Beweispartien und klassische Auflöseaufgaben können unter dem Begriff „Hilfsspiel“ eingeordnet werden, da Weiß und Schwarz gemeinsam an der Erfüllung der Forderung mitwirken. Das schaut bei den „Verteidigungsrückzügern“ (VRZ) anders aus, wie schon der Name sagt:
Hier versucht ja Weiß, vor einer angegebenen Zügezahl eine Forderung im Vorwärtsspiel zu erfüllen: Meist ist dies ein Matt in einem Zug. Schwarz hingegen versucht sich dagegen zu verteidigen: Er nimmt (selbstverständlich nur legale) Züge zurück mit der Absicht, dass Weiß seine Forderung nicht erfüllen kann.
Bekanntlich gibt es mehrere Formen der Verteidigungsrückzüger, die sich darin unterscheiden, wie Schlagfälle realisiert werden. Die beiden klassischen Formen „Proca“ und „Høeg“, beide nach ihren Erfindern benannt, entstanden unabhängig voneinander quasi gleichzeitig: Niels Høeg hatte wohl ein paar Tage Vorsprung vor Zeno Proca.
Im Typ Proca entscheidet die ziehende Partei, ob ihr Zug ein Schlagfall war; in diesem Fall bestimmt sie auch die Art des geschlagenen Steins. Im Typ Høeg entscheidet über diese beiden Fragen jeweils die Gegenseite – ziemlich logisch, da Niels Høeg auch an „Retropartien“ dachte, die auf einem leeren Brett beginnen sollten.
Bei den Autoren ist der Proca-Typ deutlich beliebter, aber auch der Høeg-Typ bietet sehr viele interessante Aspekte; ich bin mir sicher, dass es dort noch viel zu erforschen gibt.
In der Frühzeit beschäftigten sich mit dem Høeg-Typ neben dem Erfinder besonders Thomas Rayner Dawson und sein Freund Charles Masson Fox; von letztem möchte ich heute ein (recht leicht zu verstehendes) Beispiel vorstellen.
The Problemist FCS 1935
-3 & #1; VRZ Typ Høeg (7+13)
Schwarz hat noch alle acht Bauern auf dem Brett, er kann also bei einem von ihm bestimmten Schlagfall nur fehlende Steine einsetzen, da Umwandlungen ja ausgeschlossen sind; Weiß hingegen hat ziemlich freie Auswahl beim Einsetzen.
Wie könnte denn ein Vorwärts-Matt ausschauen? Man könnte an R b6-a7(X) und vor 1.b7# denken: Dazu müssten b7 und b8 gedeckt sowie a7 durch den Schlag nicht störend geblockt sein; Schwarz müsste also dazu gezwungen werden, auf a7 einen Läufer und keinen Turm einzusetzen.
Nun könnte man mit R 1.c6-d7(T) Te7/d8-d7(S)+ 2.b6-a7(L?) und vor 1.b7# denken. Das scheitert aber doppelt: Schwarz könnte auf a7 auch einen Turm einsetzen, der dann b7 und damit das Matt deckt und Schwarz könnte nach 1.– Te7-d7(s) mit Dc3# selbst mattsetzen! Beides können wir durch vorgeschaltetes R 1.e6-d7(T) Te7/d8-d7(B)+ ausschalten, und dann geht 2.c6-d7(T) Td8/e7-d7(S)+ 2.b6-a7(L) und vor 1.b7#.
Schwarz kann sein Schachgebot gegen den weißen König auch noch durch 1.– d3-c2(D)+ zurücknehmen. Weiß nimmt dann 2.Ke3-d2 zurück, wobei Schwarz wohl einen Turm, nicht aber einen Läufer einsetzen kann. 2.– e5-f4(D) 3.Dd4-f4 und vor 1.Dc6#.
Eine sehr interessante Aufgabe, die mich – auch wenn C. M. Fox daran garantiert nicht gedacht hat – dazu einlädt, ein wenig über neudeutsche Ideen darin nachzudenken.
Eben hatte ich geschrieben, sofortiges R 1.c6-d7(T) scheitere doppelt, und diese Hindernisse ließen sich durch vorgeschaltetes R 1.e6-d7(T) ausschalten. Das wäre nun wahrlich kein zweckreiner Vorplan.
Wenn wir die Sache aber etwas anderes interpretieren, nämlich zu sagen, mit den ersten beiden Rücknahmen müssen wir Schwarz zwingen, Türme einzufügen, damit er nach 3.b6-a7 nur noch den für Weiß nützlichen Läufer einsetzen kann, dann passt es auch „neudeutsch“: Dann haben wir eine Auswahlkombination mit R 1.c6-d7(T)? 2.e6-d7(T) sowie R 1.e6-d7(T)! 2.c6-d7(T), wobei die Reihenfolge VRZ-typisch genau durch die Vermeidung der Vorwärtsverteidigung festgelegt ist.
Even relatively simple Høeg retractors can be tricky. I thought I found a dual in the last variation.
Following -1.e6:T d3:D, White seemingly can also continue with -2.Dc5 D~ -3.Db6, 1.Db8#.
But Black comes first with -2.Dc5? De5!, 1… De2#.
This forward defense also rules out -1.c6:T d3:D -2.Dc5?.
Vielen Dank für diese schönen Erläuterungen. So kann man auch als Anfänger beim Thema VRZ die Aufgabe genießen. Aber kann sich Schwarz auf R: 1.c6-d7(T) nicht auch durch d3-c2(D) verteidigen, da nun das Feld c6 geblockt ist? Dann wäre die Auswahl auch nicht zweckrein. Und kann nach bzw. vor R 1.e6-d7(T) Te7/d8-d7(B)+ 2.c6-d7(T) nicht auch d3-c2(?) geschehen sein? Hier ist für mich kein Matt in Sicht.
Gruß
Jakob Leck
Hallo Jakob, herzlichen Dank für deine wichtigen Nachfragen! Da musste ich eben selbst noch sehr genau hinschauen!
Nach 2.– d3-c2(?) sehe ich auch kein Matt — muss ich aber auch nicht, da diese Rücknahme illegal wäre: Weiß hat dann neun Steine auf dem Brett, Schwarz benötigt aber acht Bauernschläge.
Und nach R 1.c6-d7(T) d3-c2(D) geht es weiter mit 2.Dc5-c2. Nun kann Schwarz keinen Turm einsetzen (dann müsste das Schach aufgehoben werden, indem Weiß einen Klotz auf c2 einfügt, das geht aber nicht, siehe oben), also 2.– D~-b2+, 3.Db6-c5(~) und 1.Db8#.