Im letzten Retro der Woche hatten wir uns eine Pronkin-Allumwandlung in einem klassischen Retro angeschaut, gesehen, wie relativ leicht sich das Thema darstellen lässt. Ganz im Gegensatz zur Darstellung in einer Beweispartie: Da galt dieses Thema lange als nicht darstellbar, bis dann Nicolas Dupont und Gerd Wilts das Gegenteil bewiesen.
Wenn ein Umwandlungsthema nicht darstellbar ist, dann suchen viele Autoren nach harmonischen Darstellungen von Teilen des Themas, und so machte es auch Michel Caillaud sehr erfolgreich in einem bekannten Thematurnier, das ich für mich immer als „Rosstäuscher-Turnier“ bezeichne: In an orthodox shortest proof game, one or more pieces are not what they appear to be.
StrateGems TT 1998, 1. Preis
Beweispartie in 17,5 Zügen, zwei Varianten nach dem 5. Zug von Weiß (13+15)
Schauen wir zunächst einmal, welche Steine fehlen, wo sie geschlagen worden sein können.
Es fehlt nur ein schwarzer Stein, der irgendwo auf der c-Linie geschlagen wurde. Und dieser Stein ist entweder [Bf7] oder [Bh7], der sich also umgewandelt haben muss, da er nicht direkt geschlagen werden konnte.
Bei Weiß ist es schon komplizierter: Da fehlen [Lc1] sowie [Be2] und [Bh2]. Wie können die verschwunden sein?
Naheliegend ist, dass [Lc1] auf g5 verschwand, dass dann [Bf7] sich via Schlag des [Be2] sich in den Süden durchschlug und dann möglicherweise auf d1 und f1 (wir haben zwei Lösungsvarianten!) zur Umwandlung schlug. Das aber erfordert, dass [Bh2] sich auf h8 (nirgendwo sonst!) umgewandelt hat, um die geschlagenen weißen Offiziere zu ersetzen. Auf h8 konnte Weiß, das sehen wir sofort, nicht in einen Läufer umwandeln, da der nicht von h8 wegkäme.
Vielleicht hilft ja auch das Zählen der sichtbaren Züge?
Bei Weiß kommen wir auf 0+0+0+2+3+4=9 – damit sind neun weiße Züge noch frei! Bei schwarz sehen wir 2+0+2+2+2+3=11 – und damit sind sechs schwarze Züge noch frei.
Da wir schon wissen, dass sich ein schwarzer Bauer umgewandelt hat, wissen wir, dass der nur noch einen einzigen Zug hatte, sich zu opfern. Damit haben wir aber schon einen weiteren weißen Zug, denn d2-d4xc5 ist nicht möglich, da kein schwarzer Umwandlungsstein in einem Zug nach c5 gelangen konnte.
Nach einer Schlag-Umwandlung auf d1 könnte dies nur ein Springer sin, der nach c3 zieht, nach einer Schlag-Umwandlung auf f1 könnte dies nur ein Läufer (warum keine Dame?) sein, der dann nach c4 zieht. Dann kann auf d1 wohl [Dd1] geschlagen worden sein, aber auf f1 nicht [Lf1]: der könnte durch den auf h8 umgewandelten [Bh2] nicht ersetzt werden!
Damit sind wir schon nahe an den beiden Lösungen:
1.g3 f5 2.Lh3 f4 3.Lf5 f3 4.Sh3 fxe2 5.Sf4 exd1=S 6.Sd5 Sc3 7.dxc3 h6 8.Lg5 hxg5 9.c4 Th4 10.c5 Tf4 11.h4 d6 12.h5 Le6 13.h6 Kd7 14.h7 Kc8 15.h8=D Sd7 16.Dh5 Sh6 17.Dd1 Lg8 18.f3 und … 5.Tf1 exf1=L 6.f3 Lc4 7.d3 h6 8.Lg5 hxg5 9.Sf4 Th4 10.Sd5 Tf4 11.h4 d6 12.h5 Le6 13.h6 Kd7 14.h7 Kc8 15.h8=T Sd7 16.Th1 Sh6 17.dxc4 Lg8 18.c5.
Eine sehr harmonische gemischtfarbige Allumwandlung mit zwei Mal weißem Pronkin und ebenfalls zweimaligem schwarzen Ceriani-Frolkin. Allerdings fände ich es natürlich noch schöner, noch beeindruckender, wenn der Zwilling bereits im ersten weißen Zug begänne. Trotzdem eine klassische, tolle Beweispartie!