Dass ich gelegentlich auf facebook nach Retros schaue und dabei auch schon manchen Zufallsfund gemacht habe, hatte ich hier schon erzählt.
Vom selben Autor ist mir wieder ein nettes Stück über den Weg gelaufen, das ich euch für zwischendurch empfehlen möchte. Der Autor stuft es als mittelschwer ein, ich fand es allerdings recht leicht zu lösen.
Lion Xray facebook, Chess Endgame Studies and Compositions 26.9.2020 Letzter Zug? b) wDe6>g4 (15+10)
Wie ich finde, eine sehr sparsame Themendarstellung in a) Und was haltet ihr von b)?
Natürlich gibt es die Lösung in etwa einer Woche wieder hier! Bis dahin viel Spaß beim Knobeln!
Lösung
a) R 1.0-0-0# Ke4-d3 2.e5xd6ep++ d7-d5 3.a7-a8=L+ etc.: Eine elegante und zeitökonomische Darstellung des Valladão-Task in drei direkt aufeinander folgenden weißen Zügen; hübsch!
b) ist deutlich simpler: R 1.Sd2-f1# Ke2-d3 2.Sf3-g1++ Kd3-e2 etc. Da bin ich mit den beiden Kommentatoren Joost de Heer und Henrik Juel einer Meinung: Das ist sicherlich verzichtbar.
„Zwölfender“ sind in der Natur sehr kapitale und auffällige Hirsche – und auch im Problemschach fallen „Zwölfender“ auf, hier sind sie gar noch deutlich seltener als in der freien Wildbahn. So konnte in den Jahren zwischen 1980 und 2000 nur ein einziger Retro-Zwölfender entdeckt werden.
Gemeint sind hier natürlich Aufgaben, die im FIDE-Album 12 Punkte bekommen haben – also von allen drei Preisrichtern die prinzipiell sehr selten gezogene Höchstnote von 4 Punkten.
Diesen Zwölfender möchte ich euch heute hier zeigen.
Michel Caillaud Strate Gems 1999, 1. Preis Löse die Stellung auf! (15+13)
Bei Weiß fehlt nur ein Springer; der wurde offensichtlich mittels gxSf6 geschlagen. Demnach ist auch klar, dass bei Schwarz [Ba7], [Bh7] sowie [Dd8] fehlen, die Bauern können nicht geschlagen haben. Bei Weiß sehen wir die Schläge a5xXb6 und d5xYc6: sBb5 und sBc5 können ja nicht geschlagen haben. Damit sind auch die Schläge der fehlenden schwarzen Steine klar: [Bh7] wurde irgendwo auf der h-Linie geschlagen, ein schwarzer Offizier (evtl. die Dame) starb auf b6, und anschließend wandelte [Ba7] schlagfrei auf a1 um, um entweder den auf b6 geschlagenen Stein zu ersetzen oder sich selbst auf c6 zu opfern.
Die Stellungsöffnung kann nur durch R Td2-e2 oder R Tg5-g4 eingeleitet werden; beide Züge gäben im Moment aber illegales Retroschach. Schwarz hat im Moment nur einen Rücknahmezug (Bd7-d6); La2-b1 ist nur mit einem Schachschutz auf der Diagonalen möglich. Aber wir ahnen es schon, dieses Manöver werden wir häufiger im Laufe der Lösung benötigen.
Weiß hat (neben R g5-g6) im Moment nur den Sa6 für Zugrücknahmen, denn Ba5xXb6 können wir im Moment noch nicht zurücknehmen: [Ba7] muss erst auf a1 entwandeln und schlagfrei mindes-tens bis a6 zurückgezogen haben.
Für den Partiespieler ist es höchst peinlich, ein einzügiges Matt zu übersehen, aber auch unter Großmeistern kommt so etwas gelegentlich – zumindest in Blitzpartien oder in extremer Zeitnot – schon einmal vor.
Problemisten sollten ja noch mehr aufs Mattsetzen konditioniert sein, aber auch die müssen gelegentlich etwas genauer hinschauen. So wie hier zwischendurch einmal?
Karl Fabel Deutsche Schachblätter 1951 #1 (10+4)
Das sieht man doch sofort?! Also braucht ihr in einer Woche kaum die Lösung…
Lösung
Die weißen Bauern schlugen alle fehlenden schwarzen Steine einschließlich des [Lf8]. Also kann Schwarz zuletzt nicht g7-g5 gezogen haben (mit 1.h5xg6ep#) noch g7xXf6.
