Retro der Woche 42/2015

„Proof Games of the Future“, also Beweispartien, in denen mindestens zwei Themen mindestens doppelt gesetzt sind, sind in den letzten Jahren der große Renner, solche Aufgaben landen sehr oft auf den führenden Rängen der Preisberichte renommierter Retrospalten.

Aber vielleicht gerade deshalb freue ich mich über Abwechslung, über hervorragende Beweispartien, die nicht in dieses Grundschema fallen, die aber trotzdem exquisiten Inhalt zeigen.

Ein solches Stück ist die Aufgabe, die ich heute ausgesucht habe.

Eric Pichouron
StrateGems 2011, 2. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 20,0 Zügen (13+12)

 

Bei Schwarz sind wir sehr schnell mit dem Zählen der sichtbaren Züge fertig; bei Weiß lohnt sich die Mühe eher.

Dort kommen wir auf 4+0+4+2+4+7=21 — doch das kann nicht sein, da die Stellung in 20 Zügen erspielt werden muss.

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VRZ Proca und Høeg

Auf der Website von Julia Vysotska hat Andreas Thoma in einem Aufsatz vier Verteidigungsrückzüger-Zwillinge mit dem “Typenwechsel” Proca und Høeg unter der Bedingung “Anticirce” vorgestellt. Eine der Aufgaben möchte ich hier zeigen:

Andreas Thoma
Julia’s Fairies, 2.10.2015
#1 vor 2 Zügen, VRZ a) Proca, b) Høeg. Anticirce Typ Cheylan (2+4)

 

Verteidigungsrückzüger und deren Typen wurden z.B. im Retro der Woche 41/2015 erklärt, Bei Anticirce wird der schlagende Stein auf sein (circensisches) Ausgangsfeld versetzt, das Schlagopfer verschwindet. Ist das Partieausgangsfeld des Schlägers besetzt, so ist der Schlag nicht möglich. Dabei wird unterschieden zwischen Typ Cheylan (Ein Stein darf nicht auf sein Ausgangsfeld schlagen, da es ja besetzt ist) und Typ Calvet (Ein Stein darf auf sein Ausgangsfeld schlagen, da es ja nach dem Schlag frei ist).

In unserem Beispiel lautet die Lösung:

a) R 1.1.Kg8xLf7[Ke1] Le8-f7+ 2.Tf5-f8 & vor 1.Kg7#;
b) R 1.Ke2-e1 Bg4xDh3[Bh7] 2.De3-h3 & vor 1.Dh6#

Spannend ist dann immer die Frage, warum die Lösungen nicht “anders herum” gehen: Beim Typ Høeg würde Schwarz in der a) Lösung einen anderen schwarzen Stein auf f7 einsetzen, der anschließend nicht gezwungen wäre, e8 zu blocken, was erst das Matt durch den weißen König ermöglicht, da der schwarze ja nicht schlagen kann. Und in der b)-Lösung als Proca würde Schwarz iirgendeinen anderen weißen Stein entschlagen, und Weiß hätte kein Matt.

Häufig verwenden die Komponisten den Typ Cheylan einfach deshalb, weil dieser Typ bei Procas etwa vom Programm “Pacemaker” (Thomas Kolkmeyer) geprüft werden kann. Hier ist der Typ Cheylan aber auch unabhängig davon wichtig, da b) gemäß Typ Calvet unlösbar wäre: Schwarz könnte nach R 1.Ke2-e1 auf e1 einen schwarzen Springer einsetzen und dann 1.– Sf3-e1+ zurücknehmen, ohne dass Weiß etwas entschlagen könnte, somit fehlte ihm der mattgebende Stein.

Retro der Woche 41/2015

Nach meinen Glückwünschen zu seinem Geburtstag erhielt ich eine sehr freundliche und persönliche Mail von Erich Bartel, in der er sich unter anderem sinngemäß als blutigen Retro-Laien bezeichnete.

Das hat mich natürlich gereizt und mich veranlasst, doch mal genauer nach seinen Retros zu schauen.

Viele seiner Retros sind kleine, pointierte Hilfsrückzüger, aber dann stolperte ich über eine Aufgabe von ihm, die ich heute vorführen möchte, die so gar nicht nach blutigem Laien ausschaut.

