Retro der Woche 04/2016

Der Preisbericht zum Zdravko-Maslar-80-Turnier, der gerade in feenschach 216 veröffentlicht worden ist, war durch eine Fehlerkette beeinträchtigt worden, die nun nachträglich durch Korrektur des Berichts geheilt werden konnte: Die Preisrichter hatten eine verbesserte Fassung eines bereits früh eingesandten Problems übersehen und damit die simplere Fassung berücksichtigt; mir als Turnierleiter war das im Nachhinein auch beim Setzen des Preisberichtes nicht aufgefallen: sehr ärgerlich!

Die nun wirklich ausgezeichnete Aufgabe ist wirklich ausgezeichnet …

Alexander Semenenko & Andrej Frolkin
Zdravko-Maslar-80 Turnier 2015, 1. Preis e.ae.
Beweispartie in 20,0 Zügen (13+12)

 

Sofort sieht man zwei schwarze Umwandlungssteine auf dem Brett, unter deren Berücksichtigung können wir schnell die schwarzen sichtbaren Züge sehen: Gehen wir davon aus, dass sDb6 und sTg7 („zugärmste“ Möglichkeiten) durch Umwandlung entstanden sind, so haben die beiden zusammen 12 Züge verbraucht; die Umwandlungen beider Steine müssen dann auf g1 erfolgt sein. Ansonsten sieht man noch 1+0+0+0+2+3=6, also zusammen 18 Züge. Bei Weiß sieht man zunächst nur 2+0+3+0+1+2=8 Züge.

Können wir noch weitere Züge bestimmen? Dazu berücksichtigen wir, dass ja der weiße König im Schach steht: Schwarz muss also noch einen weiteren Zug mit dem Tg7 gemacht haben, um dieses Schachgebot gegeben haben zu können. Dabei muss er, von g8 kommend, einen weißen Stein auf g7 geschlagen haben; dies würde einen weiteren schwarzen Zug erfordern.

Betrachtet man noch einmal die Stellung des wK und der sDb6, so gelten dort die gleichen Randbedingungen wie beim sTg7: Auch die sDb6 muss, damit der König via f2 nach g2 ziehen konnte, einen weiteren Zug ausführen: sDg1-a7xXb6.

Damit sind alle schwarzen Züge erschöpft; damit ist auch klar, dass [Bb7], [Be7], [Lc8] und [Lf8] zu Hause gestorben sind, da sie nicht mehr selbst ziehen konnten.

Wer kann diese vier schwarzen Steine geschlagen haben — und wie sind die fehlenden weißen Steine verschwunden? Das sieht man sehr schnell:

Damit beide schwarzen Umwandlungen auf g1 erfolgen konnten, musste Schwarz hxg spielen. Bei Weiß mussten dann noch [Ba2] und [Bd2] verschwinden, gleichzeitig muss Weiß noch die vier fehlenden schwarzen Steine zu Hause abräumen.

Das kann in den fehlenden 12 Zügen nur geschehen durch axb7xc8=Y und dxe7xf8=Z, und damit hat Weiß noch zwei Züge, um die Umwandlungssteine verschwinden zu lassen. Wenn wir uns nun daran erinnern, dass Schwarz ja noch auf b6 und g7 schlagen musste, ist klar: Y=S für Sc8-b6 und Z=L für Lf8-g7.

Nun ist es nicht mehr schwer, die genaue Zugfolge zu entwickeln:

1.a4 h5 2.a5 h4 3.a6 h3 4.axb7 hxg2 5.h4 a5 6.Sh3 g1=D 7.f3 Da7 8.Tg1 f5 9.Tg6 f4 10.Ta6 g5 11.d4 g4 12.d5 g3 13.d6 g2 14.dxe7 g1=T 15.exf8=L Se7 16.bxc8=S Tgg8 17.Sb6 Sc8 18.Lg7 Ke7 19.Kf2 Dxb6+ 20.Kg2 Txg7+.

Meiner Meinung nach eine fantastische Aufgabe: Die beiden „Maslar“ (kritischer Zug, Verstellung durch einen Stein anderer Farbe, der geschlagen wird, nachdem der König der anderen Farbe in den (verstellten) Wirkungsbereich des kritisch gezogenen Steins getreten ist) sind komplett mit Allumwandlung dargestellt! Sowohl die kritisch ziehenden (schwarzen) als auch die verstellenden (weißen) Steine sind durch Umwandlung entstanden — das ist natürlich viel mehr, viel konzentrierter, als wenn man einfach „2x Maslar und AUW“ nebeneinanderstellen würde!

Hier stören mich übrigens die beiden (thematischen) Umwandlungssteine im Diagramm überhaupt nicht! Gleichzeitig sorgen sie (bzw. das Thema) dafür, dass wir noch zweimal das Prentos-Thema sehen.

Und auch weitere Kleinigkeiten, die aber das Gesamtkunstwerk abrunden, gilt es zu beobachten; beispielsweise, dass die AUW „geordnet“ (DTLS) vonstatten geht, dass die Wege von [Ba2] und [Bd2] synchron laufen — und auch die Verstellung des wTa6 in der Schlussstellung passt gut zum Haupt-Thema.

4 thoughts on “Retro der Woche 04/2016

  1. Ich sehe das wie Thomas – klasse und wahrscheinlich richtig originell. Ich kann mich jedenfalls nicht an einen Maslar in einer orthodoxen BP erinnern. Die AUW ist ein netter Zusatzeffekt, den man natürlich gern mitnimmt. sDg7 geht aber wahrscheinlich auch.
    Das Schach am Ende ist ein bewährtes konstruktionserleichterndes Hilfsmittel. Ohne dieses (etwa mit Kh1 am Schluss) gewänne dieses Stück noch mächtig dazu. Leider ist es in dieser Form kaputt. Hier kann man sich als Komponist also noch versuchen.
    In der Tat ist das C+. Natch kann das im Gegesatz zu Euclide.

    • Das Ganze geht noch einen Tick ökonomischer: 1.a4 f5 2.a5 f4 3.a6 f3 4.axb7 fxg2 5.f4 a5 6.Sf3 g1=D 7.bxc8=S Da7 8.Tg1 h5 9.Tg6 h4 10.Ta6 g5 11.d4 g4 12.d5 g3 13.d6 g2 14.dxe7 g1=T 15.exf8=L Df6 16.Sb6 Se7 17.Kf2 Tgg8 18.Lg7 Dxb6+ 19.Kg2 Txg7+.
      Hier braucht Natch nicht einmal 2,5 Stunden. Da Kf2 erfolgt, wenn der sT noch auf g1 steht, ist auch zwingend eine Turmumwandlung notwendig, was ich als weiteren kleinen Vorteil gegenüber der Originalversion sehe.

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