Retro der Woche 05/2019

In der letzten Woche hatte ich hier einen Verteidigungsrückzüger aus dem Preisbericht von Phénix 2015-2016 gezeigt, heute will ich die bestplatzierte Beweispartie in diesem sehr stark besetzten Turnier vorstellen.

Jorge J. Lois & Roberto Osorio
Phénix 2015-2016, 2. Preis
Beweispartie in 19 Zügen (13+14)

 

Bei Aufgaben des argentinischen Duos kann man immer davon ausgehen, dass man guten Inhalt technisch perfekt dargestellt zu sehen bekommt. Und so viel darf ich schon verraten: So ist es auch hier!

Mit dem üblichen Zählen der im Diagramm sichtbaren schwarzen Züge sind wir sehr schnell fertig: 0+0+0+1+0+3=4. Irgendwelche zusätzlichen Züge wegen eventueller Umwandlungen durch Schwarz können wir auch hier natürlich ausschließen, da noch alle acht schwarzen Bauern an Bord sind.

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Luigi Ceriani 125

Heute vor 125 Jahren, am 23. Januar 1894, wurde in Mailand Luigi Ceriani geboren, der sicherlich bedeutendste Retroanalytiker des letzten Jahrhunderts. Der promovierte Ingenieur hat mehr als 700 Aufgaben veröffentlicht, die meisten davon Retros, auch wenn er sich mit anderen Bereichen (Zweizüger, Märchenschach) beschäftigt hat.

Mit seinen Aufgaben und den im Eigenverlag herausgegebenen, in blauem Leinen gebundenen Büchern 32 Personaggi e 1 Autore (1955) und La Genesi delle Posizioni (1961) hat er die Retroanalyse endgültig als selbstständige Problemschach-Gattung emanzipiert.

Zur Feier des Tages und zum Gedenken an Luigi Ceriani möchte ich heute eines seiner bekanntesten Probleme vorstellen, das mit seiner Fragestellung direkt auf den Inhalt der Aufgabe zielt: Um sie zu beantworten, muss man die Stellung einer genauen Retroanalyse unterziehen, ohne direkt eine Abfolge von Auflöse-Zügen angeben zu müssen.

Er gab dem Stück gleich zwei Mottos mit: „La Donna è mobile?“ (aus Verdis „Rigoletto“) und „Eppur si muove!“ (Galileos Ausspruch vor der Inquisition); wenn ihr die Aufgabe gelöst oder die Lösung durchgegangen seid, werdet ihr sie direkt mit dem Stück in Verbindung bringen können.

Luigi Ceriani
Fairy Chess Review 1948
Erster Zug der schwarzen Dame? (13+14)

 
Bei Schwarz fehlt ein Turm und [Ba7]. Wegen wBb3c2 und wSa1 konnte [Ta1] den Südosten nicht verlassen, wurde also auf b1 geschlagen. Die beiden anderen fehlenden weißen Steine [Dd1] und [Lf1] verschwanden auf f6 bzw. g6.

Aus ähnlichen Überlegungen wie im Südwesten hat sich der Käfig im Nordosten auf folgende Weise gefüllt: Sh8 geschah vor hxLg6, also kamen wTh7 und sTh6 „von oben“, bevor Weiß mit Sh5 verkorkte. Um nach h7 zu kommen, musste [Th1] ([Ta1] kann es ja, wie wir schon gesehen haben, nicht gewesen sein!) via f1 und f3 sein Domizil verlassen. Also standen [Bg2] und [Bf2] bereits auf g3 ([Lf1] musste schon draußen sein!) und f4. Damit kann der „Verkorkungszug“ nur Sf6-h5 gewesen sein!

Dafür aber muss [Be7] noch zu Hause gewesen sein, damit auch [Lf8]. Damit muss auch [Bd7] noch zu Hause gestanden haben, denn anders hätte er nie nach b8 gelangen können. Demnach muss auch [Lc8] noch zu Hause gewesen sein. Der schwarze König musste dem Schachgebot des weißen Springers von f6 aus nach [Dd8] auf ihrem Ausgangsfeld geschlagen worden sein, denn sie konnte sich ja noch nicht bewegen.