Erich Bartel
Die Schwalbe 1968
#1 vor 8 Zügen, VRZ Proca (6+15)

 

Im Verteidigungsrückzüger nehmen bekanntlich beide Seiten legale Züge zurück; Weiß versucht dabei, eine Stellung zu erreichen, in der er die Vorwärtsforderung (hier also Matt in einem Zug) erreichen kann; Schwarz versucht das zu verhindern. Beim Typ Proca entscheidet die zurücknehmende Partei, ob und ggf. was sie mit der Zugrücknahme entschlagen hat.

Nehmen wir zunächst eine Inventur der Stellung vor:

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Für zwischendurch (6)

Am heutigen Tag der Einheit möchte ich an Hans Heinrich Schmitz (12.2.1916 — 4.2.2000) erinnern, Generalmusikdirektor in Jena und Weimar, der nach seiner Pensionierung ins schwäbische Göppingen zog, ein hervorragender Löser, der ein großartiger Kenner und Liebhaber der Retroanalyse war, der durch seine fachlich fundierten und sprachlich großartigen Lösungskommentare nicht unwesentlich zum Aufkommen der eindeutigen Beweispartien am Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts beigetragen hat. Und von dem ich selbst unheimlich viel über Retroanalyse gelernt habe.

Nur selten hat es sich komponierend ans Brett gesetzt, eine sehr hübsche, symmetrische Kleinigkeit von ihm möchte ich euch heute — natürlich ohne Lösung — vorstellen.

Hans Heinrich Schmitz
Die Schwalbe 1994
Beweispartie in 5,0 Zügen (15+15)

 

Viel Spaß beim Lösen und einen schönen Feiertag wünsche ich euch!

Retro der Woche 40/2015

Im gerade erschienenen Oktober-Heft von StrateGems finden sich die Preisberichte für Beweispartien und (übrige) Retros für das Jahr 2014; Richter war Bernd Gräfrath.

Während sich seine Zufriedenheit mit den restlichen Retros sehr in Grenzen hielt (von den 14 Aufgaben des Jahrgangs zeichnete er nur ein Anticirce-Proca von Weeth/Wenda aus), war er von der Qualität der Beweispartien sehr angetan, dort hat er 10 von 24 teilnehmenden Aufgaben ausgezeichnet.

Der erste Preis ging an folgende ukrainisch-französische Gemeinschaftsproduktion: Bei den Autorennahmen kann man natürlich eine Menge erwarten, und es lohnt sich auf alle Fälle, das Stück genau zu analysieren.

Andrej Frolkin & Nicolas Dupont
StrateGems 2014, 1. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (13+13)

 

Die übliche Züge-Zählerei scheint uns nicht allzu sehr weiter zu bringen. Bei Weiß ergeben sich, wenn man von kurzer Rochade ausgeht, 1+1+4+2+3+4=15 Züge, bei Schwarz 2+2+2+3+3+2=14 Züge — dabei haben wir schon berücksichtigt, dass [Sb8] gezogen haben muss, um [Ta8] heraus zu lassen.

Schauen wir uns also noch an, welche Steine fehlen.

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Aalen 2015

Leider komme ich erst jetzt dazu, einen kleinen Bericht vom Schwalbe-Treffen am letzten Wochenende in Aalen zu schreiben.

Bei der Festlegung des Termins konnte man nicht erwarten, dass die Anfahrt nicht nur für mich ziemlich langwierig war: Viele haben in diversen Staus gesteckt. Um so besser war dann das Wetter am Samstagmorgen für den sehr interessanten Besuch des Limesmuseums (allein schon der schwarze Humor der Führerin war großartig!) und den anschließenden Stadtbummel: Herrlicher Herbst!

Besonders erwähnenswert von der Jahresversammlung sind Ehrungen verdienter Mitglieder: So konnte der Vorsitzende Bernd Gräfrath vor Ort die goldene Ehrennadel der Schwalbe an Jörg Kuhlmann (50 Jahre Mitglied) und an Hubert Gockel (neuer Kompositions-Großmeister) verleihen. Udo Degener wurde per Akklamation zum Ehrenmitglied der Schwalbe ernannt.