Also hat Schwarz keinen letzten Zug, ist also selbst am Zug: 0.– g4 1.hxg4#.
Laut Codex soll bei Aufgaben mit nicht-üblichem Anzug (wie hier) dies entweder angegeben werden oder sich durch Retroanalyse eindeutig erschließen lassen. Das lässt es sich hier!
Das Elsass lohnt immer, aber besonders jetzt im Herbst, einen Besuch: Vogesen und Rheintal, Straßburg und hübsche kleine Dörfer, Riesling und Zwiebelkuchen.
Aber auch schachlich hat das Elsass eine Menge zu bieten: So kommen Natch und iNatch hierher -– und das ursprüngliche „Elsässische Circe“, das Jean Zeller (27.7.1909-3.1.2002), natürlich Elsässer, vor 40 Jahren einführte und auf Vorschlag von Michel Caillaud diesen Namen trägt; ich hatte es 2013 hier im Blog schon vorgestellt.
Die Regel ist eigentlich recht einfach und macht es zu einem spannenden Grenzgänger zwischen Märchenschach und Retros:
Die Stellung einer Circeschach-Aufgabe muss im Diagramm und nach jedem (Einzel-)Zug auch orthodox legal sein.
Natürlich bietet sich eine Verallgemeinerung an, nämlich anstelle von Circe eine andere Märchenbedingung zu nutzen. (Die Stellung einer Aufgabe mit Märchenbedingung muss im Diagramm und nach jedem (Einzel-)Zug auch orthodox legal sein.) Das geht mit fast allen Bedingungen – wieso aber ist beispielsweise „Elsässisches Duellantenschach“ witzlos?
Ich hatte „Elsässisches Schach“ in einem Vortrag beim Schwalbetreffen 2013 in Sindelfingen vorgestellt (in erweiterter Form in Die Schwalbe, Dez. 2013, S.310f erschienen); Bernd Gräfrath hat es dann für Beweispartien genutzt und darüber in feenschach (Nov.-Dez. 2013, S. 386ff) berichtet; daraus möchte ich ein Stück zitieren.
Bernd gibt hierzu neben der Lösung fünf Verführungen an, die unter Schlagschach-Bedingungen legal sind, aber nicht unter den orthodoxen Regeln. So ist mit Zugumstellungen im Lösungsverlauf 5.bxc8=K möglich –- eine nicht so wirklich orthodox legale Umwandlung. Und da im Schlagschach der König keine königlichen Eigenschaften hat, gibt es auch Lösungen, in denen ein König „im Schach stehen bleibt“: auch das ist im orthodoxen Schach natürlich nicht möglich.
Die einzige Lösung, die sowohl nach den Schlagschach- als auch den orthodoxen Schachregeln legal ist, ist die folgende:
Hier ist auch die orthodoxe Beweispartie in sieben Zügen eindeutig –- das allerdings ist durch die Bedingung nicht zwingend gefordert.
Persönlich bin ich davon überzeugt, dass „elsässisches Schach“ noch viele interessante Möglichkeiten mit allen Forderungs-Typen und auch verschiedenen Märchenschach-Arten bietet -– der Retro-Anteil ist ja sozusagen „serienmäßig“ enthalten.
Interessant stelle ich mir auch Aufgaben vor, in denen eine Verführung (wie hier) gemäß der verwendeten Märchenbedingung legal, bezüglich der orthodoxen Regeln aber illegal ist und eine andere Verführung orthodox legal, bezüglich der verwendeten Märchenbedingung aber illegal ist.
Im Verteidigungsrückzüger ist die Verwendung von Pendelmanövern im Zusammenhang mit der „Zugwiederholungs-Regel“ sehr beliebt: Schwarz sucht sich durch einen guten Zug zu verteidigen, Weiß erzwingt dagegen Zug- und somit Stellungswiederholungen, denen dann Schwarz ausweichen muss, um die Stellung legal zu halten: In Retros gilt die Stellungswiederholungsregel automatisch, d.h. nach Erreichen einer Stellung zum dritten Male wäre die Partie automatisch remis: Deswegen kann sie im Rückwärtsspiel nicht legal auftreten, da dann ja aus einer bereits beendeten Partie weiter gespielt würde.
