Hinweis 25.5.2020: Nikolai Beluchow fand hierzu eine Nebenlösung (siehe P1312968) — und hat die gleich zu einem neuen Stück veredelt (siehe P1376210).
In seinem Aufsatz zum Kisljak-Thema hatte Andrej Frolkin einen der beiden geteilten Sieger des 1. Chesproblem.net Kompositionsturniers vorgestellt, in dem Retros mir mindestens einer komplett unbesetzten Linie gefordert waren. Das andere, das für den Kisljak-Aufsatz unthematisch war, möchte ich euch heute vorstellen.
1. ChessProblem.net Kompositionsturnier 2015, 1-2. Preis
Löse auf! (13+12)
Thematisch ist hier selbstverständlich die f-Linie – und wir werden sehen, dass im Zusammenhang mit der f-Linie auch das wesentliche Rückspiel stattfindet.
Aber zunächst betrachten wir die Schlagbilanzen: Wir sehen drei offensichtliche Bauernschläge von Schwarz: axbxc und fxe6; damit sind ale fehlenden weißen Steine erklärt. Bei Weiß sieht man sofort die Schläge axb und cxd. Da alle schwarzen Schläge bereits verbraucht sind, müssen [Bg2] und Bh2] über Kreuz geschlagen haben, damit die Bauern im Osten ihre Diagrammstellung erreichen konnten. Damit sind auch alle vier fehlenden schwarzen Steine durch Bauernschläge erklärt.
Und damit ist auch klar, dass sich [Bf2] schlagfrei auf f8 hat umwandeln müssen, denn anders kann er nicht verschwunden sein.
Betrachten wir nun einmal die beiden Käfige im Westen und im Osten, die durch die f-Linie voneinander getrennt sind: beide können nur durch Rücknahme eines Königszuges geöffnet werden, und Schwarz muss damit beginnen, muss also Ke4-e5 zurücknehmen. Das allein reicht aber noch nicht, weil dann Schwarz immer nur Pendelzüge mit seinem König zwischen e4 und e5 zur Verfügung stehen.
Schaut man sich nämlich den West-Käfig ein wenig genauer an, so merkt man rasch, dass sTd5 zusammen mit dem unbeweglichen wLc6 sehr „störend“ stehen, da nach zurück Ke4-e5 der Turm gefesselt ist. Um ihn zu befreien, brauchte es neben der Verstellung auf f5 eines weiteren weißen Steines auf d5. Der kann zwar herangeholt werden, aber der blockiert dann den West-Käfig so, dass er nicht mehr aufgelöst werden kann.
Also müssen wir f7xXe6 abwarten, um für den sTd6 ein wenig Luft zu gewinnen. Das geht aber nicht sofort, da ja [wBf2] zunächst noch auf f8 entwandeln muss.
Es ist nicht sofort zu sehen, welcher Stein auf f8 entwandeln muss: sofort bietet sich Lg7 an, da er sowieso im ersten Zug nach f8 zurückgehen muss, um das Matt aufzuheben. Da aber Schwarz, bis er Ke4-e5 zurücknehmen kann, erst einmal nur Entschläge des Bc2 (auf weißen Feldern) zurücknehmen muss und auch f7xXe6 auf einem weißen Feld geschieht, könnte der Original-Läufer von c1 gar nicht mehr entschlagen werden, also ist Lg7 der Original-Läufer und scheidet als Umwandlungsstein aus. Ein Springer kann es auch nicht sein, da er nur via e4-f6-h7 nach f8 kommen könnte und dabei zwischendurch für schwarzes Retropatt sorgen würde. Eine Dame scheidet auch aus, wie man später sieht, da der umgewandelte Stein zwischendurch auf f6 Schachschutz bieten muss – also bleibt nur ein Turm als Umwandlungsstein.
Den aber nach f8 zu bringen, ohne dass z.B. Lg7 stört, ist nicht gerade ganz einfach; versucht es einmal. Dabei müsst ihr berücksichtigen, dass f5 immer wieder von Weiß besetzt werden muss, um nämlich Ke5-e4 zu ermöglichen.
Die Lösung ist nun sehr hübsch; einerseits komplziert, andererseits vollkommen logisch.
R 1.Lf8-g7# b3xSc2! 2.Se3-c2 a4xTb3! 3.Sf5-e3 Ke4-e5 4.Sd1-c3+ Ke5-e4 5.Tf3-c3 Ke4-e5 6.Se3-d1 Ke5-e4 7.Tf1-f3 Ke4-e5 8.Sg7-f5 Ke5-e4+ 9.Tf6-f1 a5-a4 10.Sf5-e3 Ke4-e5 11.Se8-g7 Ke5-e4 12.Lg7-f8 Ke4-e5 13.Lh8-g7 Ke5-e4 14.Sg7-e8 Ke4-e5 15.Tf8-f6 Ke5-e4 16.f7-f8=T Ke4-e5 17.f6-f7 Ke5-e4 18.b3-b4 Ke4-e5 19.Se3-f5 Ke5-e4+ 20.f5-f6 Ke4-e5 21.~ f7xDe6 22.Df6-e6+ Te6-d6 usw..
Ich zitiere den Kommentar von Preisrichter Tom Volet: The sole entry that did not involve the Kislyak maneuver (the attractiveness of which as a response to the tourney condition was not anticipated by the judge). This fine composition provides an interesting study in retroscreens on two axes involving a moving target. The result is a highly effective exploitation of the open file concept! Careful interplay of the active units is required throughout the retroplay. In addition, the dense matrix to the West of the Black King is much more resistant to release than might appear at first, thus extending the retroplay in an intriguing postscript.
Für mich ist diese Aufgabe eines der besten und originellsten klassischen Retros der letzten Jahre!
It seems unnecessary to use the tempo retraction -18.b3-b4.
Instead -15.Tf7 Ke5 -16.Tf8 Ke4 -17.T=Pf7 Ke5 -18.f6 Ke4 etc.
Maybe this deviation possibility detracts slightly from the problem.
A very fine retro with a beautiful and complicated resolution.
It is amazing that composers of this type of problem still are able to find new and interesting features.