Vor gut 10 Jahren hat sich Dmitri Baibikov intensiv mit Retros beschäftigt, in denen zunächst fehlende Steine zu ergänzen waren und dann die Stellung aufgelöst werden sollte. Besonders, wenn nichts über die Art und Anzahl der zu ergänzenden Steine gesagt ist, finde ich das eine sehr attraktive Forderungskombination.
Ein Beispiel habe ich für heute herausgesucht.
Problem Paradise 2004-2005, 1.-2. Preis
Ergänze Steine und löse die Stellung auf. (12+13)
Wir sehen im Diagramm 25 Steine sowie je zwei Bauernschläge durch Weiß und durch Schwarz. Da der weiße König durch Läufer und Dame im Schach steht, müssen zwei Steine ergänzt werden, um die beiden Schachs aufzuheben. Denn auch der schwarze König steht (durch wSh3) im Schach, sodass wir wissen, dass Weiß mit der Rücknahme beginnen muss.
Frei ist nun noch [Ba2]: Er wurde entweder auf der a-Linie geschlagen oder hat sich nach einem Schlag (er muss ja am [Ba7] vorbeikommen) auf b8 umgewandelt. Und damit wissen wir, dass genau zwei Steine, nämlich auf f3 und g3, ergänzt werden müsse.
Der Knoten im Osten kann nur aufgelöst werden, wenn Schwarz hxg zurücknehmen kann. Dazu aber muss der fehlende [Bh2] wieder aufs Brett kommen: Er muss sich auf h8 umgewandelt haben, anders kann sein Nicht-Vorhandensein nicht erklärt werden.
Wegen des vorhandenen Schachgebots gegen den schwarzen König können wir weder eine weiße Dame noch einen schwarzfeldrigen Läufer einfügen. Beide müssen also durch die schwarzen Bauern geschlagen worden sein. Einen weißfeldrigen Läufer können wir auch nicht einsetzen, da er nicht durch Umwandlung entstanden sein kann: Wir haben schon gesehen, dass Umwandlungen nur auf h8 und ggf. auf b8 erfolgen konnten – und beide Felder sind schwarz.
Also bleiben nur Springer und Turm übrig zum Einsetzen. Da ein Springer nicht auf h8 entwandeln kann, muss ein wT eingesetzt werden: Das geht nur auf g3. Auf f3 muss also ein weißer Springer eingesetzt werden. Damit wissen wir auch, dass ein Springer auf b8 entwandeln muss.
Wir haben also als ersten Teil der Lösung: +wSf3, +wTg3
Nun können wir uns an die Auflösung der Stellung machen: Um die Stellung auflösen zu können, müssen wir, wie wir schon gesehen hatten, einen Turm auf h8 entwandeln, damit Schwarz dann hxXg zurücknehmen kann. Dafür muss wTg3 abgelöst werden. Doch das kann nicht sofort erfolgen, da Schwarz dafür zu lange brauchen würde, sodass Weiß retropatt würde. Also muss zunächst wSf3 befreit werden, der dann auf b8 entwandeln kann; erst mit dem dort entschlagenen Stein kann Schwarz dann wTg3 ablösen, sodass er endlich auf h8 entwandeln kann. Das funktioniert dann so:
R 1.Sg1-h3+ c5xLd4 2.Lb2-d4+ a3-a2 3.Lc1-b2 a4-a3 4.b2-b3 Sb3-a1 5.f5-f6 Sd4-b3 6.Se5-f3 Sf3-d4+ 7.Sc6-e5 a5-a4 8.Sb8-c6 a6-a5 9.b7-b8=S a7-a6 10.a6xSb7 Sd6-b7 11.a5-a6 Se4-d6 12.Th3-g3 Sg3-e4+ 13.Th8-h3 c6-c5 14.h7-h8=T c7-c6 15.h6-h7 h7xDg6 16.Kh5-g4 Se4-g3+ usw.
Das sind nun 32 eindeutige Einzelzüge im Rückspiel – zusammen mit der Einfügung der Steine eine beeindruckende Leistung. Dabei gliedert sich das Rückspiel in fünf Phasen: Entschlag des [Lc1], Befreiung des sSa1, Ablösung des wSf3, Entschlag / Entwandlung auf b8, Ablösung des wTg3.
Nun haben wir noch nicht untersucht, warum nicht sSf3 ergänzt werden kann? In diesem Falle müsste [Ba2] irgendwo auf der a-Linie geschlagen worden sein.
Doch das solltet ihr selbst herausfinden; so schwer ist das nicht!
It is always a pleasure to study Dmitri’s retros. He is a master of the sub-genre, Add men and release the position. The Add men part obviously makes solving more difficult; but it also allows a diagram position without extranumerary officers, so as to accommodate purists…