The Problemist Januar 2018

Die Januar-Ausgabe des Problemist enthält wieder eine Menge interessanten Lesestoff auch für uns Retrofreunde: Neben den Urdrucken und den wie immer hervorragenden “Selected Proof Games and Retros” von Bernd Gräfrath möchte ich besonders zwei Artikel, die auf Anregungen von John Nunn zurückgehen, erwähnen: In “The Genesis of a Helpmate” bzw. “Genesis of a Fairy Proof Game” stellen Stephen Taylor bzw. Bernd Gräfrath die Entstehung eines Hilfsmatt 2 1/2-Zügers bzw. einer Schlagschach-Beweispartie vor.

Ich hoffe, dass noch weitere Beiträge in dieser lockeren Serie folgen werden, da ich solche Entwicklungen hochinteressant finde. Außerhalb “unserer” Retros fallen mir da gleich zwie Bücher ein, die sich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen: Comins Mansfields Adventures in Composition (Zweizüger) und Genrich Kasparjans Tainy Stjudista (Studien). Auf das Thema gehen in einem eigenen Kapitel auch Gerd Wilts und Andrej Frolkin in Shortest Proof Games ein.

Vielleicht regt euch dieser Hinweis ja an, selbst mal die Entstehung eigener Aufgaben niederzuschreiben? Ich finde das immer spannend!

Retro der Woche 07/2018

Die heutige Aufgabe passt, so glaube ich, sehr gut zum Karnevals- bzw. Faschingswochenende: Schließlich haben sich alle weißen Steine verkleidet. Und wenn dann die närrische Zahl 11 ihre Finger im Spiel hat …

Andrej Kornilow
Die Schwalbe 1982, 7. Lob
Färbe die Steine. Letzte 11 Einzelzüge? (24)

 

Andrej Kornilow (4.5.1944–14.11.2011) war ein Spezialist für diese Art von Färbeaufgaben; in dieser Rubrik hatte ich schon zwei gezeigt: RdW 47/2014 und RdW 15/2015.

Wie löst man nun solche Aufgaben? Am besten schaut man nach den beiden Königen und betrachtet zunächst die Steine, die einen König oder gar beide der Könige beobachten. Daraus kann man meist schon einige Steine eindeutig färben, oft auch die Könige schon selbst.

Weiterlesen

Doppelte Home Base

Beweispartien, die im Diagramm überhaupt nichts über die Lösung verraten, finde ich besonders attraktiv. Und solch ein Stück möchte ich euch heute mal wieder “für zwischendurch” zum Lösen anbieten.

Francois Labelle
Retro Mailing List 4.2.2005
Beweispartie in 6,5 Zügen (12+15)

 

So schrecklich schwer sollte das nicht sein! Viel Spaß beim Lösen!

Retro der Woche 06/2018

Nachdem ich in den letzten Tagen bereits ein wenig vom 10. WCCT berichtet hatte, will ich heute natürlich das Siegerstück vorstellen und dabei auch die Kommentare der Autoren und der richtenden Nationen verwenden. Schließlich haben wir es hier mit einer heute schon „historischen“ Beweispartie zu tun: Der ersten, die ein WCCT gewonnen hat.

Andrej Frolkin & Alexander Semenenko
10. WCCT, 1. Platz
Beweispartie in 23 Zügen (14+14)

 

Im Diagramm haben wir keine Doppelbauern, also keine offensichtlichen Bauernschläge. Bei Schwarz fehlen zwei Bauern, bei Weiß gleich drei, von denen einer offensichtlich in einen Turm umgewandelt hat. Das macht das Zählen der weißen Züge etwas einfacher: 2+2+5+2+2+9=22 — ein Zug ist noch frei. Hierbei habe ich sofort die fünf notwendigen Bauernzüge sowie einen zusätzlichen Turmzug eingerechnet.

Bei Schwarz sehen wir nur 1+2+0+2+0+2=7, wobei die ersten beiden Summenden für den Platzwechsel von König und Dame auch vertauscht werden können. Damit sind gleich 16 schwarze Züge noch frei!

Vielleicht können wir die weißen Züge schon genauer bestimmen?

Weiterlesen

WCCT — ein paar Zahlen

Vorgestern hatte ich auf den gerade erschienenen Abschlussbericht zum 10. WCCT hingewiesen, heute möchte ich ein wenig das Ergebnis, natürlich besonders aus Retro-Sicht, betrachten: Schließlich hat es zum ersten Mal bei der “Mannschafts-Weltmeisterschaft” eine Retro-Abteilung gegeben. Die WFCC Kommission war sich lange nicht sicher gewesen, ob sie dies “riskieren” sollte: Es gab Vorbehalte, dass nur in wenigen Ländern Retroanalyse gepflegt werde. Zum Ausgleich hat man ein “Streichresultat” eingeführt: Nur sieben der acht Abteilungen wurden für das Mannschaftsergebnis gewertet.

