Retros mit der Bedingung „monochromes Schach“ haben wir hier schon gelegentlich (z.B. Retro der Woche 22/2017 und 51/2017 angeschaut: Hier sind nur Züge legal, bei denen Start- und Zielfeld gleiche Farbe haben. Besondere Spezialisten für diesen Bedingungstyp in Retros sind René J. Millour, der die beiden zitierten Aufgaben gebaut hat, und Thierry Le Gleuher; von ihm möchte ich heute ein interessantes Stück vorstellen.
Phénix 2012, Trillon-Gedenkturnier, 4. Preis
h#1 Wo wurde [Dd1] geschlagen? Monochromes Schach (4+8)
Bei der folgenden Besprechung habe ich mich wesentlich auf die Lösungsangaben von Hans Gruber gestützt, die dieser für feenschach geschrieben hat.
Schauen wir zunächst nach dem Hilfsmatt: Hier ist nur 1. 0-0 Lc4# möglich – und damit wissen wir, dass [Ke8] und [Th8] noch nicht gezogen hatten.
Auffällig in der Diagrammstellung sind wK und die sBb4c5: Der König muss auf seinem Zielfeld angekommen sein, bevor ein schwarzer Bauer auf c5 auftaucht. Überlegen wir nun weiter, wie Schwarz auf d6, was dann [Lf8] befreit, schlagen konnte? Das kann nur ein wB sein: [sZh8] hat nicht gezogen, wie wir aus der Hilfsmatt-Lösung wissen, [Ta1] kommt nicht nach d6, eine Umwandlung eines wB auf schwarzem Feld kann es nicht gegeben haben: Jeder Excelsior im monochromen Schach erfordert vier Schlagfälle, aber es stehen zu diesem Zeitpunkt nur [Dd8], [Sb8] sowie ein weißfeldriger schwarzer Bauer für einen ep-Schlag zur Verfügung.
Also geschah beispielsweise f2(b2,d2)-f4(b4,d4)xDe5(c5)xBd6e.p., und dann folgt e7xBd6, was [Lf8] befreit. Dafür muss vorher schon die schwarze Dame nach draußen gekommen sein: Dies geht nur via c7, und zwar nach c7-c5! Zuerst muss also der [Ke1] mindestens bis b4 ziehen, bevor c7-c5 nebst c5xb4 erfolgt. Damit ist klar, dass sBb4 der [Bc7] ist.
Aber wie kam die sD angesichts des wKa5 heraus? Erzwungenermaßen nur mit einem Schild auf b6! Schwarz kann also zu Beginn der Partie nur [Bf7] und [Bh7] gezogen haben! Weil [Sb1] auf b1 geschlagen wurde, konnten diese beiden Bauern nur sechsmal schlagen ([Dd1], [Bc2], [Be2], [Bg2] sowie zwei wBB e.p.). Wegen fehlender Schlagobjekte konnte sich [Ba2] nicht umwandeln, daher konnte er nicht als zusätzliches Schlagobjekt für [Bf7] dienen.
Also steht [Bf7] auf c2, und [Bh7] konnte höchstens bis zur 2. Reihe kommen! Weiß muss also schnell den wK nach b4 spielen, um c7-c5+ zu erlauben.
Den Schutz vor sD-Schachs auf b6 kann nur [Lc1] bilden; [Ta1] kann ja nicht auf die 6. Reihe gelangen.
Weiß führte also drei Züge des [Ke1] sowie zwei Züge des [Lc1] aus, bevor c7-c5 geschehen konnte. Dazu kommt mindestens noch der erste Zug durch einen wB sowie mindestens ein Zug, um ein Schlagobjekt auf e4 oder g4 bereitzustellen. Dies summiert sich bereits auf sieben Züge, sodass Weiß keine weitere Zeit hat, um beim Auflösen der schwarzen Stellung zu helfen. Damit ist klar, dass Weiß nur einen Zug hat, um einen Nicht-Bauern auf e4 oder g4 zum Schlag bereitzustellen: Das kann nur Dd1-g4 gewesen sein, wo sie dann geschlagen wurde – und dies beantwortet die zweite Frage des Autors.
Die Schlagfälle der schwarzfeldrigen schwarzen Bauern sind: c7-c5xBb4 und e7xBd6xTc5. Also wurden [Bd2] und [Bh2] e.p. geschlagen, und [Bf2] ging nach d6.
Eine mögliche Beweispartie, in der [Ba2], [Ta8], [Lc8] und [Lf8] auf mehr oder weniger beliebigen Feldern geschlagen werden können:
1.e4 f5 2.Dg4 fxe4 3.d4 exd3e.p. 4.Le3 dxc2 5.Lb6 h5 6.Kd2 hxg4 7.h4 gxh3e.p. 8.Kc3 hxg2 9.Kb4 c5+ 10.Ka5 Dc7 11.b4 Dh2 12.Lc7 Dxg1 13.Lxb8 Dh2 14.Lf4 Dg3 15.Lh6 De5 16.f4 cxb4+ 17.fxe5 d5 18.exd6e.p. Le6 19.Lxg2 Lxa2 20.Ld5 Lxb1 21.Ta3 La2 22.Lxg8 Tc8 23.Tc3 Tc4 24.Lxc4 exd6 25.Lxa2 Le7 26.Tc5 Lg5 27.Lc4 Lc1 28.Lf1 dxc5 29.Lxc1.
Mich fasziniert immer wieder, wie viele und tiefsinnige retroanalytische Schlussfolgerungen mit der eigentlich recht „einfachen“ Bedingung „monochromes Schach“ aus unglaublich sparsamen Stellungen wie hier gezogen werden können.
I also dislike implicit conditions, although the use of stipulations like the annoying ‘What was the smallest number of queen moves?’ is far worse than the castling right in this problem.
Monochrome retros are so rare these days that it is easy to impress judges with the wonderful economy, although Millour explored the area thoroughly years ago.
A question like “What was the smallest number of queen moves?” is sometimes an implicit additional condition; but it can also be just a way of drawing the solver’s attention to a special aspect of the problem. In the latter case, the simple stipulation to “release the position” would lead to the same solution.
I was thinking of Plaksin et al., who used this type of implicit condition, when they tried to extend Ceriani-Frolkin in resolution retros some 50 years ago.
I do not recall seeing the more legitimate use of this stipulation question. Could you please furnish an example, Bernd?
Dear Henrik, especially Wolfgang Dittmann has used this type of stipulation to focus the solver’s attention (without using it as an implicit additonal condition); see, e.g., his P0000120 (FIDE-Album 1986-1988), and also my P1240502 (FIDE-Album 2007-2009). Best wishes! Bernd
Thanks for the examples, Bernd. I agree that the stipulations questions are perfectly fine there. Actually, the king seems to be the favorite unit in such cases.
Ich frage mich: Wird hier die Vorwärtsforderung (deren Korrektheit vorausgesetzt werden soll) als versteckte Zusatzbedingung verwendet, damit z.B. nicht 5…Kf7 geschehen kann (wodurch die schwarze Dame auch über den Königsflügel hinausgelangen könnte)?
Lieber Bernd,
aus meiner Sicht ist Deine Frage ganz klar mit ja zu beantworten, weshalb mich die Auszeichnungshöhe überrascht. Das Festnageln von 2 Steinen auf diese billige Art empfinde ich als eine sehr große Konstruktionserleichterung.