Nachdem wir in den letzten Wochen hier meist schon etwas ältere Aufgaben betrachtet haben, möchte ich heute zum Rücksprung in die Gegenwart ansetzen und eine Aufgabe vorstellen, die im Februarheft 2020 der Schwalbe erschienen ist.
Die Schwalbe 2020
Beweispartie in 26 Zügen (12+14)
Bei Weiß sind wir mit dem Zählen der sichtbaren Züge sehr schnell fertig. Bei Schwarz lohnt das schon eher: Wir sehen erst einmal 3+1+5+4+3+11=27 Züge: Upps, da kann doch etwas nicht stimmen, denn Schwarz hat nur 26 Züge gemacht. Wo kann man also einen Zug einsparen?
Eine Chance haben wir offensichtlich nur bei den Türmen: Dort hatte ich unter „statischer“ Berücksichtigung der Bauernstruktur und unter Vernachlässigung der anderen Steine gezählt: Th8-f8-f4-b4 und Ta8-c8-c4. Das kann auf dem Damenflügel schon nicht klappen, da dafür [Sb8] hätte ziehen müssen, dafür hat er aber definitiv keine Zeit.
Also muss Tb4 der [Ta8] sein mit Ta8-a4-b4 – und das wiederum setzt einen Kreuzschlag schwarzer Bauern auf der a- und b-Linie voraus. Das aber spart noch keinen Zug, das gelingt uns nur auf dem Königsflügel!
Und da müssen wir offensichtlich den gleichen Trick anwenden, auch hier müssen wir [Bg7] und [Bh7] überkreuz schlagen lassen, damit Schwarz Th4-h4-c4 spielen kann. Das ist besonders schön durch die schwarzen Steine auf h4, f4 und d4 verborgen.
Und nun sehen wir auch, was mit den vier fehlenden weißen Bauern passiert ist: Die müssen allesamt umgewandelt haben, um Schlagopfer für die Überkreuz-Schläge zu bilden. Schwarz hat ja weder Züge noch Schläge frei, also müssen sie dabei auch die fehlenden [Bc7] und [Bf7] zuhause geschlagen haben.
Damit sind noch sechs weiße Züge frei, die verwendet werden müssen, um die richtigen Schlagfelder erreichen zu können. Das sind offensichtlich c8=S-b6 und f8=S-g6 — die beiden anderen Umwandlungssteine von c8 und f8 haben also jeweils noch zwei Züge zur Verfügung, um sich auf a6 bzw. auf h4 (es muss g7-g5xh4 und h7xg6 erfolgt sein, alles andere dauert zu lange) zu opfern.
Das sollte dann nicht mehr allzu schwer zu lösen sein?
Ein ästhetischer Aspekt von Beweispartien ist, möglichst wenig des Lösungsverlaufs im Diagramm zu verraten. Dazu sind natürlich die Kreuzschläge wie hier ideal, da sie optisch alle vier Schläge verbergen; ließen die sich direkt in der Bauernstruktur des Diagramms ablesen, wäre das natürlich ein expliziteres Verraten von Lösungsdetails. Hier ist die Verbindung der Kreuzschläge mit jeweils Springer- und Dame-Ceriani-Frolkin-Umwandlung besonders elegant gelungen; in der Schreibweise der „future proof game“ Notation schaut das so aus: (CC&CF)(DS)&(CC&CF)(DS).
Kompliment, wirklich sehr ästhetisch!
Vielen Dank an Thomas fürs Zeigen dieser BP. Es hat lange genauert, bis das Schema endlich stand. Das Extrahieren einer eindeutigen Zugfolge war nach ein wenig Probieren überraschend schnell von Erfolg gekrönt. Ich denke auch, dass diese BP recht ästhetisch auf die Leser/Löser wirken könnte, denn eine Homebase ist irgendwie schon anregend und damit gibt es auf weißer Seite auch nur thematische Züge. Andere ähnliche BPs mit zwei Überkreuzschlägen von Ceriani-Frolkin-Steinen (etwa Dupont+Baier) haben manchmal den Nachteil, dass sowieso ein Bauer um den anderen herum muss. Das ist hier nicht der Fall. In dieser perfekten Form ist das erst die zweite BP nach der P1080537. Aus dem Schema ließen sich auch noch zwei Beweispartien mit Zickzackschlägen von vier weißen CF-Steinen herausfiltern (siehe eine Schwalbe später und die LB dazu). Das ist noch deutlich anspruchsvoller, da die schwarzen Türme dann nur einmal ziehen dürfen und man irgendwie die schwarzen Züge zusammenbekommen muss.