Damit ist sDe1 nicht die Originaldame, sie ist aus [Ba7] entstanden und hat sich mit axTb1=D umgewandelt. Ihr erster Zug war also (schlagfrei) Db1-a2.

Auch die weitere Auflösung (Wie kommen die schwarzen Türme nach Hause?) ist noch ein wenig trickreich; vielleicht mögt ihr ja bei einem Glas italienischen Rotweins heute Abend die Auflösung noch komplett erspielen?

(Meine Lösungsbeschreibung orientiert sich an der von Roger Lipsett.)

Retro der Woche 04/2019

Vor einigen Tagen erhielt ich das Phénix Heft mit meinem Retro-Preisbericht 2015-2016. Aus dem Bereich der „klassischen Retros“ hatte ich hier bereits den 1. Preis und den 3. Preis gezeigt; heute möchte ich euch einen Verteidigungsrückzüger aus diesem Turnier vorstellen.

Andrej Frolkin & Joaquim Crusats
Phénix 2015-2016, 3. ehrende Erwähnung
-9 & #1, VRZ Proca (13+13)

 

Beim Verteidigungsrückzüger versucht Weiß die Vorwärtsforderung (hier: Matt in einem Zug) zu erfüllen, spätestens nachdem die angegebene Anzahl von Rückzügen gemacht worden ist; Schwarz versucht sich gegen das weiße Ziel (natürlich nur mit legalen Rückzügen) zu wehren. Beim Typ Proca bestimmt die rückziehende Seite, ob und welcher Entschlag mit der Rücknahme verbunden war; auch hier sind natürlich nur legale Entschläge gestattet.

Was haben Autoren, Löser und Preisrichter nur übersehen? Das lässt sich doch direkt in einem Zug lösen: R: 0-0-0 & vor: 1.Txa2#. Obwohl: Konnten die hochklassigen Autoren das übersehen? Und auch der Preisrichter? Vielleicht lohnt es, die Stellung genauer zu betrachten…

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Andernach 2019

Sicher hat der Eine oder Andere schon darauf gewartet: Nun ist endlich die Ankündigung für das 45. Andernachtreffen 2019 herausgekommen; ihr könnt sie z.B. über die feenschach-Seite anschauen und herunterladen.

Den Termin kennt ihr natürlich: das Himmelfahrts-Wochenende, dieses Jahr recht spät, nämlich vom 30. Mai bis zum 2. Juni.

Ich freue mich schon darauf, viele von euch dort zu treffen!

Auflösung Weihnachtsrätsel

Am 22. Dezember letzten Jahres hatte ich hier die beiden Aufgaben des Weihnachtsrätsels der Stuttgarter Zeitung veröffentlicht. Nun sind die Lösungen erschienen, und die möchte ich jetzt nachtragen:

I) Jens Guballa
Stuttgarter Zeitung 21.12.2018
Weiß nimmt seinen letzten Zug zurück und setzt stattdessen in einem Zug matt (5+3)

 

 

 

II) Werner Keym
Stuttgarter Zeitung 21.12.2018
a) Entferne b) ergänze einen schwarzen Bauern. Dann Matt in einem Zug (9+9)

 

 

 

Lösung zu I):
Zurück 1.La6-b5 und 1.c8D=#, zurück 1.Sd8-c6 und 1.c8S=#.

Lösung zu II):
Die weißen Bauern schlugen insgesamt sechsmal.
a) Man entferne den Bd4. Zuletzt geschah entweder R 1.– c7-c5, dann 1.b5:c6# e.p., oder R 1.– e7-e5, und dann 1.f5:e6# e.p. Dies gilt als eine Lösung, die aus zwei sich ausschließenden Teilen besteht (partielle Retroanalyse).
b) Vier Lösungen. +sBc6 und 1.b5:c6#, +sBe6 (letzter Zug R 1.– f7:Xe6+) und 1.f5:e6#, +sBf7 und +sBh7. In den beiden letzten Fällen geschah zuletzt R 1.– c7-c5 (1.b5:c6#), aber nicht R 1.– e7-e5, was den sLf8, der als Schlagobjekt für die weißen Bauern gebraucht wird, aussperren würde.

Werner Keym schrieb mir, dass er vier Lösungen zugesandt bekommen hatte — von denen waren nur zwei richtig! So leicht waren die Aufgaben offensichtlich doch nicht?!

