Nachdem ich in den beiden „Retros der Woche“ 27/2016 und 23/2016 den aktuellen Rekord der eindeutigen letzten Züge (ohne Nutzung der 50-Züge-Regel) und dessen Vorgänger besprochen hatte, möchte ich nun dessen Vorgänger vorstellen: Eine Aufgabe, die den Rekord 53 Jahre lang hat halten können — das Stück ist nun genau 75 Jahre alt!
Die Schwalbe 1941
Welches waren die letzten 54 Einzelzüge? (13+14)
Der Autor Hugo August war auf den Tag 56 Jahre älter als ich; sein Todesdatum ist mir nicht bekannt. Schon in jungen Jahren fiel er durch Last-Move Rekorde auf und war dann besonders in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts einer der bedeutendsten Retro-Verfasser, der gelegentlich auch Gemeinschaftsaufgaben mit z.B. Karl Fabel und Luigi Ceriani veröffentlichte.
Wie können wir uns nun der Lösung dieser Aufgabe nähern?
Zunächst einmal fallen die beiden weißen Doppelbauern auf, die die beiden fehlenden schwarzen Steine erklären.
Dann sehen wir im Diagramm mindestens drei Umwandlungssteine: Zwei der drei weißen Damen müssen im Rückspiel entwandelt werden, ebenso einer der beiden weißfeldrigen schwarzen Läufer. Demnach fehlen bei Weiß ein Turm sowie die beiden Läufer.
Wegen der beiden weißen Doppelbauern ist auch klar, dass die beiden Damen auf d8 und e8 entwandeln und dann schlagfrei auf ihrer Linie „nach unten ziehen“ müssen.
Diese Erkenntnis hilft uns auch bei den Überlegungen, was denn mit den fehlenden schwarzen Bauern passiert ist. [Ba7] konnte nicht direkt geschlagen werden, sondern musste entweder selbst auf die b-Linie schlagen, um dann auf b3 zu sterben, oder er musste umwandeln. Der erste Fall kann aber nicht sein, wenn wir uns die anderen schwarzen Bauern anschauen: sBf2 ist offensichtlich [Be7], kann also erst entschlagen, wenn [Be2] heimgekommen ist.
Mehr Schlagfälle bleiben für ihn nicht übrig, denn auf dem Damenflügel fehlen drei schwarze Bauern, die irgendwie wieder aufs Brett müssen; nur einer konnte direkt geschlagen werden.
Das klappt nur durch Entwandlung des [Ba7] auf a1 sowie einer Entwandlung auf d1. Dieser Bauer ist [Bc7]; er entschlägt mittels cxd einen weißen Stein, bevor [Bd2] schon weit zurückgezogen hat. Hingegen kann sBc2 erst entschlagen, nachdem [Bd2] (und vorher [Lc1]!) zu Hause ist; er ist der [Bd7]. [Bb7] schließlich wurde auf b3 geschlagen.
Nun schauen wir uns an, wie denn der Knoten im Nordosten aufgelöst werden kann?
Zunächst sehen wir, dass sKh6 im Schach steht; Weiß beginnt also mit der Rücknahme.
Der Knoten selbst kann nur aufgelöst werden, wenn g2-g3 zurückgenommen werden kann, um dann Lg3-h4 folgen zu lassen. Das aber geht noch nicht, weil – wir ahnen es – [Lf1] via g2 bzw. h3 nach Hause zurückkehren muss. Sehr
Seht ihr schon, woran der Versuch scheitert, [Lf1] über e2 nach Hause zu bringen, bevor [Be2] heimkehrt, und Weiß schon vorher g2-g3 zurücknimmt? Dann muss nämlich wKf1 Platz machen – und genau ein solches Feld hat er nicht!
Mit unseren Überlegungen solltet ihr nun in der Lage sein, den groben Auflösungs-Ablauf zu entwickeln. Den könnt ihr dann gegen die Lösung prüfen:
R: 1.Sf6-g4+ h3-h2 2.Da4-a2 a2-a1=S 3.De8-a4 a3-a2 4.e7-e8=D a4-a3 5.e6-e7 a5-a4 6.e5-e6 a6-a5 7.e4-e5 a7-a6 8.e2-e4 e3xLf2 9.Kg1-f1 e4-e3 10.Le3-f2 e5-e4 11.Lc1-e3 e6-e5 12.Te3-d3 e7-e6 13.Se6-d8 d2-d1=L 14.Dd8-d4 d3-d2 15.d7-d8=D d4-d3 16.d6-d7 c5xTd4 17.Ta4-d4 c6-c5 18.Ta1-a4 c7-c6 19.a2xBb3 b4-b3 20.d5-d6 b5-b4 21.d4-d5 b6-b5 22.d2-d4 d3xLc2 23.f2-f3 d4-d3 24.Le4-c2 d5-d4 25.Lg2-e4 d6-d5 26.Lf1-g2 d7-d6 27.g2-g3 Lg3-h4 usw.
Interessant ist es auch nachzuverfolgen, wie die Aufgabe aus „Vorübungen“ mit dem gleichen Schema der Nordost-Käfigs entstanden ist. Wenn ihr Lust und Zeit habt, empfehle ich euch, einfach in der PDB nach den Retros von Hugo August zu suchen (A=‘August‘ AND G=‘Retro‘). Das ist sicher sehr lehrreich!