Der Verfasser unseres heutigen „Retro der Woche“ ist nicht nur als ein hervorragender Komponist bekannt (davon können wir uns heute wieder überzeugen), sondern auch als Redakteur der Retro-Abteilung von Probleemblad sowie (Co-)Autor wichtiger Publikationen zu „modernen“ Beweispartien: Zum Beispiel das Schwalbe-Sonderheft 250A (August 2011) über „Future Proof Games“ sowie die fortsetzende Artikelreihe in StrateGems.
Die Schwalbe 2014
Beweispartie in 19,5 Zügen (9+9)
So ist es nicht überraschend, dass wir auch hier „Zukunfts-Thematik“ zu erwarten haben, also mindestens die Doppelung zweier Themen. Aber das muss nicht heißen, dass die Aufgabe sehr schwer zu lösen ist: Versucht doch, bevor ihr weiterlest, vielleicht fünf oder zehn Minuten lang, die Stellung allgemein zu analysieren, ohne euch schon Gedanken über mögliche Zugfolgen zu machen. Vielleicht findet ir ja auch schon den einen oder anderen „Lösungsverräter“?
Bei Weiß sind wir schnell fertig mit dem Zählen der sichtbaren Züge, und bei Schwarz haben wir schnell 2+1+3+4+3+6=19 Züge identifiziert – genauso viele, wie Schwarz zur Verfügung stehen.
Damit wissen wir schon eine Menge mehr: die beiden fehlenden schwarzen Bauern wurden auf ihren Ursprungsfeldern geschlagen.
Außerdem wissen wir auch, dass [Sb8] nie gezogen haben kann: Auch für ihn ist kein Zug frei.
Wir wissen, dass die beiden schwarzen Türme genau drei Züge gemacht haben, um ihr Diagrammfelder zu erreichen. Wie kann das denn klappen, wenn doch [Sb8] nie gezogen hat? Damit scheiden ja die Möglichkeiten Ta8-f8-f5 /Th8-f8 sowie Th8-f8-f5/Ta8-f8 als Möglichkeiten aus.
Damit bleibt als einzige Möglichkeit Ta8-a5-f5/Th8-f8. Und die erfordert, dass vor Ta5 noch a7xXb6 geschehen ist – und anschließend bxYa6. X und Y können natürlich nicht die fehlenden [Be2] und [Bf2] sein, das müssen weiße Offiziere sein, die durch Umwandlungssteine wieder ersetzt werden. Also Phönix-Thema, da aber die Umwandlungssteine auf ihren Feldern der Partieanfangsstellung stehen, haben wir hier den Sonderfall des Pronkin-Themas.
Die Umwandlungen müssen nach fxe7 und exf7 (wieder Kreuzschläge!) auf e8 und f8 erfolgt sein. Und nun macht es plötzlich Sinn, weiße Züge zu zählen: Neben den beiden sichtbaren brauchen wir zehn Züge zu den Umwandlungen; von den Umwandlungsfeldern „zurück“ in die Partieausgangsstellung benötigt jeder der beiden Steine mindestens zwei Züge. Damit stehen (2+2*(5+2) = 16) noch vier Züge für die Opfer auf a6 und b6 zur Verfügung.
[Lf1] kann a6 in einem Zug erreichen; b6 kann minimal in drei Zügen erreicht werden: durch [Sb1], [Lc1] oder [Dd1]. Der auf e8 umgewandelte Läufer kommt in zwei Zügen nach f1. Aber auch der Umwandlungsstein auf f8 muss in zwei Zügen auf die erste Reihe kommen – und das schafft nur ein Läufer, da für eine Dame der Weg über f3 durch den sTf5 bereits versperrt ist!Damit haben wir schon die Themen dieser Aufgabe erkannt, ohne dass wir auch nur eine Ahnung vom ersten oder letzten Zug der Beweispartie haben zu müssen: Zwei mal Bauern-Kreuzschläge, wobei die beiden sichtbaren Ba6/b6 auch noch „Betrügerbauern“ sind, die also in einer Partie ohne den Zeitdruck einer (kürzesten) Beweispartie nicht geschlagen haben müssten; dazu kommen noch zwei Pronkin-Läufer.
Nun sollte es nicht mehr so schrecklich schwer sein, die Lösung zu finden?!
1.b4 c5 2.Lb2 c4 3.Ld4 c3 4.Lb6 axb6 5.e4 Ta5 6.La6 bxa6 7.f4 Lb7 8.f5 Dc8 9.f6 Tf5 10.e5 Le4 11.e6 d5 12.exf7+ Kd7 13.fxe7 Ke6 14.e8=L Se7 15.Lb5 Sec6 16.Lf1 Sa7 17.b5 Lb4 18.f8=L La5 19.La3 Thf8 20.Lc1.
Ein sehr elegantes Stück meines Probleemblad-Kollegen!
The excellent analysis by Thomas shows how far you can get using just the final position and the number of moves.
This is reflected by the ease of testing: Euclide 1.01 found the solution in 10 seconds, and established uniqueness in some 2 minutes. For complete testing you must also show that a shorter solution does not exist; the 19 black moves counted mean that only 19.0 might be a possibility, and Euclide uses more than a minute to rule it out.
Most importantly though: A very delightful proof game to solve and enjoy.
A wonderful proof game by Roberto, congratulations! – About future proof games:
Proof game is a chess problem form, where economy has been put into the background. There are generally many pieces not participating in the play; this is, of course, for historical and definition reasons. A->B proof games, where the starting position is defined by the composer, give the possibility for optimal economy; further can be emphasized the artistic freedom the composer has when not tied to a single initial position.
In a proof game is asked, what has taken place to reach this position? Away is given the initial position, the solver knows where to start from. In Chess960 we can enlarge the question to concern also from what initial position the diagram position has been reached in a certain number of moves. In Chess960 we hide more and inform less, which , in my opinion, can give more spice to a proof game.
When talking about the future proof games I would not rule out A->B and Chess960, on the contrary.
Ein kleiner Hinweis zur Begrifflichkeit: Im Jahr 2000 veröffentlichte C.J. Feather seine Broschüre “Helpmates of the Future??”, und darauf spielte im August 2011 das Sonderheft 250A von “Die Schwalbe” wohl an. Allerdings hieß dieser begriffsbildende Aufsatz (von Baier/Dupont/Osorio) nicht “Proofgames of the Future”, sondern “Future Proof Games”. Im Sinne der Vereinheitlichung empfehle ich, nur den letzteren Begriff zu verwenden.
Danke, Bernd, für den Hinweis; ich habe den Text entsprechend angepasst.