Nicht sofort auf den ersten Blick sieht man, dass wir uns heute wieder mit einer Aufgabe beschäftigen, in der Umwandlungen eine große Rolle spielen – ohne allerdings hier dominante Bedeutung zu haben: Tempospiel (besser gesagt: Unmöglicher Tempogewinn oder Tempoverlust) ist hier der Haupt-Inhalt.
Schachmati w SSSR 1978, 1. Preis
#1 (wer?) (12+11)
Wir sehen sofort vier Bauernschläge des Weißen (e2xd3xc4xb5 sowie f2xe3); bei Schwarz kommen wir mit zwei Bauernschlägen aus: a7xb6xc5, da ein Schlag nach c4 nicht möglich ist: Wie sollten sonst sBc4 und wBb5 aneinander vorbeigekommen sein?
Das müssen wir uns noch genauer anschauen, denn „irgendwie“ müssen ja auch die fehlenden fünf Bauern, die allesamt vom Königsflügel stammen, verschwunden sein…
Aber zuvor wollen wir uns anschauen, wie der gewaltige Knoten im Westen überhaupt aufgelöst werden kann?!
Das kann (nach Ablösung des ssc7 durch wTd7) nur durch die Rücknahme von Bd7-d6 passieren: Das aber bedeutet, dass sLb1 ein Umwandlungsläufer ist. Dass das auch für wLd8 gilt, habt ihr beim ersten genaueren Blick auf die Stellung sicher schon längst bemerkt? Und der muss auf h8 entwandelt werden, wobei Weiß keinen Schlag mehr übrig hat.
Aber das reicht noch nicht an Umwandlungssteinen: Schwarz konnte auf dem Weg von a7 nach b5 wegen der Felderfarbe natürlich nicht [Lf1] schlagen, sondern dafür bleiben nur [Dd1] und ein weiterer Umwandlungsstein. Also haben beide fehlende weißen Bauern [Bg2] und [Bh2] (mit in Summe maximal einem Schlag) umgewandelt. Und wir haben ja schon gesehen, dass auch Schwarz entwandeln muss, damit die weißen Bauern-Schlagfälle aufgehen können.
Gleichzeitig muss Schwarz noch [Lf1] entschlagen, und dafür bietet sich hxLg6/4/2 an, denn Schwarz muss ja, wie wir gesehen haben, den Weg für [Bh2] zur Umwandlung frei machen.
Zu Beginn unserer Auflösung stehen uns nur Springer für Zugrücknahmen zur Verfügung, und die können ja bekanntlich kein Tempo verlieren – und das passt wieder gut zu unserer „Wer?“ Frage: Mit frei beweglichen Läufern ließe sich das nicht eindeutig beantworten, da einer beliebig ein Tempo verlieren könnte.
Also stehen zunächst auch nur die Springer für Entwandlungen zur Verfügung, und erst dann kann eine andere Steinart entschlagen werden.
Wenn ihr dann noch berücksichtigt, dass ja für die Umwandlungen „irgendwie“ Linien auf dem Königsflügel frei bleiben müssen, dann könnt ihr vielleicht eine „Entschlag-Strategie“ entwickeln?
Die solltet ihr ausprobieren, um dabei festzustellen, dass nach den Entwandlungen auch die Bauern keine Tempi verlieren können. Kleiner Tipp: Beginnt mit einer schwarzen Rücknahme bis zur Rücknahmemöglichkeit unseres „Korkenziehers“ d7-d6. Dabei seht ihr, dass weder Weiß noch Schwarz ein Tempo verlieren kann, dass also im Diagramm Weiß am Zug ist. (Natürlich könnt ihr auch gern den Gegencheck machen und mit weißer Rücknahme beginnen – der führt ins Retropatt einer Seite.)
Ganz eindeutig ist die Zugfolge nicht, speziell die weißen Pendelzüge können es natürlich auch nicht sein!
Ganz trivial ist auch jetzt die Rücknahme noch nicht; zur Übung für nicht ganz so erfahrene Retrolöser schlage ich vor, dass ihr das einmal für euch selbst versucht.
Der Franzose André Hazebrouck ist besonders bekannt für seine komplexen klassischen Retros mit beweglichen Springern. Dabei spielt bei ihm die „Retro-Opposition“ eine bedeutende Rolle, also die Situation, dass in einer bestimmten Stellung (trotz beweglicher Figuren) kein Wechsel der Zugpflicht zwischen Schwarz und Weiß möglich ist, der für die Auflösung eigentlich erforderlich wäre. Anlässlich seines 100. Geburtstages am 6.3.1918 habe ich in der Schwalbe April 2018 eine andere Aufgabe von ihm ausführlich erläutert, die ihr auch hier als Retro der Woche 13/2015 noch einmal ansehen könnt.
Amazing what can be done with knights, who cannot change the tempo.