„Das kann doch nicht so schwer sein!“ werden sich manche Schwalbe-Löser im Jahre 2004 gedacht haben, als sie die vorliegende Aufgabe sahen. Allerdings hat sich das aus trügerisch herausgestellt, wie einige Löserkommentare zeigten: „An dieser Aufgabe hatte ich — trotz der geringen Zügezahl — am meisten zu beißen.“ oder „Ging dicht an die Grenzen meiner Lösungs-Leistungsfähigkeit und beweist, dass die Schwierigkeit nicht immer proportional mit der Zügezahl zunehmen muss.“ schrieben zwei erfahrene Löser.
Woran liegt die Schwierigkeit?
Die Schwalbe 2004, Lob
Beweispartie in 11 Zügen (15+12)
Sofort fällt auf, dass der bei Weiß einzig fehlende [Bf2] auf h6 gestorben ist. Zwei prinzipiell unterschiedliche Wege führen potenziell zu seinem Tod: direkt (via f4xg5xh6) oder indirekt, indem er sich umgewandelt hat und dann nach h6 gezogen hat. Die dritte Möglichkeit, dass ein weißer Original-Offizier auf h6 geschlagen wurde und der Umwandlungsstein diesen ersetzt, können wir aufgrund der Zügezahl schnell ausschließen.
Betrachten wir zunächst die erste Alternative: Bei Schwarz fehlen die beiden Springer, der [Bc7] sowie der [Lc8], der zu Hause geschlagen werden musste. Lassen sich die beiden schwarzen Springer auf g5 und h6 schlagen, benötigen sie zusammen fünf Züge, darüber hinaus sind noch fünf schwarze Züge im Diagramm sichtbar.
Weiß hat acht Züge Zeit, die beiden schwarzen Steine der c-Linie abzuholen. In vier Zügen kann Sb1 auf c8 sein — das klappt also, wenn er zwischendurch noch den [Bc7] „mitnimmt“. Der aber hat nur einen Zug übrig, müsste also auf c7, c6 oder c5 geschlagen werden. Das allerdings kann bei der Zügezahlbegrenzung bei Weiß nicht klappen, das funktioniere nur, wenn [Bc7] bis c4 ziehen könnte!
Also muss [Bf2] umgewandelt haben — und damit beginnt die Schwierigkeit.
Wo kann die Umwandlung stattgefunden haben? Irgendwo „nach rechts“ scheidet aus, da ja gxh6 erst nach der Umwandlung geschehen konnte. Also auf d8 oder e8, denn c8 ist noch vom Läufer besetzt, und für b8 werden bereits vier Schläge benötigt, ohne dass der Läufer verschwinden könnte; aus diesem Grunde scheidet auch die Umwandlung auf d8 via c7 aus.
Aber auch via e7 kann es auf d8 (und analog auf f8) nicht klappen: Auf e7 und d8/f8 müssten die beiden Springer geschlagen werden, aber wohin soll die sD so lange ausweichen? Selbst wenn dies gelänge, käme wegen des sKe8 nur eine Umwandlung in einen Springer in Frage (ein Läufer könnte Lc8 nicht beseitigen) — aber wie soll der dann auf der c-Linie abräumen?
Also muss die Umwandlung auf e8 erfolgt sein — der sK muss sich dafür temporär in sichere Gefilde zurückziehen, um eine Damenumwandlung auf seinem Standfeld zu ermöglichen. Dafür muss er rochieren, damit [Th8] dann auf f8 Schachschutz bietet.
Also 1.f4 e5 2.f5 Lc5 3.f6 Se7 4.fxe7 — und die Rochade geht nicht mehr! Also muss Weiß im ersten Zug ein Tempo verlieren — und das geht auch, denn von e8 funktioniert dann ja die füngzügige Tour De8xc8xb8xc7-f4-h6, sodass im letzten Zug gxDh6 erfolgen kann.
Doch halt: Dc7-f4 ist durch den sBe5 verstellt! Also muss auch [Be7] seinen Doppelschritt aufspalten, ebenfalls im ersten Zug.
Der Rest ist dann einfach: 1.f3 e6 2.f4 Lc5 3.f5 Se7 4.f6 OO 5.fxe7 f6 6.e8=D De7 7.Dxc8 Kf7 8.Dxb8 Th8 9.Dxc7 Ke8 10.Df4 e5 11.Dh6 gxh6.
Viel Programm für nur 22 Halbzüge: Antirochade, Ceriani-Frolkin-Dame und die Aufspaltung der Doppelschritte bei Weiß und Schwarz jeweils im ersten Zug.
Sind das übrigens beides Tempozüge? Bei Weiß schon: Er könnte im ersten Zug f4 spielen, wenn er in seinem zweiten bis vierten Zug irgenwo auf die Zugpflicht verzichten könnte. Das darf er nicht, also muss er 1.f3 2.f4 spielen.
Bei Schwarz sieht das anders aus, obgleich es optisch identisch wirkt: Nein, 1.– e5 würde, wie wir schon gesehen haben, die Diagonale c7-f4 verstellen. Hier ist das Motiv für die Aufspaltung also Linienfreihaltung und kein Tempospiel.
“Sind das übrigens beides Tempozüge?” Zu dem Thema wird es bei der kommenden Schwalbe-Tagung in Aalen einen Vortrag geben (in dem Hilfsmatts und Beweispartien vorgeführt werden). Ich hoffe viele Leser des Retroblogs dort zu sehen!
It is funny that human solvers dislike ‘wasting’ time with pawn moves.
Euclide has no such hang-ups, finding the unique solution in 12 seconds.