Wir haben schon häufiger gesehen, dass sich in eindeutigen Beweispartien bestimmte Themen gehäufter darstellen lassen als in klassischen Retros. Der Grund liegt in dem „Zeitdruck“, der durch die Forderung vorgegeben ist und dadurch Manöver eindeutig machen kann, die ansonsten umgangen werden könnten.
In der letzten Woche hatte ich hier die erste Dreifachsetzung des Ceriani-Frolkin-Themas in einer klassischen Auflöse-Aufgabe vorgestellt. Heute wollen wir dieses Thema in der Beweispartie betrachten.
Europe Echecs 1983, A. Hazebrouck gewidmet, 1. Preis
Beweispartie in 35,5 Zügen (13+12)
Betrachten wir zunächst wie üblich die Schlagbilanzen: Wir sehen, dass die vier fehlenden schwarzen Steine alle von weißen Bauern geschlagen wurden: dxexf und fxgxh. Sofort fällt auf, dass Schwarz über einen kompletten Satz seiner Offiziere verfügt. Es fehlen genau die vier Bauern auf dem Damenflügel, die aber von den weißen Bauern nicht geschlagen werden konnten.
Also mussten alle vier Bauern umwandeln, um sich dann entweder selbst schlagen zu lassen (Ceriani-Frolkin) oder einen geschlagenen Offizier zu ersetzen (Phönix-Thema).
Im Diagramm sehen wir nur einen schwarzen Schlagfall: fxg6. Auch bei Weiß fehlen die Bauern vom Damenflügen [Ba2], [Bb2], [Bc2], auch hier kann der Schlag nicht einen weißen Bauern entfernen Da auch Weiß über seinen kompletten Satz an Offizieren verfügt, muss auch auf g6 entweder ein Umwandlungsstein geschlagen worden sein oder ein weißer Originalstein, der dann durch einen Umwandlungsstein ersetzt werden musste.
Damit wissen wir schon, dass auch Weiß umgewandelt haben muss. Diese Umwandlung muss außerdem schlagfrei erfolgt sein, da Weiß ja keinen freien Schlag mehr zur Verfügung hat. Andererseits müssen die beiden anderen fehlenden weißen Bauern von den schwarzen auf ihrem Weg zur Umwandlung beseitigt worden sein.
Warum kann ich das so behaupten? Weil es keine andere Möglichkeit gibt, wenn wir die sichtbaren bzw. erschließbaren Züge berücksichtigen. Beginnen wir mit den schwarzen: 3+1+1+1+4+1=11; hinzu kommen 20 Bauernzüge bis zu den vier Umwandlungen. Damit bleiben für jeden Umwandlungsstein jeweils genau ein Zug zu seinem Schlagfeld. Und daraus können wir sofort ableiten, dass Schwarz in vier Läufer umgewandelt hat. Türme und Springer brauchten zu viele Züge – und Damen könnten höchstens Nebenlösungen sein…
Zählen wir nun die weißen Züge: 2+2+4+6+4+10=28, hinzu kommen sieben Züge zur Umwandlung und von dort nach g6. Damit bleibt ein weißer Zug frei.
Für die (nur) zwei Züge des [Ke1] setzen wir natürlich die Rochade voraus; die ändert nichts an der Anzahl der weißen Turmzüge. Und [Dd1] kann nicht in einem Zug nach d3 gelangen, da [Dd8] in einem Zug nach d2 gelangen musst.
Und damit erfolgten zwei Umwandlungen auf c1 und die beiden anderen auf a1 oder b1 – und abhängig davon erfolgte die weißen Umwandlung auf b8 oder a1.
Die Aufgabe ist nun (auch wegen des freien Zuges) sicher immer noch recht schwer zu lösen; vielleicht versucht ihr es trotzdem?
1.h4 c5 2.h5 c4 3.Th4 c3 4.Tc4 b5 5.g4 b4 6.Lg2 b3 7.Lc6 bxa2 8.b4 a5 9.b5 a4 10.b6 a3 11.La4 Sc6 12.b7 d5 13.b8=D d4 14.Dd6 d3 15.Dg6 dxc2 16.d3 fxg6 17.Ld2 c1=L 18.Db3 c2 19.La5 Lh6 20.Sd2 c1=L 21.Sf1 Lcg5 22.f4 Kf7 23.OOO a1=L 24.fxg5 a2 25.gxh6 Kf6 26.Sh2 Kg5 27.Tf1 Lf6 28.Tff4 a1=L 29.Kb1 Lae5 30.d4 Lb7 31.dxe5 Dd2 32.exf6 Te8 33.f7 Sf6 34.Dd3 Sd7 35.Ld1 Sdb8 36.Sgf3+.
In der PDB ist zu dieser Aufgabe kommentiert: „Eine der bahnbrechenden frühen KBPs“ Das ist zweifelsfrei richtig: Es handelt sich um die erste fünffache Darstellung des Ceriani-Frolkin-Themas in einer eindeutigen Beweispartie. Silvio Baier macht in der PDB darauf aufmerksam, dass natürlich der wesentliche Inhalt bereits nach 31,5 Zügen (dem Schlag des letzten Umwandlungssteins) erreicht sei. Das zeigt auch, dass sich verschiedene Bewertungskriterien von damals bis heute verschoben haben: Waren damals noch „Verlängerungen“ gern gesehen, da die die Schwierigkeit von Konstruktion und Lösung erhöhten, würde Michel heute sicher die letzten acht Halbzüge weglassen: Heute zählt die Ökonomie, auch die der Züge, deutlich mehr.
Und dann dauerte es nur noch ein Jahr, bis die Geschichte weiter ging…
It was too difficult to solve for Euclide also. After an hour with no real progress I killed the program.