Retro der Woche 26/2020

Bei Schach-960 (wir erinnern uns: Die Anfangsstellung wird ausgelost und spiegelsymmetrisch für Schwarz und Weiß aufgebaut, dabei stehen der König immer zwischen den Türmen und die Läufer auf ungleichfarbigen Feldern; die Rochaden sind im Endeffekt „wie im Normalschach“) ist das Lösen von Beweispartien normalerweise komplexer als sonst, da aus der Stellung neben der Zugfolge auch die initiale Partiestellung abgeleitet werden muss.

Bei der heutigen Aufgabe des finnischen Schach-960-Spezialisten Per Olin ist die Situation noch komplizierter, da wir nicht einmal die Zielstellung der Beweispartie kennen!

Per Olin
feenschach 2011, Hanno Harkola gewidmet
Eine Schach-960 Partie endete nach dem 62. Zug von Schwarz remis gemäß der 50-Züge-Regel. Wie war die Partieanfangsstellung und wie verlief die Partie bis zum 12. Zug von Schwarz? (12+13)

 

Aus dem Hinweis auf die 50-Züge-Regel wissen wir allerdings, dass sich die Bauernstruktur zwischen dem 12. Zug und dem Erreichen der Diagrammstellung nicht mehr verändert hat. Also müssen wir die als Basis für unsere Stellungsanalyse nehmen, die uns dann zur Lösung führen soll. Auch müssen alle Schlagfälle bis zum 12. Zug erfolgt sein.

Wir zählen sieben weiße Bauernzüge, also haben die vier fehlenden weißen Steine maximal fünf Züge gemacht; nur ein weißer Stein kann zweimal gezogen haben. Bei Schwarz sehen wir sechs Bauernzüge, zusätzliche zwei Züge für den schwarzen Turm im Käfig auf der h-Linie. Weiter stellen wir fest, dass der fehlende schwarze Springer zwei Züge gemacht haben muss, um sich schlagen zu lassen. Damit bleiben für die beiden anderen fehlenden schwarzen Steine, Dame und Turm, nur jeweils ein Zug übrig. Deswegen müssen der schwarze Turm auf a8 oder b8 gestanden haben, die schwarze Dame auf a8, b8 oder g8.

Mit den Türmen auf a hätte der weiße von a1 den einzigen zusätzlichen Zug der weißen Offiziere spielen müssen, um auf b6 oder c6 geschlagen zu werden. Dann hätten zwei fehlende weiße Steine in jeweils einem Zug f5, f6, g5 oder g6 erreichen müssen — das kann aber offensichtlich nicht sein. Daher standen die Türme auf b. Damit kann die schwarze Dame nicht von g8 kommen, denn nur ein Stein wurde auf der b-Linie geschlagen; sie startet daher von a8. Damit stand der fehlende schwarze Springer auf c8 oder d8, um in zwei Zügen geschlagen werden zu können.

Der schwarze Turm auf h5 kann also nur von e8, f8, oder g8 kommen, um sein Zielfeld in zwei Zügen erreichen zu können. Die fehlenden weißen Läufer müssen auf g1 und h1 gestanden haben, um nach jeweils einem Zug geschlagen worden sein zu können. Wurde nun Tb1 auf b6 geschlagen, so benötigt der Lg1, um dann auf g5 geschlagen worden zu sein, selbst zwei zusätzliche Züge oder einen zusätzlichen Zug und einen weiteren Zug des f-Bauern — beide Möglichkeiten dauern einen Zug zu lang.

Wenn Schwarz e7-e6xf5 oder e7xf6-f5 gezogen hat, dann müsste auch f7xg6 gespielt worden sein; Weiß fehlen aber Züge, um einen Stein schnell genug nach g6 zu bringen. daher wurde [Tb1] auf g5 geschlagen, und die schwarzen Bauernzüge waren Ba7xb6, Bb7xc6, Bf7-f5, Be7xf6xg5 und Bg7-g6. Für den Turm auf h5 gibt es wegen des [Lg8] die möglichen Ausgangsfelder e8 oder f8. Startet er von f8, so kann er nach f7-f5 mittels Tf8-f6-h6 spielen, also vor g7-g6. Dann allerdings ist f7-f5 zu früh für [Tb1], der dann nicht in zwei Zügen nach g5 gelangen kann. Also kommt er von e8 und zog Te8-e5-h5.

Startete nun der fehlende schwarze Springer auf c8, so wurde er auf a4 geschlagen. Damit hätten wir dann die Anfangsstellung DTSKTSLL mit 1.g4 g6 2.Bc6 bxc6 3.f4 Tb3 4.cxb3 Sb6 5.h3 Sa4 6.Lb6 axb6 7.ba4 Da5 8.b4 (Zugumstellungen sind möglich), aber nun hat Schwarz keinen Zug mehr, z.B. 8.– f5 würde verhindern, dass der weiße Turm in zwei Zügen nach g5 kommt.

Lösung

Also muss der Springer auf d8 gestanden und auf a5 geschlagen worden sein:

Eine interessante Idee und spannende Aufgabe, wie ich finde!

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