Auf eine raffinierte Idee verfällt Schwarz beim heutigen Beispiel; die Kommentare sind überwiegend dem Preisbericht (Richter-Trio: Brand/Gruber/Ring) aus feenschach Nr. 204 entnommen.
Günther Weeth feenschach 2012, W. Keym zum 70. Geburtstag, 2. Preis -12, dann #1, VRZ Proca (9+12)
Mit dem Schüssel verbessert Weiß die Schlagbilanz zu seinen Gunsten.
R 1.g4xBf5! Zz. führt zu folgender Retroanalyse: Die schwarzen Bauern schlugen 7x, davon 4x auf weißen Feldern (d7xc6, f7xe6xd5xc4). Die weißen Bauern schlugen 2x (cxd, fxe). Es ist nur noch ein schwarzes Schlagobjekt frei. Schwarz darf nicht g7-g6 zurücknehmen, da dann [Lf8] als Schlagobjekt entfiele und mit h7xg6xf5 zwei weitere Schläge durch Schwarz auf weißen Feldern hinzukämen. [Bb2] konnte nicht schlagen, konnte also nur unumgewandelt auf b6 geschlagen werden. Da auch [Lc1] nur auf b6, dem einzigen schwarzen Schlagfeld von Schwarz, ge-schlagen werden konnte, ergäbe sich ein Widerspruch.
Noch ein (dieses Mal junges) Turnier, das normalerweise im Rahmen der WCCC-Treffen veranstaltet, aber in diesem Jahr trotz dessen Absage ausgeschrieben wird. Beim 3. Murfatlar-Turnier sind Beweispartien mit Point Reflection gefordert. Einsendeschluss ist der 15. November 2020, die Preise (natürlich rumänische Murfatlar-Weine) werden beim nächsten WCCC übergeben.
Ein sicherlich interessantes Thema — auf den Preisbericht von Paul Răican, dem amtierenden Schwalbe-Retro-Richter, werde ich hier im Blog sicherlich eingehen.
Dass noch Rekorde für das Konstruktionsthema „letzter Zug“ unterboten werden, ist sehr selten, besonders für die Typen A (es wird nicht gesagt, wer am Zug ist, keine Partei steht im Schach) und B (es wird gesagt, wer am Zug ist, keine Partei steht im Schach).
2012 unterbot Andrew Buchanan einen damals 55 Jahre alten Rekord durch Einsparen eines ganzen Steines – das war eine Sensation, und das veranlasste das Richterteam Brand/Gruber/Ring, dafür einen Spezialpreis zu vergeben.
Andrew Buchanan feenschach 2012, Spezialpreis Letzter Zug? Typ B Schwarz am Zug (2+6)
Dieser Typ von Aufgaben ist im Rekordsinne meist schwer zu bauen, aber sehr einfach zu lösen. Das sollte auch hier rasch gehen… Trotzdem bringe ich hier in etwa einer Woche wie gewohnt die Lösung.
Lösung
R 1.Da7-a8
Der König kann nicht zurücknehmen: 1.Kb5-c6? Ba7-a6+ illegale Stellung. R 1.Ba7-a8=D? verhindert eine Öffnung des Nordwestknotens, ebenso Da7xXa8.
Der alte Rekord war:
V. Bartolović, R. Buljan, L. Loewenton, Zd. Maslar problem 1957, 1.-3. Ehrende Erwähnung Letzter Zug? Typ B Schwarz am Zug (7+2)
Heute erhielt ich die Ausschreibung zum diesjährigen Champagne-Turnier, wie immer (aus)gerichtet von Michel Caillaud.
“Moment!” höre ich den einen oder anderen von euch sagen: “Das Turnier gibt es doch immer zum WCCC, und das fällt doch dieses Jahr Corona-bedingt aus!” Beides stimmt, aber keine Regel ohne Ausnahme: Das Turnier findet trotzdem statt, Einsendeschluss ist das eigentliche Tagungsdatum (18.10.2020 — “Schwalbe-Sonntag”) — nur gibt es keinen Champagner zu gewinnen, sondern Jahres-Abos von Phénix und Lizenzen für WinChloe light. Und die Abgabe erfolgt nicht auf Rhodos, sondern ganz gewöhnlich per Mail.
Die Ausschreibung, in der ein sehr hübscher Effekt gefordert ist, ist auf französisch und englisch verfasst.