Heute möchte ich mal wieder ein wenig in die „Frühgeschichte der Beweispartien“ schauen — und wir sollten daran denken, dass diese Phase vor etwa 30 bis 35 Jahren war; deren bedeutendster Protagonist war sicherlich der junge Michel Caillaud.
Hier nun eines seiner großartiegen Stücke von vor 30 Jahren:
Europe Echecs 1985, 2. Preis
Beweispartie in 26,5 Zügen (14+11)
Auffällig ist sofort die Homebase der schwarzen Steine: Es fehlen genau fünf Bauern. Die Stellung der weißen Steine ist nicht ganz so übersichtlich, und daraus werden wir nun versuchen, ein paar Schlüsse für die Lösung zu ziehen.
Beginnen wir mit der Inventur: Es fehlt ein Bauer sowie ein Springer. Der fehlende Bauer kann aufgrund der Positionen der weißen Steine [Ba2] oder [Bg2] sein. Können wir das im Zusammenhang mit den schwarzen Steinen bereits entscheiden?
Ja, das können wir — und wir nehmen erst einmal an, dass der fehlende weiße Bauer der [Ba2] ist. Dann muss Schwarz mindestens drei Mal umgewandelt haben, um die weiße Bauernstruktur auf der c- und auf der e-Linie erzeugen zu können. Zählen wir nun die weißen Züge: Da wir annehmen, dass der [Ba2] von Schwarz geschlagen worden ist, kommen wir auf 2+2+3+5+2+11=25; es sind als noch zwei weiße Züge übrig.
Aufgrund unserer Annahme muss also der fehlende weiße Springer nach maximal zwei eigenen Zügen geschlagen worden sein, mit anderen Worten: Es stehen maximal vier (zwei sichtbare plus zwei bis zum Schlag) weiße Springerzüge zur Verfügung.
Mit unserer Annahme und der weißen Bauerstruktur ist klar, dass sich [Ba7], [Bg7] und [Bh7] umgewandelt haben, [Bh7] auf g1. Damit muss einer der beiden Springer auf der g-Linie (irgendwo zwischen g2 und g6) geschlagen, der andere nach f4 gespielt worden sein. Das aber lässt sich in vier Springer-Zügen nicht bewerkstelligen — Widerspruch zu unserer Annahme!
Also wurde [Bg2] von Schwarz geschlagen, und dies hat sofort mehrere Auswirkungen auf die Lösung: So benötigt nun [Lf1] nicht mehr nur drei, sondern fünf Züge, um nach a2 zu gelangen, da der direkte Weg durch Ba2xb3xc4 versperrt ist. Damit benötigt Weiß bereits 27 Züge, damit hat der fehlende weiße Springer nie gezogen, sondern wurde zu Hause (a2xSb1=X) geschlagen, der andere schwarze Schlagfall war hxBg.
Eine weitere Konsequenz ist, dass damit wegen der weißen Bauernstruktur gleich vier schwarze Bauern umwandeln mussten — und damit hat auch Schwarz nicht mehr allzu viel Zeit!
Aus unseren Überlegungen heraus kennen wir auch schon die Umwandlungsfelder: Zwei mal g1 (für [Bg7] und [Bh7]) sowie f1 und b1 (siehe oben). Auf den Umwandlungsfeldern können die Steine nicht geschlagen worden sein (kein weißer Zug auf diese Felder), also müssen alle vier Umwandlungssteine gezogen haben; dafür stehen sechs Züge zur Verfügung. Dies schließen auch Pronkin-Thema aus, also haben wir vier Ceriani-Frolkin-Umwandlungen.
Das sollte nun nicht mehr allzu schwer sein, die richtigen Umwandlungen und Opferfelder herauszufinden:
1.f4 h5 2.f5 h4 3.f6 h3 4.fxe7 hxg2 5.h4 g5 6.h5 g4 7.Th4 g3 8.Sh3 g1=L 9.Lg2 Le3 10.Lc6 g2 11.dxe3 g1=T+ 12.Kf2 Tg3 13.e4 Tb3 14.axb3 f5 15.Ta6 f4 16.La4 f3 17.Kg3 f2 18.Th6 f1=D 19.Dd6 Df7 20.Lf4 Dc4 21.bxc4 a5 22.Lb3 a4 23.Da6 a3 24.Ld6 a2 25.Sf4 axb1=S 26.La2 Sc3 27.bxc3.
Dies war die allererste Ceriani-Frolkin-Allumwandlung — und ich finde, das ist auch heute, dreißig Jahre später, noch ein sehr sehenswerter, sehr frischer Vertreter aus der Frühgeschichte der eindeutigen Beweispartie.
In der Tat faszinierend, wie man so etwas vor 30 Jahren korrekt aufs Brett gestellt hat. Die Aufgabe ist C+. Euclide braucht nur wenige Minuten.
I have looked at this classic so many times that I know the play by heart. Yet, it is still enjoyable to replay it.
It is unclear to me, whether it has passed a computer test; but I am certain that it is correct.