Im Rahmenprogramm gab es neben dem bereits traditionellen Lösungsturnier, das wieder von Axel Steinbrink organisiert und durchgeführt worden war, verschiedene Vorträge, die zeitlich auch wegen der Staus am Freitag umgestellt werden mussten:

So berichteten am Samstag Jörg Kuhlmann über die Korrektur eines Dreizügers von Plachutta und bernd ellinghoven über 25 Jahre FAbe. Bereits am Freitag stellte Bernd Gräfrath zweifarbige Zeitverschwendung vor (wird im Oktober-Heft der Schwalbe erscheinen), Wilfried Neef demonstrierte seinen Mehrzüger-Generator, und ich habe über 100 Jahre “Retrograde Analysis” berichtet (soll im Dezember-Heft der Schwalbe in erweiterter Form erscheinen).

Der besondere Dank geht natürlich an Ronald Schäfer für die hervorragende Organisation des Treffens: Alles klappte hervorragend, das Hotel war für uns ideal, vor allen Dingen, da wir die ganze Zeit einen Raum für uns hatten, in dem wir auch die Mahlzeiten gemeinsam einnehmen konnten. Das war sehr förderlich für viele intensive Gespräche zwischendurch. Auch finde ich es bemerkenswert, dass wieder viel mehr Damen zu den Treffen kommen als noch vor einigen Jahren — mit zum Teil selbst organisiertem Programm.

Wer nun meint, etwas verpasst zu haben, weil er nicht in Aalen war: Ja, da habt ihr was verpassst! Aber im kommenden Jahr in Neuss und 2017 in Worms (die genauen Termine werden noch bekannt gegeben) könnt ihr das ja nachholen!

Nachtrag:
Gern füge ich noch fogenden Hinweis von Ronald an:

“Eine Ergänzung wäre schön: Ich hätte die Tagung nicht so hinbekommen, wenn ich mich nicht auf unseren Schachvereinsvorsitzenden von Unterkochen Rainer Geißinger hätte verlassen können. (Er hatte die Führung im Limesmuseum organisiert und die Freikarten für die Limesthermen von den Stadtwerken besorgt.)”

Auch an ihn von hier aus mein herzlicher Dank!

Retro der Woche 39/2015

In der letzten Woche hatte ich einen Madrasi-Verteidigungsrückzüger von Klaus Wenda vorgestellt, in dem vier e.p.-Schläge vorkamen. Wie schaut der Rekord bei klassischen Retros ohne irgendwelche Zusatzbedingungen aus?

Der liegt bei drei — und ist nun schon hundert Jahre alt: kaum zu glauben! Dass dieses Stück eines der bekanntesten Retros überhaupt ist, ist deswegen nicht verwunderlich, speziell, da es zu einer Zeit entstand, als Retros noch fast „automatisch“ mit Vorwärtsforderungen wie etwa „Matt in zwei Zügen“ verbunden waren, sich fast auschließlich mit möglichst tiefen Begründungen für e.p.-Schlüsselzüge oder den Ausschluss von Rochaden beschäftigten.

Niels Høeg
20 Retrograde Analysis 1915
Welches waren die letzten Einzelzüge? (16+10)

 

Der schwarze König steht im Schach, Weiß muss also mit der Rücknahme beginnen. Bevor wir uns allerdings um diesen ersten Zug kümmern, betrachten wir zunächst wie üblich die Schlagbilanz.

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Schwalbe-Treffen 2015

Am heutigen Freitag beginnt im wüttembergischen Aalen die diesjährige Schwalbe-Tagung. Allen Teilnehmern wünsche ich eine gute Anreise und interessante, schöne Tage im Kreis vieler Problemschachfreunde.

Neben der Hauptversammlung am Samstag stehen mehrere Vorträge, auch zu Retro-Themen, sowie ein Löseturnier auf dem Programm. Ebenso ist ein Besuch im Aalener Limesmuseum („Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“) auf dem Programm. Diese Mauer vor beinahe 2000 war ja ein Schutzwall der Römer gegen die Germanen. Mal schauen, ob dieser Kampf „Römer gegen Anti-Römer“ im Museum zweckrein dargestellt ist…