Vor zwei Wochen hatte ich hier das Siegerproblem der Retroabteilung im 10. WCCT vorgestellt, heute nun möchte ich euch die bestplatzierte deutsche Beweispartie vorstellen.
10. WCCT, 8.-9. Platz
Beweispartie in 27,5 Zügen (16+13)
Sofort fallen die vier Umwandlungssteine auf: Zwei schwarze Damen und auch zwei weiße Türme. Die beiden Umwandlungsdamen müssen schlagfrei durch die schwarzen Bauern erfolgt sein, da Weiß ja noch alle Mann an Bord hat. Sie können also nur auf den Linien umgewandelt haben, von denen Weiß vorher einen Bauernschlag gemacht hat. Damit können die Umwandlungen nur auf Linien erfolgt sein, auf denen kein schwarzer und kein weißer Bauer stehen: Demnach haben [Ba7] und [Bh7] umgewandelt.
Und da bei Schwarz abgesehen nur Bauern fehlen, sind auch die weißen Schläge klar: hxg (Doppelbauer) sowie axb und dxe.
Damit sind auch die Umwandlungsfelder der weißen Türme klar: Das können nur b8 und e8 gewesen sein, denn weitere Schläge stehen Weiß ja nicht zur Verfügung.
Nun zählen wir die sichtbaren schwarzen Züge: 4+4+3+3+1+2=17; hinzukommen die beiden Excelsiores von [Ba7] und [Bh7]: Mit diesen zehn zusätzlichen Zügen sind alle schwarzen Züge erklärt. Damit wissen wir auch, dass die Damen minimale Wege nehmen mussten: Dd8-f7, Da1-a7 und Dh1-xx-c3. Bis auf diese Unschärfe und den genauen Weg des sK nach e4 sind damit auch alle schwarzen Züge geklärt. Und damit ist klar, dass die fehlenden schwarzen Bauern zu Hause geschlagen worden sind: Für sie stehen keine Züge mehr zur Verfügung.
Bei Weiß kommen wir nicht ganz so weit: Hier sehen wir 1+0+0+1+0+5=7 Züge, auch hier kommen noch zehn Züge für die Umwandlungen hinzu, sodass wir hier bisher nur 17 Züge erklären können — elf sind noch frei!
Doch halt, können wir nicht zumindest einige weiße Züge entdecken, die im Verborgenen erfolgen mussten? Erinnern wir uns: Die schwarzen Damenumwandlungen sind auf a1 und h1 erfolgt. Daher müssen die Türme zwischenzeitlich weggezogen haben, um nicht nur das Umwandlungsfeld, sondern auch die Linie frei zu machen.
Nun schauen wir uns auch die achte Reihe an. Da erscheint eine Zugreihenfolge Le7, Df8, e8=T & sTd8 (oder anders herum) und b8=T naheliegend — aber ist die umsetzbar? Nein, denn Le7 verhindert die anschließende Umwandlung auf e8!
Also muss e8=T schon vor sLe7 erfolgt sein — und der Umwandlungsturm musste dann die 8. Reihe verlassen haben, um [Dd8] nach f8 durchzulassen; sie konnte ja, wie wir gesehen haben, keinen Umweg nehmen. Erst dann konnte Le7 erfolgen, erst dann Df8.
Damit ist aber dem Turm endgültig die Rückkehr nach e8 verbaut — also kann der auf e8 stehende Turm nur der auf b8 erwandelte sein; diese beiden Türme müssen also ihre Plätze getauscht haben!
Das benötigt vier weiße Züge, sodass für die Rückkehren der beiden Türme nach a1 und h1 nur noch sieben Züge zur Verfügung stehen.
Doch halt, wir hatten doch eben gesehen, dass jede Rückkehr mindestens vier Züge, in Summe also acht benötigt?! Damit haben wir bewiesen, dass auch [Ta1] und [Th1] ihre Plätze getaucht haben müssen! Das kann in sechs Zügen erfolgen, sodass nun noch ein weißer Zug frei ist.
Den muss [Th1] auf seinem Weg nach a1 auf b3 verlieren, da er dort „zwischenparken“ muss. Die genaue Zugfolge zu finden erfordert nun vielleicht nicht mehr allzu viel Mühe?
1.h4 f5 2.h5 Kf7 3.h6 Kf6 4.hxg7 h5 5.Th3 h4 6.Tb3 h3 7.a4 h2 8.a5 h1=D 9.Ta4 Dh3 10.Th4 Dc3 11.Th1 Th4 12.a6 Tb4 13.axb7 a5 14.g4 a4 15.Lh3 a3 16.Kf1 a2 17.d4 a1=D 18.d5 Da7 19.d6 Sa6 20.b8=T Lb7 21.dxe7 Lf3 22.e8=T c6 23.Te5 Le7 24.Teb5 Df8 25.Te8 Td8 26.Tb8 Ke5 27.Ta3 Ke4 28.Ta1.
Diese beiden Paare der Platzwechsel sind sehr einheitlich durch notwendige Linienräumung begründet — ein weiterer Pluspunkt für das Stück.
Dass es dennoch „nur“ auf Platz 8-9 gelandet ist, liegt nach meiner Vermutung an den „übrig gebliebenen“ umgewandelten Damen: Wären sie im Laufe der Lösung wieder verschwunden, wäre das Stück vielleicht höher gelandet — oder überhaupt nicht im Bericht, weil das dann kaum korrekt zu bekommen ist! Wenn es allerdings jemand versuchen will?!
Two pairs of white rooks switch place, very impressive.
It was interesting to hear about the construction difficulties experienced by the author.
Vielen Dank an Thomas für die Besprechung dieser BP. Die Bewertung ist im Vergleich zu den vor diesem Stück platzierten nachvollziehbar. Immerhin ist sie so hoch, dass sie für die Aufnahme ins FIDE-Album reicht/reichen würde. Die beiden schwarzen Damen dürften nicht wegzubekommen sein. Mal abgesehen von eindeutigen Wegen (die Dame auf c3 könnte darüberhinaus auch ein Turm sein) braucht man zusätzliche weiße und damit auch zusätzliche schwarze Züge.
Die Konstruktion war recht glücklich, denn ich hatte lange mit Nebenlösungen mit zyklischem Platzwechsel (Ta1=>b8=>e8=>h1=>a1) zu kämpfen. Erst der Versuch, mit g4 und Lh3 den Weg nach h1 schnell zu verstopfen, erwies sich als korrekt.
Im Übrigen hatten die Franzosen in ihrer Vorauswahl eine ganz ähnliche Aufgabe, entschieden sich dann allerdings für drei andere Aufgaben .