Immer wieder bin ich begeistert, wie pünktlich StrateGems erscheint: Das Heft habe ich trotz Versand aus den USA immer kurz vor dem Quartalsbeginn im Briefkasten. So jetzt auch das neue Heft, in dem der Retro-Urdruckteil bemerkenswert ist: Vier Anticirce-Verteidigungsrückzüger und fünf klassische Beweispartien: So verteilen sich im Moment offensichtlich die Vorlieben der Komponisten.
Im ersten Heft dieses Jahres war es noch extremer: Fünf Anticirce-VRZs und eine Beweispartie. Die möchte ich euch heute zeigen.
StrateGems 2016
Beweispartie in 23 Zügen (14+13)
Das übliche Zählen der sichtbaren Züge bringt uns hier zumindest bei Weiß nicht signifikant voran: Direkt zu sehen sind nur 0+2+0+2+0+1=5 Züge – bleiben also noch 18 frei! Bei Schwarz sehen wir sofort zwei Umwandlungsläufer, die brauchten schon einige Züge, nämlich zusätzlich zu den insgesamt zehn Bauernzügen noch mindestens jeweils zwei Züge. Neben diesen 14 Zügen sehen wir im Diagramm noch vier weitere Züge: Macht zusammen 18: hier sind also noch fünf Züge frei.
Wie soll man das lösen können? Vielleicht helfen ein paar Überlegungen zu den Umwandlungen weiter?
Wo können die beiden schwarzen Läufer umgewandelt haben? Der weißfeldrige nur auf b1: von anderen weißen Feldern der Grundreihe hätte er sich nicht wieder entfernen können. Dafür muss dann axXb1=L erfolgt sein. Der schwarzfeldrige kann analog nur auf g1 entstanden sein – theoretisch auch auf c1, aber dafür brauchte er zwei Schläge, aber neben dem der weißfeldrigen Umwandlung steht ihm nur noch einer zur Verfügung, da bei Weiß nur zwei Steine fehlen.
Für diese Umwandlungen muss Weiß den Weg freimachen, also muss er erst axBb spielen, um [Ba7] bis nach a2 durchlassen zu können. Warum kann er nur [Bb7] schlagen? Weil ein schwarzer Offizier nicht zur Verfügung steht: In diesem Fall müsste sich auch [Be7] umwandeln, um ihn zu ersetzen. Dafür hat er aber weder Zeit, noch stehen ihm die erforderlichen Schlagobjekte zur Verfügung. Diese Überlegungen gelten analog auch für den Königsflügel.
Bei a2xXb1=L (h2xYg1=L) müssen X und Y Offiziere sein. Bei Weiß fehlt aber keiner, also müssen sie im Diagramm durch weiße Umwandlungssteine ersetzt worden sein. Unsere beiden weißen Bauern auf b (nach axBb) und g müssen also umgewandelt haben. Und das auch noch schlagfrei, da ansonsten wieder ein schwarzer Offizier hätte geschlagen, aber nicht ersetzt werden können. Also müssen sowohl sSb8 als auch sSg8 Platz gemacht haben und anschließend zurückgekehrt sein.
Und damit sind auch alle schwarzen Züge erklärt: 4 im Diagramm sichtbar, 4 für die S-Rückkehren sowie 15 für die umgewandelten Läufer.
Nun gilt es nur noch herauszufinden, welche Steine denn auf b1 und g1 geschlagen wurden – und damit äquivalent: welche weißen Umwandlungen auf b8 und g8 stattgefunden haben. Dafür vergegenwärtigen wir uns, dass im Diagramm 5 weiße Züge sichtbar sind. Mit den beiden Bauernmärschen bleiben somit noch 8 Züge. Mit jeweils vier Zügen könnte wSb8 nach g1 gelangen, ebenso wSg8 (via e7, um den dortigen Bauern zu schlagen – für ihn bleibt kein Zug übrig, er muss also zu Hause geschlagen worden sein) nach b1. Können aber andere weiße Steine auf b1 bzw. g1 geschlagen worden sein? Nein – dafür reicht die Zeit nicht aus, wie ihr euch leicht überzeugen könnt.
Damit sind alle weißen und schwarzen Züge prinzipiell bestimmt, und es gilt nun „nur noch“, die richtige Reihenfolge und die Details der Springer-Bewegungen herauszufinden.
1.a4 f6 2.a5 Kf7 3.a6 De8 4.axb7 a5 5.h4 a4 6.h5 a3 7.h6 a2 8.hxg7 Sh6 9.g8=S axb1=L 10.Sxe7 La2 11.Sd5 Lb3 12.Sc3 Ta2 13.Sb1 Sa6 14.b8=S Sg8 15.Sc6 h5 16.Sd4 h4 17.Sdf3 h3 18.d4 h2 19.Dd2 hxg1=L 20.Dh6 Lh2 21.Sg1 Lhd6 22.Lf4 La3 23.Ld6 Sb8.
Eine tolle Kombination zweier weißer Pronkin-Springer und schwarzer doppelter Springer-Rückkehr. Die beiden sichtbaren Umwandlungsläufer stören mich hier nicht wirklich, da sie einheitlich sind und auf den thematischen Feldern mit thematischen Schlägen entstanden sind. Trotzdem: Wer versucht sich an diesem Themenmix ohne sichtbare Umwandlungssteine?
Und wenn ihr nun neugierig geworden seid, was man mit dieser Art von Themenzusammenstellung noch darstellen kann, dann schaut doch einmal in das Februarheft der Schwalbe und versucht die dortige Nr. 16622 zu lösen…
As far as I know this is the only unique PG starting with 1.a4 f6. Someone who knows another one?
In PDB gibt es nur eine (P1007266), aber das ist eine Patrol Chess Beweispartie. In WinChloe wurde ich nicht fündig. Das scheint also wirklich eine originelle Eröffnung zu sein…
Zur 16622 in der Schwalbe gibt es schon eine Verbesserung: Unto Heinonen, P0420 StrateGems 75 07-09/2016, tsldklst/b1b2bbb/1D1bS3/8/8/B6B/BT3B1B/TSLT1LK1 BP in 20.0 Zügen.
Thank you for this nice problem! For a solver it is good to be able to see the “logical” moves quickly. Within 5 minutes I saw a7xb1L, h7xg1L, a2xb7-b8S-g1, and h2xg7-g8S-b1 as well as Sg8-h6-g8 and Sb8-a6-b8. Then it was only a question of finding the correct moves. But why must a problem be diffcult? I prefer solving it more than failing at doing so. So thanks again to Silvio Baier!