38 Länder haben am WCCT teilgenommen, bei dem Deutschland bekanntlich einen hervorragenden dritten Platz hinter Russland und der Ukraine belegte. Von denen haben 30 (!) auch für die Retro-Abteilung Aufgaben eingeschickt (zum Vergleich: 27 für die Studien-Abteilung, 28 für die Dreizüger, 31 für die Mehrzüger), das kann aus meiner Sicht nur als voller Erfolg gewertet werden!

Von den 20 bestplatzierten Ländern haben drei die Retros als Streichresultat gehabt — für mich überraschend auch Weltmeister Russland. Allerdings hätte ich bei Deutschland auch nicht unbedingt mit den Mehrzügern als Streich-Rubrik gerechnet … Andererseits war die Retro-Abteilung für fünf Länder (Frankreich, die Niederlande, Argentinien, Ungarn und Schweden) der stärkste Punktelieferant.

Die “Retro-Nationenwertung” hat deutlich Frankreich gewonnen (muss ich die beiden Autoren nennen?) vor der Ukraine, Argentinien und Deutschland.

Ich hatte mich sehr gefreut, dass mein Themenvorschlag der Platzwechsel in klassischen Beweispartien angenommen worden war. Und im Nachhinein sehe ich auch meine Überlegungen zur Themenauswahl (nicht sehr einschränkend, erlaubt nicht so erfahrenen Komponisten Erfolgserlebnisse, lässt allerdings auch Spitzenprodukte zu) bestätigt. Nun hoffe ich nur, dass im Vorfeld des 11. WCCT erst gar keine Diskussionen mehr über die Retro-Abteilung entstehen.

WCCT-10 Abschlussbericht

Heute ist der Abschlussbericht des 10. WCCT (World Chess Composition Tournament) veröffentlicht worden; er kann über die WFCC-Seite als PDF-Broschüre (156 Seiten) heruntergeladen werden.

Die Ergebnisse waren ja schon früher publiziert worden, aber nun sind auch die Kommentare der richtenden Nationen zu den Aufgaben veröffentlicht, zusätzlich gibt es statistische Informationen.

Viel Spaß bei der interessanten und hochklassigen Lektüre!

Retro der Woche 05/2018

Nachdem ich in der letzten Woche hier die einzige orthodoxe Beweispartie aus den beiden feenschach Retropreisberichten der Jahre 2014 und 2015 besprochen hatte, möchte ich heute eine der dort ausgezeichneten drei klassischen Retros vorstellen.

Andrej Frolkin
feenschach 2015, 3. Preis
Löse auf (11+15)

 

Weiß hat offensichtlich nur einmal geschlagen, und zwar wegen des Doppelbauern entweder cxd7 oder exd7.

Bei Weiß fehlen fünf Steine: Auf der linken Bretthälfte hat Schwarz offensichtlich b5xa4 sowie exd geschlagen. Auf der rechten Bretthälfte musste Schwarz [Bf2] und [Bg2] schlagfrei durchlassen, sodass [Bf7] und [Bg7] überkreuz geschlagen haben.

Nun haben wir nur das Schicksal der beiden h-Bauern noch offen:

Weiterlesen

Retro der Woche 04/2018

In dem Viererpack an feenschach-Heften, das Anfang des Monats erschienen ist, finden sich zwei Retro-Preisberichte: Für 2014 von Michel Caillaud und für 2015 von Bernd Gräfrath. Unter den insgesamt 17 dort ausgezeichneten Aufgaben befindet sich nur eine einzige orthodoxe Beweispartie!

Ist dies typisch für die letzten Jahre, deutet dies vielleicht auf eine Krise der Beweispartien hin? Natürlich wird es immer schwieriger, gute und originelle Beweispartien zu bauen, aber solche erscheinen immer noch, und zwar in recht großer Anzahl. Bei feenschach ist die Situation vielleicht auch deshalb etwas anders, weil dort natürlich Märchen-Retros eine besonders große Rolle spielen.

Nikolas Dupont (nach Unto Heinonen)
feenschach 2015, Lob
Beweispartie in 28 Zügen (11+15)

 

In der weißen Homebase-Position müssen/können wir natürlich keine sichtbaren Züge zählen: per definitionem gibt es dort ja keine. Aber bei Schwarz kommen wir mit dem Züge zählen schon viel weiter: 2+2+5+4+4+11=28; damit sind alle schwarzen Züge erklärt. Mehr noch: Die Züge der Springer und des Königs sind schon genau determiniert, ebenso die von [Lc8], [Bc7], [Bd7] und [Bf7].

Wieso eigentlich des [Bf7]? Dazu schauen wir uns die Schläge an.

Weiterlesen