In den letzten Wochen hatte ich hier bereits den ersten, zweiten und vierten Preis des Retro-Informalturniers 2016 der Schwalbe vorgestellt — da seid ihr sicher nicht allzu überrascht, dass heute der dritte Preis an der Reihe ist?
Die Schwalbe 2016, 3. Preis
Beweispartie in 26,5 Zügen (12+12)
Dies ist mal wieder eine Beweispartie, bei der man mit dem reinen Zählen der weißen Züge nicht allzu weit kommt: Wir sehen bei Weiß einfach nur neun Bauernzüge, sonst nichts. Und auch das Zählen bei Schwarz (0+1+2+4+5+3=15) lässt noch elf schwarze Züge offen. Da ist die Untersuchung der Bauernstruktur zumindest etwas ergiebiger.
Bei Weiß sieht man drei Bauernschläge, nämlich bxa, cxb und e/gxf3, bei Schwarz ist nur ein Bauernschlag, nämlich axb, sichtbar. Betrachten wir nun noch, was auf dem Brett fehlt, kommen wir zumindest ein kleines Stück weiter:
Bei Schwarz fehlen genau die Königsflügel-Bauern. Damit wissen wir schon: Es hat (zumindest) zwei schwarze Umwandlungen gegeben, denn bei bxa und cxb können die Königsflügelbauern ja nicht direkt geschlagen haben.
Nun könnte man trickreich denken, es ginge doch auch anders? sBa4 ist [Bd7], sBd5 kommt via d6 von e7: [Lc1], muss ja irgendwie verschwinden. [Bb7] wäre dann auf b6 geschlagen worden. Warum geht das nicht?
Also brauchen wir zwei schwarze Umwandlungssteine. Dafür brauchen wir zehn weitere schwarze Züge — mit einem Zusatzzug gegenüber unserer Rechnung von oben kommen wir nicht aus, müssen wir aber auch nicht auskommen.
Nehmen wir an, dass sLf1 und sSh2 die beiden Umwandlungssteine sind (das ist am Zug-sparsamsten), dann brauchen wir nur einen Zusatzzug (Sf1-h2), en wir ja noch frei haben. Dafür sparen wir sechs Züge ein, nämlich zwei des [Lc8] und gleich vier der Springer. Die brauchen wir aber, um einerseits in drei Zügen aktiv [Bf7] zu entsorgen und das auch mit einem bzw. zwei Zügen für [Lc8] auf a6 und [Sb8] auf b6 zu tun.
Damit sind alle schwarzen Züge erklärt. Nun ist zu klären, welche Steine denn zweimal für die Umwandlungen auf f1 geschlagen werden? Dafür brauchen wir zwei weiße Umwandlungen, denn dafür kommt [Lc1] wegen der falschen Felderfarbe nicht in Betracht — außerdem brauchen wir ja noch das Schlagopfer auf a4.
Bei genauem Hinschauen stellen wir fest, dass [Be7] und [Bh7] umwandeln mussten, dass dazu bei Weiß [Bg2] und [Bh2] jeweils auf g8 umwandeln mussten. Und dafür brauchen wir dann auch [Lc1], nämlich für den schwarzen Schlag hxg3 (warum nicht hxg5?).
Nun gilt es „nur noch“, die Umwandlungssteine auf g8 zu identifizieren -– und dann, alles in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Ganz so leicht ist das nicht; ein wenig Probieren und Überlegen müsst ihr sicher noch.
Zweimal werden die beiden weißen Pronkin-Läufer zu Hause geschlagen, nachdem sich der Original-Läufer von f1 auf a4 opfern musste. Höchst originell und auch technisch beeindruckend, worauf Spezialist Silvio Baier verwies: „Normalerweise stehen beim Schlag auf den Pronkinfeldern Umwandlungssteine der anderen Seite auf dem Brett. Hier haben die Autoren Wert auf das Fehlen von offensichtlichen Umwandlungsfiguren gelegt. Das Ergebnis finde ich beachtlich und gar nicht so leicht zu lösen.“
Nun kennt ihr die vier Preisträger dieses Turniers – wie wäre eure Reihenfolge gewesen? Ich selbst bin mir nicht ganz sicher, ob sie bei mir als Richter identisch gewesen wäre – muss ich ja auch zum Glück nicht sein! Aber für mich ist die Reihung der Aufgaben sehr gut nachvollziehbar – und dann bin ich mit einem Preisbericht persönlich hoch zufrieden!
Hätte ich auch nach Stunden nicht lösen können. Geschickter Einsatz der “Spoiler”.
Excellent comments on an excellent proof game.