In den letzten Jahren hatten einige Problemschachzeitschriften erfrelicherweise Retro-Informalturniere begonnen, so auch Orbit. Weniger erfreulich ist, dass diese Zeitschrift 2013 ihr Erscheinen einstellen musste.
Im Informalturnier 2008 zeichnete Preisrichter Hans Gruber dieses Stück mit einem Preis aus:
Orbit 2008, Preis
Beweispartie in 21,5 Zügen (14+14)
Beiden Seiten fehlen jeweils zwei Bauern, aber keine Doppelbauern verraten uns mögliche Schläge von Bauern. Also müssen wir versuchen, auf andere Weise der Lösung näher zu kommen. Versuchen wir es wie üblich mit dem Zählen der Züge.
Hierbei sind die weißen Züge zunächst einmal nicht so aussagekräftig: Wir erkennen im Diagramm nur 1+0+0+6+0+2=9 — es bleiben also 13 freie weiße Züge.
Bei Schwarz kommen wir mit dem Zählen schon deutlich weiter: 1+2+4+3+3+8=21, damit sind alle schwarzen Züge sichtbar. Daraus können wir sofort schließen, dass die beiden fehlenden schwarzen Bauern nicht haben ziehen können — es sind einfach keine Züge mehr frei; sie wurden also zu Hause geschlagen.
Mehr noch: Wir können auch die Schlaglinien von Schwarz schon bestimmen! Die ergeben sich daraus, dass für die schwarzen Türme nur vier Züge übrig bleiben. Demnach stammt sTg6 von h8 und sTh3 von a8; nur auf diese Weise können sie in nur vier Zügen ihr Zielfelder erreicht haben.
Das bedeutet aber, dass Schwarz Ta8-a3-h3 gezogen haben muss, und daraus ist klar, dass [Ba7] mindestens einmal geschlagen haben muss, nämlich um [Ta8] über die a-Linie heraus zu lassen. Damit steht auch die Linie des zweite schwarze Bauernschlags fest: Das muss bxa gewesen sein — ob der Schlag nun vom [Ba7] oder vom [Bb7] erfolgte, das wissen wir noch nicht.
Auf alle Fälle können auf diese Weise die beiden fehlenden Bauern [Bc2] und [Bf2] nicht geschlagen worden sein: Sie können höchstens nach d7 bzw. g7 geschlagen haben — wir wissen ja, dass wirklich [Bd7] und [Bg7] fehlen.
Damit ist auch klar, dass die beiden fehlenden weißen Bauern umgewandelt haben — und wenn wir die Umwandlungszüge zählen, so kommen wir nun auf mindestens 13 weiße Züge, die klar sind. Wieso nicht 19?? Nun, die beiden weißen Läufer könnten ja Umwandlungssteine sein. Sind sie „Normalsteine“, haben sie jeweils drei Züge gebraucht, die aber wieder frei wären, wenn wir hier Umwandlungssteine vor uns haben. Statt jeweils drei Züge von f1 bzw. c1 hätten wir nun jeweils fünf Züge von c2 bzw. f2.
Damit kommen wir aber trotzdem noch nicht aus, das erkennt man recht schnell auf g8: Lg8 kann kein Umwandlungsstein, der nicht mehr gezogen hat, sein, da in diesem Fall f6xg7-g8=L erfolgt wäre — aber dann kann sTg6 nicht in zwei Zügen von h8 auf sein Diagrammfeld gelangt sein.
Kehren wir noch einmal zu den schwarzen Schlägen auf der a- und b-Linie zurück: Der Schlag von der a-Linie weg erfolgte auf einem schwarzen Feld, da ansonsten sBa3 und sBb6 ihre Zielfelder nicht in insgesamt nur vier Zügen hätten erreichen können: Also entweder a7xb6 (nach b7-b5) oder a5xb4. Kann das Schlagopfer dann naheliegender Weise wLc1 gewesen sein? Nein, denn dann hätte Weiß vorher bereits d2-d3 spielen müssen — das aber hindert sTh3 daran, in zwei Zügen von a8 aus auf sein Zielfeld zu gelangen.
Nach diesen ganzen Überlegungen sollte es nicht mehr allzu schwierig sein, die Lösung zu finden:
1.f4 b5 2.f5 Lb7 3.f6 Dc8 4.fxg7 f5 5.c4 Sf6 6.g8=L Lh6 7.c5 Kf8 8.Lb3 Tg8 9.c6 Tg6 10.cxd7 c5 11.d8=L c4 12.Lb6 axb6 13.Kf2 Ta3 14.La4 Th3 15.d3 bxa4 16.Lf4 a3 17.Lc7 Ld2 18.g3 f4 19.Lg2 Dg4 20.Ld5 Sbd7 21.Lg8 Sd5 22.Ld8.
Wir sehen hier also eine Doppelsetzung des Anti-Pronkin-Themas (Sonderform des Ceriani-Frolkin-Themas: Ein Umwandlungsstein wird geschlagen, der passende Originalstein zieht auf dessen Umwandlungsfeld) ohne sichtbare Schläge, was durch die Betrüger-Bauern a3/b6 erreicht wird.
Nicolas tried to hide the goings-on, but Thomas outdid him by good analysis.
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