Als ich das Retro-Informalturnier 2014 in Phénix richtete, stand meine Entscheidung für den ersten Preis sehr schnell fest. Die beiden anderen Preise waren sehr gute Beweispartien, die ich schon in den Retros der Woche 53/2015 (2. Preis von Roberto Osorio) und 08/2016 (3. Preis von Nicolas Dupont) vorgestellt hatte.
Phénix 2014, 1. Preis
Geringste Zahl an wK-Zügen? (11+14)
Schnell sieht man natürlich, dass der schwarze König matt ist, dass die Matt gebende Dame im letzten Zug geschlagen haben muss. Doch bevor wir untersuchen, was auf h3 geschlagen worden ist, betrachten wir die seltsam dislozierten und eingeklemmten Läufer: Wie können die eigentlich nach Hause gespielt werden? wLa2 können wir beispielsweise nur nach f1 bringen, nachdem wir b2-b3 zurückgenommen haben, also muss vorher bereits [Lc1] zu Hause sein.
Dafür aber ist b7-b6 erforderlich, sodass zunächst sLg1 nach c8 gespielt werden muss. Das wieder fordert das vorherige Rückspiel des [Lf1] nach Hause — und da haben wir einen Widerspruch, das kann nicht funktionieren.
Nun waren wir davon ausgegangen, dass alle Läufer Originalläufer sind: Das sind sie also offensichtlich nicht, mindestens einer der Läufer ist durch Umwandlung entstanden. Wegen der fehlenden Bauern kommt nur eine weiße Läufer-Umwandlung auf g8 in Frage, die aber sofort ausscheidet, da ein Läufer von dort nie weggekommen wäre. Also bleibt nur eine schwarze Läufer-Umwandlung auf b1 in Betracht.
Damit ist alles klar? Wir spielen wD, wK und die beiden Läufer zurück, und der Rest spielt sich dann von allein? Nicht ganz: Verblüffender Weise würde das zu weißen Retropatt führen: [Ba7] benötigt drei Schlagfälle nach b1, denn a3xXb2-b1=L geht nicht, da dafür wBa3 schon wieder zu Hause sein müsste, das aber würden den Läufer auf b1 einklemmen, also geht nur der Weg a7xbxa2xb1=L. Als Schlagfall kommt noch fxe6 hinzu — aber dafür muss sLf7 schon außerhalb des Käfigs sein, also [Bg7] muss dafür schon wieder zu Hause sein. Wenn dann noch der fehlende [Bh2] entschlagen wird, kann der nur maximal bis h4 zurückziehen, da noch [Th1] nach Hause muss und nicht ausgesperrt werden darf. Das würde unweigerlich zu weißem Retropatt führen!
Also darf die weiße Dame noch nicht nach Hause gehen, was ja so nahe liegt, sondern muss sich auf g8 entwandeln. was einerseits mehr weiße Züge frei lässt und andererseits, besonders wichtig, [Ke1] die Möglichkeit zum Pendeln gibt! Und damit ist dann auch der zweite schwarze Schlag neben fxe6 geklärt: SxDd1!
Damit können wir nun das direkte Rückspiel beginnen:
R 1.Dh2×Lh3+ Lg4-h3+ 2.Kh3-g2+ Lf3-g4+, und nun geht es prinzipiell so weiter: wK→e1, sL→c8, b7-b6, wL→c1, sT→h8, wD→g8, b2-b3, wL→f1, sL→h2, g7-g8=D, h6×Dg7, sD→d8, sK→e8 .
Für die folgende Rücknahme der Züge berücksichtigen wir eine möglichst geringe Anzahl von weißen Königszügen und haben dann (ich beginne wieder mit Zählung von 1) 1.g2-g3 Le5-h2 2.h5-h6 Lg7-e5 3.h4-h5 Lf8-g7 4.Kd1-e1! g7-g6 5.Ke1-d1 Lg6-f7 6.Kd1-e1! f7×S,Te6 etc., dabei muss nun der König noch zurück nach e1.
Zählen wir nun die erforderlichen Königszüge, so kommen wir wir auf folgenden Weg zum Diagramm: Ke1-d1-e1-d1-e1-f1-g2-h3-g2, also acht Züge statt der „offensichtlichen“ zwei (oder nach den ersten Auflösezügen ersichtlichen weiteren zwei). Das ist schon sehr überraschend.
Ist die Frage nach der minimalen Zügezahl des Königs eine zusätzliche „Bedingung“ für das Rückspiel, die uns Gianni Donati quasi wie eine Märchenbedingung untergejubelt hat? Nein; die prinzipielle Auflösung funktionierte genauso, wenn er „Löse auf!“ unter das Diagramm geschrieben hätte. So aber stößt er uns mit der Nase direkt auf die verblüffende Tatsache, dass der König im Rückspiel pendeln muss, als den eigentlichen, wesentlichen Inhalt des Stücks, ohne den schon zu verraten.
Ich empfinde dies also als eine besonders gut gewählte Forderung, die natürlich nicht allein maßgeblich für den 1. Preis war: Die Auflösung als solche ist sehr spektakulär, wie ich finde.
It is nice to see Gianni Donati back to his pre-2001 strength with a new twist on the old ‘which bishop is promoted?’ idea. Here it turns out that Lf7 is the culprit, and [Lc8] is uncaptured to make the bishop retractions possible. The teasing stipulation question that looks like a condition, but isn’t, is characteristic of his delightful sense of humor.
Some twenty years ago, in the old Retros List, Gianni conducted a tourney, where a hitherto unknown Welsh composer, Ian Tinigonad (note the anagram), provided the theme examples. So, fortunately, he has not changed much.