Am letzten Sonntag hatten wir uns hier den 1. Preis in der Beweispartie-Abteilung des Champagne-Turniers aus Vilnius angeschaut; heute möchte ich euch den 2. Preis der „sonstige Retros“ Abteilung in diesem Turnier vorstellen. Ihr erinnert euch? Themenvorgabe war „Bahnung“.
Für diese Abteilung waren nur fünf Aufgaben eingereicht, die Ausrichter Michel Caillaud alle auszeichnete, auch wenn er nicht allzu begeistert von der Originalität speziell der klassischen Retros war (zwei Auflöse-Aufgaben, zwei Verteidigungsrückzüger, ein Hilfsrückzüger).
Ich habe für heute den zweiten Preis, eines der beiden klassisches Retro, ausgesucht.
Champagne Turnier 2019, 2. Preis
Löse auf! (14+11)
Schauen wir uns wie immer zunächst die Schlagbilanz an: Die beiden fehlenden weißen Steine (Turm und Springer) wurden von [Be7] auf seinem Weg nach g5 geschlagen.
Bei Schwarz fehlen [Ba7], [Bb7], [Bc7] sowie die beiden Springer. Die Bauern können nicht geschlagen haben, wurden also auf „ihren“ Linien geschlagen: [Bc7] durch dxc, die beiden anderen irgendwie anders. Die beiden Springer wurden also auf f3 und g3 geschlagen; damit sind alle fehlenden Steine prinzipiell erklärt.
Wie kann nun der mächtige Süd-Käfig aufgelöst werden?
Offensichtlich nur durch die Rücknahme von sKe3-d3. Das Feld e3 ist allerdings reichlich überdeckt, sodass wir den Zug noch durch Weiß vorbereiten müssen, da ein schwarzer Springer noch nicht entschlagen werden kann.
Ein Plan könnte sein: wK>f1, wT>f2, entschlagener wS>e2 – und schon kommt der schwarze König und damit der gesamte Käfig frei.
Versuchen wir das doch einfach zu erspielen:
R: 1.Te2-e4 h6-h5 2.Kf1-f2 h7-h6 ₋3.Tf2-e2 f6xSg5 4.Se6-g5 ?? – Schwarz hat keinen weiteren Rücknahmezug mehr, ist also retropatt.
Also müssen wir versuchen, für Schwarz zusätzliche Züge zu generieren, damit das Retropatt vermieden wird.
Dazu fällt uns vielleicht ein, dass irgendwann ja noch [sBa7] und [sBb7] entschlagen werden müssen – vielleicht können wir das in einem „Vorplan“ umsetzen?
Mit diesen Gedanken und der Erinnerung, dass wir ja hier irgendwo (mindestens) eine Bahnung sehen müssen, ist es sicher nicht mehr schwer, die Lösung zu finden?!
Noch ein kleiner Blick „über den Zaun“:
Hier sehen wir etwas, was speziell bernd ellinghoven und Fadil Abdurahmanović vor ca. 25 Jahren ins orthodoxe Hilfsmatt eingeführt haben, was sie dann „Hilfsmatt-Revolution“ genannt haben: nämlich „neudeutsches Gedankengut“, u.a. mit Gliederung des Lösungsspiels in Vor- und Hauptplan.
Dies versuchen seit einiger Zeit hauptsächlich unsere beiden heutigen Autoren in klassischen Auflöse-Retros, und hier ist das sehr deutlich erkennbar: Der Hauptplan scheitert an einem Hindernis (hier: schwarzes Retropatt); dieses wird durch einen Vorplan ausgeschaltet. Hier ist dieser Vorplan „zweckrein“, er verfolgt ausschließlich das Ziel der Hindernisbeseitigung (hier durch Entschlag zweier schwarzer Bauern, die nun Rückzüge haben — leider ist die Reihenfolge der Entschläge nicht eindeutig; dies hat aber keinen Einfluss auf diese Überlegungen) ohne zusätzliche Verbesserungen der Stellung. Und nach der Formel von Herbert Grasemann: „logisch + zweckrein = neudeutsch“ können wir diese Aufgabe völlig konsistent der neudeutschen Schule zurechnen — auch wenn es ein Retro ist, auch wenn es Hilfsspiel ist!
Und das ist noch immer hochoriginell, auch wenn es das eigentliche Retrospiel vielleicht nicht mehr ist.
For some unknown reason some words were missing in my previous comment. Correct version:
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Yes, the problem was indeed all about New German Logic in a classical-style retro.
Note also that the nature of both clearances in the foreplan is different. In the first one, -1.Re8-e4 we have a true Bristol clearance, “pure of aim” in the sense that the sole reason why the wR needs to move is to make way for the wQ, i.e. it has no other job whatsoever on e8. A motivation for the Bristol wass needed so that the wR couldn’t do the job by itself: here the motivation is that the wQ can move between squares a4 and b5 (or vice versa) in only one move, providing enough tempi, even taking into account that one tempo is required for the wR clearance.
As for the second clearance, -6.Qe1-e7, here the wQ is merely needed back to her original position, recovering the diagram position in the spirit of the logical school, where it has a screening function to perform.
So, altogether, we have a foreplan which is “pure of aim” in the sense of the logical school, which includes a Bristol clearance which is “pure of aim” in the sense of the Bristol theme.
Yes, the problem was indeed all about New German Logic in a classical-style retro.
Note also that the nature of both clearances in the foreplan is different. In the first one, -1.Re8-e4 we have a true Bristol clearance, “pure of aim” in the sense that the sole reason why the wR needs to move is to make way for the wQ, i.e. it has no other job whatsoever on e8. A motivation for the Bristol was needed so that the wR couldn’t do the job by itself: here the motivation is that the wQ can move between squares a4 and b5 (or vice versa) in only one move, providing enough tempi, even taking into account that one tempo is required for the wR clearance.
As for the second clearance, -6.Qe1-e7, here the wQ is merely needed back to her original position, recovering the diagram position in the spirit of the logical school, where it has a screening function to perform.
So, altogether, we have a foreplan which is “pure of aim” in the sense of the logical school, which includes a Bristol clearance which is “pure of aim” in the sense of the Bristol theme.
Easily solved, particularly when you know that clearances occur.