Ich hatte hier kürzlich auf die nun (endlich) erschienenen noch fehlenden Preisberichte aus MatPlus hingewiesen, und auf „meinen“ Bericht dort zu den Retros 2010 möchte ich heute mit einem Beispiel eingehen.
Das Turnier war aus mehrfacher Sicht bemerkenswert: Erstens sollte mit dem Jahrgang 2011 die Veröffentlichung vom Urdrucken eingestellt werden, was ich sehr besuaerlich fand, da MatPlus eine meiner Meinung nach ausgesprochen gute Urdrucke veröffentlichte; die Retros-Abteilung wurde von Hans Gruber hervorragend geleitet.
Und zweitens war dies ein besonderes Turnier: Untern den neun ausgezeichneten Aufgaben (von 44 Teilnehmer) befindet sich keine einzige Beweispartie! Das sieht man in heutigen Informalturnieren sicherlich sehr selten!
So enthielt der Preisbericht sieben Auflöse-Retros (eine davon mit der Circe-Bedingung) sowie zwei Verteidigungsrückzüger vom Typ Proca — auch hier war eines davon mit Märchenbedingung.
Heute möchte ich den dritten Preisträger vorstellen: Ein klassisches Retro, das mir sehr gut gefallen hat.
MatPlus 2010, 3. Preis
Löse auf! (15+13)
Ein kurzer Blick auf das Diagramm zeigt, dass Weiß nicht umgewandelt haben kann (acht Bauern) und nur ein weißer Springer fehlt. Bei Schwarz fehlen genau drei Bauern.
Schnell sieht man, dass (wegen des Schachgebots gegen den schwarzen König) Weiß mit der Rücknahme beginnen muss; nicht so schnell habe zumindest ich gesehen, wie der Südost-Käfig nach der Rücknahme 1. Df2-g3+ mit eventuellem Entschlag aufgelöst werden kann:
Das kann nur funktionieren, indem der schwarze König den Käfig via e3 und d4 verlässt — dann löst sich alles einfach auf.
Aber dieses Verlassen ist nicht so einfach — besonders nicht wegen der vielen Fesselungen, die sofort ins Auge springen: sSg5g4, nach der ersten Zugrücknahme sDf3 sowie wTe2. Außerdem ist Schwarz in Zugnot, kann im Moment eigentlich nur seinen Ba5 Züge zurücknehmen lassen — wenn man nicht auf den Gedanken von Gegenschach-Tempospiel kommt …
Und genau das macht den wesentlichen Witz und Charme dieser Aufgabe aus: Schwarz benötigt einen Tempo-Generator, um seine Springer befreien zu können. Aber vorher muss Weiß erst einmal dafür sorgen, dass Schwarz nicht die Rückzüge ausgehen.
1.Df2-g3+ a6-a5 2.Sc3-b1 a7-a6 3.Sb5xBc3 c4-c3 4.Sd6-b5 Dg3-f3 5.Dg1-f2+ Df3-g3+ (Erstes Gegenschach-Tempospiel) 6.Sf7-d6 Se6-g5 7.Sg5-f7+ (zunächst den sSg4 freizuspielen ist einen Zug zu langsam; das wird später im Lösungsspiel klar.) 7.– Sd4-e6 8.Dh1-g1 Sb3-d4 9.Dg1-h1 Sa1-b3 10.Df2-g1 a2-a1=S 11.Dg1-f2 a3-a2 12.Df2-g1 (Ein auf a2 entschlagener wS braucht sechs Züge bis g4, ein auf a3 entschlagener fünf, so dass die beiden Alternativen zunächst gleichwertig erscheinen. Überraschenderweise sind sie es aber nicht: Der erste Entschlag nimmt Schwarz einen Tempomechanismus in der Südostecke und damit einen notwendigen Tempozug!) 12.– b4xSa3 13.Sb5-a3 c5-c4 14.Sd6-b5 Dg3-f3 15.Dg1-f2+ Df3-g3+ (Zweites Gegenschach-Tempospiel) 16.Se8-d6 c6-c5 17.Sf6-e8 Sf2-g4 18.Sg4-f6+ Dg3-f3 19.Dh1-g1 Tf3-e3 20.Te3-e2 Le2-d1 21.a3-a4 (Dg1 würde später weitere schwarze Tempozüge erfordern; das ist auch der Grund, weswegen Weiß in seinem 12. Zug nicht a3-a4 zurücknehmen konnte.) 21.– Ld1-e2 22.Le2-f1 c7-c6 23.Kf1-e1 b5-b4 24.Kg1-f1 b6-b5 25.Lf1-e2 Le2-d1 26.a2-a3 Ld1-e2 27.Te1-e3 Le2-d1 28.Ta1-e1 Ke3-f4, und nun kann der schwarze König über d4 entkommen, und alles löst sich nun leicht auf.
Sehr inhaltsreiches und abwechslungsreiches Auflösungsspiel, das, wie ich finde, eine genaue Analyse lohnt.
Yet another beautiful resolution retro by the young Bulgarian author. After a veritable publication spree in 2010 his production seems to be tapering off. It is to be hoped that he will find time to resume composing, because his talent is really remarkable.
(Thomas, should the last 7.5 moves of the retroplay not be highlighted?)
Of course, they should — and now they are 😉 Henrik, thanks a lot!