Retro der Woche 03/2019

Heute möchte ich noch einmal auf das letzte Retro der Woche zurückkommen: Natürlich ist die Zeit nicht stehen geblieben, und heute wollen wir also betrachten, was 14 Jahre später Thierry Le Gleuher mit dieser Idee (“Aufspaltung des Bauerndoppelschritts”) gemacht hat; schaut euch also vielleicht vorher noch einmal die Beweispartie von Unto Heinonen an.

Thierry Le Gleuher
Probleemblad 2007
Beweispartie in 29,5 Zügen (9+15)

 

Auch hier fällt im Diagramm sofort ein schwarzer Umwandlungsstein auf, dieses Mal ein Läufer. Und auch er wird technisch dafür genutzt, schwarze Züge zu generieren — und, wie wir gleich noch sehen werden, auch Schlagfälle. Doch zunächst zählen wir die schwarzen sichtbaren Züge.

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Dezember-Schwalben

Mitte Dezember hatte ich darauf hingewiesen, dass die letzten 2018er-Ausgaben von Die Schwalbe und feenschach verspätet erscheinen würden.

Nun sind die Dezember-Schwalbe-Hefte erscheinen: Ja, der Plural ist richtig, das ist ein Doppelheft 294-1 und 294-2 mit insgesamt 104 Seiten! Es lagen so viele Beiträge vor, dass der Schwalbevorstand beschlossen hatte, dieses Mal ein Doppelheft zu veröffentlichen, anstatt über längere Zeit speziell einen Berg an Preisberichten vor sich her zu schieben.

So enthalten die beiden Hefte neben Berichten von Schwalbe-Treffen 2018 in Bad Segeberg viele Entscheide aus Informalturnieren, aber auch die der Geburtstagsturniere “Hans Peter Rehm 75” und “bernd ellinghoven 64”. Natürlich ist auch für uns Retrofrennde wieder eine Menge Lese- und Lösestoff dabei, darunter ein ausführlicher Beitrag von Bernd Schwarzkopf “Letzter Zug? — mit nur einer Steinart” sowie mein Segeberg-Vortrag.

Ich möchte aber euer besonderes Augenmerk auf zwei Beiträge jenseits der Retroanalyse richten, die ich beide begeistert verschlungen habe: Die Selbstmatt-Serie “Dies# fiel mir auf” von Hartmut Laue, zu der nun bereits der 17. Beitrag erschienen ist, sowie der Beitrag von Stephen Rothwell “Natürliche Eleganz — Die Studien von Hermann Mattison”.

Über Lesen und Genießen solltet ihr nun aber nicht das Lösen und Kommentieren vergessen: Zehn wie ich finde sehr abwechslungsreiche Urdrucke laden dazu ein.

Und wenn nun in den nächsten Tagen auch noch die letzten beiden feenschach-Hefte des Jahres 2018 (ebenfalls mit viel Retro-Lese- und Lösespaß, das kann ich schon versprechen) erscheinen…

Retro der Woche 02/2019

Am ersten Sonntag des neuen Jahres möchte ich euch eine schon etwas ältere und auch thematisch recht ungewöhnliche Beweispartie des Finnen Unto Heinonen (* 25.12.1946) zeigen. Wir kennen ja auch hier Unto als einen Komponisten, der ein wenig abseits des Mainstreams komponiert.

Unto Heinonen
Die Schwalbe 1993, 1. Preis
Beweispartie in 24 Zügen (16+10)

 

Ungewöhnlich ist hier schon der dritte schwarze Turm, der sofort auffällt und den wir gleich benutzen werden, um uns die ersten Schritte der Lösung dieser Aufgabe zu erarbeiten. Wir können zunächst einmal anhand der schwarzen Bauernstellung schnell feststellen, dass der aus [Bd7] entstanden sein muss.

Und nun zählen wir zunächst einmal die schwarzen sichtbaren Züge. Dabei lassen wir zunächst offen, welchen Turm wir als Umwandlungsturm ansehen und stellen fest, dass die beiden Original-türme mindestens fünf Züge gemacht haben müssen: Tf7 zwei, die beiden anderen jeweils drei, und wir zählen den dritten Turm zunächst nicht mit.

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