Heute möchte ich etwa 25 Jahre zurück gehen und eine Aufgabe vorstellen, die mir als ich sie zum ersten Mal gesehen hatte, sofort sehr gut gefallen hatte. Ich könnte mir vorstellen, dass es euch ähnlich geht.
Im heutigen Diagramm scheint ein wenig schwarze Farbe zu fehlen — da müssen wir also selbst nachhelfen und zunächst 15 oder 16 Steine (es fehlt a insgesamt nur ein Klotz) schwarz färben, um dann in der „korrigierten“ Stellung die Beweispartie zu lösen.
The Problemist 1989, 3. Preis (1998-1990)
Färbe für eine Beweispartie in 17,5 Zügen (31+0)
Schauen wir uns die Bauernstruktur an, so sehen wir nur auf der e-Linie drei Bauern und auf der f-Linie einen. Damit ist klar, dass die fehlende Dame mittels fxe geschlagen wurde, dass Bf2 von anderer Farbe als der Schläger sein muss.
Wir haben also ganz sicher auf der e-Linie entweder zwei weiße Bauern — dann ist Bf2 schwarz — oder zwei schwarze Bauern, und dann ist Bf2 weiß. Nun betrachten wir die beiden Alternativen genauer.
Nehmen wir an, auf der e-Linie stehen zwei weiße Bauern, dann wurde die schwarze Dame geschlagen, dann steht auf d1 die weiße Dame und der Bauer auf f2 ist schwarz. Ist Ke1 weiß, so ist das Schach des sBf2 illegal, denn der Bauer kann nicht von f3 kommen, da dieses Feld besetzt ist; für einen Schlag nach f2 fehlt allerdings ein Schlagobjekt. Also kann Ke1 nicht weiß sein. Ist er allerdings schwarz, so ist nun das Schachgebot durch wDd1 nicht aufhebbar, also haben wir ebenfalls eine illegale Stellung.
Damit führt die Annahme, dass zwei weiße Bauern auf der e-Linie stehen, zwangsläufig zum Widerspruch, nämlich zu illegalen Stellungen. Also stehen auf der e-Linie zwei schwarze Bauern, ist Bf2 weiß.
Das aber bedeutet, dass die weiße Dame fehlt, dass Dd1 schwarz ist. Sie kann nicht durch Umwandlung entstanden sein, da für exXd1+ ein Schlagobjekt fehlt. Anders lässt sich ein Schach gegen Ke1 aber nicht aufheben.
Also kann sDd1 nicht Schach bieten, und daraus müssen wir zwingend schließen, dass nicht nur Dd1, sondern auch Ke1 schwarz ist!
Versuchen wir nun weiter zu färben, so sehen wir, dass durch e1 und d1 bereits zehn schwarze Züge in der Beweispartie vebraucht sind. Damit stehen nur noch sieben weitere für Schwarz zur Verfügung.
Klar ist wegen fehlender Schlagobjekte, dass jeweils die „nördlichen” Bauern alle schwarz sind, also Ba5c5g5, somit bleiben noch vier schwarze Züge — die verbrauchen wir für Sf7, Th6 und Be6. Und damit sind dann alle Steine auf der achten Reihe, abgesehen vom König, ebenfalls schwarz.
Und damit haben wir folgendes eingefärbte Diagramm:
The Problemist 1989, 3. Preis (1998-1990)
Gefärbte Stellung. Beweispartie in 17,5 Zügen (15+16)
Nun sieht man schon mehr — zum Beispiel den letzten Zug der Beweispartie. Und man merkt auch schnell, dass besonders Weiß unterstützen muss, den schwarzen Monarchen in seinem Lager empfangen zu können, dazu muss z.B. bereits [Sg1] im Laufe der Lösung schon einmal Platz machen. Und auch das Timing der Lösunug ist raffiniert.
Allzu schwer sollte dennoch das Lösen der Beweispartie nicht mehr sein:
1.e4 c5 2.Dg4 Da5 3.De6 fxe6 4.Ke2 Kf7 5.Kf3 Kf6 6.Kg4 Ke5 7.Kg5 h5 8.Kg6 Kf4 9.Kf7 Sh6+ 10.Ke8 Sf7 11.Lb5 Th6 12.d3+ Dd2 13.g4 a5 14.Sh3+ Kf3 15.g5 Ke2 16.Sg1+ Ke1 17.h3 Dd1 18.Sf3++.
Mir gefällt diese Kombination aus Färben und zusätzlicher Beweispartie sehr gut.
Es gibt ja auch Färbe-Retros, die ohne Forderungsergänzung auskommen. Ist die zusätzlich geforderte Beweispartie nun eine aufwertende Ergänzung, oder ist sie eher eine konstruktionserleichternde Zusatzbedingung? In Deiner Lösungerläuterung (deren Hinführung wieder sehr schön ausführlich ist, Thomas!) wird zunächst durch reine Retroanalyse erschlossen, daß Ke1 und Dd1 beide schwarz sind. Danach wird aber Bezug darauf genommen, daß dann nicht mehr viele Züge zur Verfügung stehen, um die Steine von ihrer Ursprungsposition in die Diagrammstellung zu überführen. Oder läßt sich die ganze Färbeaufgabe zunächst auch ohne Bezugnahme auf die geforderte Beweispartie lösen?
Richtig, ein “rein retroanalytisches” Färbeproblem haben wir beispielsweise im RdW 15/2015 gesehen.
Hier braucht es für die eindeutige Färbung schon des Zeitdrucks: retroanalytisch sind “nur” die Bauern, die Könige, die Dame sowie (wegen der Bauernstellung) die Läufer eindeutig bestimmt; in einer beliebigen Stellungsauflösung könnte z.B. das Doppelschach bequem vermieden werden.
Dies sehe ich allerdings nicht als Konstruktionserleichterung an, sondern als zusammen gehörige, miteinander verwobene Teile. Anders wäre das, wenn die Beweispartie nicht eindeutig wäre, wenn es also nur eine künstliche Zeitbeschränkung wäre. Aber so erscheint es mir für den Löser doppelt verblüffend: Wenn man nur auf das nicht eingefärbte Diagramm schaue, sieht das fast wie eine (ok, von Schwarz deutlich verhunzte) Spanische Eröffnung aus — dass dem nun wahrlich nicht so ist, sieht man ja erst durch die Retroanalyse. Dass sich dann auch noch eindeutig zeigen lässt, dass dies ein Trugschluss ist, finde ich schon sehr bemerkenswert.
Und garantiert kann man nicht eine beliebige Beweispartie einfach “entfärben”, um zu einer solchen Forderung wie hier zu kommen.
(Übrigens sehe ich gerade, dass ich die Aufgabe hier schon einmal veröffentliche hatte: RdW 33/2013. Da vergisst man ein einziges Mal, in die Liste zu schauen, und schon ist es passiert…)
The pawns are not uniquely colorable in a retro-analytical sense: Pe6 could be white and Pe4 black.
Otherwise I agree with Thomas that the problem is a delightful coloring-proofgame combination
Of course you are right, Henrik — thanks for correction!