ausgewichen sein.

Damit sind eigentlich alle weißen Züge auch in ihrer Reihenfolge klar, auch der Beginn bei Schwarz ist wegen des frühzeitig notwendigen Schlags des [sBd7] klar – und dann muss nur noch der [sTa8] nach h1!

Ihr ahnt jetzt sicher schon, wie das funktioniert? Erst im 7. Zug kann Schwarz a6 spielen, und dann hat der [sTa1] noch 14 Züge Zeit, nach h1 zu kommen. Und lustigerweise benötigt er die auch, weil er nur in Trippelschritten voran kommt – das ist jetzt nicht mehr schwer!

1.c4 b5 2.Da4 b4 3.Db5 g6 4.a4 Lg7 5.Ta3 Kf8 6.Td3 d6 7.Txd6 a6 8.d3 Ta7 9.Lf4 Tb7 10.Le5 Tb6 11.f4 Tc6 12.Kf2 Tc5 13.Kg3 Td5 14.Kh4 Td4 15.g3 Te4 16.Lh3 Te3 17.Lg4 Tf3 18.Sh3 Tf2 19.Tf1 Tg2 20.Tf3 Tg1 21.Te3 Th1 22.Te4.

Eine, wie ich finde, sehr hübsche und auch nicht schwere Aufgabe! Nun kann man sich natürlich wieder fragen, ob 22.Te3-e4 noch gerechtfertigt ist, da der schwarze Turm sein Ziel bereits erreicht hat und damit die eigentlich thematischen Züge dieser Partie schon abgeschlossen sind. Also einfach nur drangehängt?

In diesem Fall würde ich das nicht unbedingt sagen, da es doch ganz nett ist, wie ab den 19. Zug die beiden Türme aneinander vorbei schleichen. Und da passt dann Te3-e4 recht gut zu.

Oder was meint ihr?

2 thoughts on “Retro der Woche 48/2014

  1. Yes, a most enjoyable proof game with the long zig-zag trip by the black rook.
    Including 22. Te4 seems all right to me.
    Typo: Caillaud’s first name is spelled Michel…

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