Kürzlich hatte ich schon auf die vielen Beiträge im Dezember-Doppelheft der Schwalbe hingewiesen, die für uns Retro-Freunde besonders interessant sind. Darunter ist „natürlich“ auch der Preisbericht der 2015er Urdrucke von Mario Richter.
Den 1. Preis von Nicolas Dupont und Silvio Baier hatte ich bereits im Retro der Woche 33/2019 vorgestellt: die volle Punktzahl hat er im FIDE-Album erhalten.
Heute soll es nun um den 3. Preis gehen, ein deutlich kürzeres Stück, das damit hoffentlich auch mehr zum Selbstlösen einlädt?!
Die Schwalbe 2015, 3. Preis
Beweispartie in 21 Zügen (13+13)
Zunächst fällt auf, dass sowohl bei Schwarz aus auch bei Weiß drei Königsflügel-Bauern fehlen. Und der schwarze Tripelbauer auf der c-Linie verrät schon, dass zumindest zwei weiße umgewandelt haben müssen, denn anders können die beiden Schläge nicht erklärt werden. Entweder wurden dort weiße Originalsteine geschlagen, die von den Umwandlungssteinen ersetzt wurden, oder direkt die Umwandlungssteine selbst.
Um das zumindest vorzuklären, zählen wir die sichtbaren weißen Züge: 2+1+0+0+3+3=9 – damit bleiben 12 weiße Züge frei. Damit ist klar, dass die beiden Umwandlungssteine nur jeweils einen Zug zur Verfügung hatten – damit müssen sie selbst geschlagen worden sein. Und wir können daraus schließen, dass sie auf d8 oder auf e8 umgewandelt haben, um dann nach c6 zu ziehen, um dort geschlagen zu werden.
Nun zählen wir die sichtbaren schwarzen Züge: 0+0+2+2+0+3=7 – 14 freie schwarze Züge. Weiß hatte wohl die Möglichkeit, den [Be7] zu schlagen, nicht aber [Bg7] und [Bh7], die sich deswegen beide auf g1 (Schlagbilanz!) umwandeln mussten. Die beiden Steine haben dann zusammen vier Züge Zeit zu verschwinden.
Und damit scheidet die Möglichkeit aus, dass Weiß auf e8 umgewandelt hat: Denn dafür hätte [Ke8] sich zwei Felder von e8 entfernen müssen — nach d7 zu ziehen reicht ja nicht, da er dann für Le8-c6 im Wege stünde — und zurück müsste er auch wieder. Dann aber müssten beide Umwandlungssteine durch Weiß auf g1 geschlagen worden sein, dafür hat Weiß aber keine Zeit.
Damit haben wir zwei weiße Umwandlungen auf d8 mit den weißen Schlägen fxe7xd8=S und e7xd8=S – warum kann [Be2] nicht schon früher geschlagen haben?
Und nun gilt es „nur noch“ herauszufinden, welche Steine Weiß denn nun auf d8 geschlagen hat? Das ist sicher nicht mehr schwer.
Dazu schriebt Richter Mario Richter (sorry, das Wortspiel musste nun sein…): „Damit die Bauern d8 erreichen können, opfert sich zunächst die Original-sD, dann eine erste auf g1 entstandene sD; zum Schluß kehrt eine zweite auf g1 entstandene sD nach d8 zurück (Pronkin-dd). Das alles ist sehr harmonisch und auch ökonomisch in Szene gesetzt, so daß die Löser zurecht begeistert waren.“
Ich hoffe, ihr auch?!
Yes, I am ‘begeistert’.
Euclide used a whole 13 minutes to find the solution.
Prinzipiell könnte ein weißer Bauer auch auf f8 umwandeln und nach c5 gehen. Glücklicherweise konnte ich das Konstrukt d4, Lb1, Td3 finden. Es verhindert die schnelle Umwandlung auf g1 und sperrt den Rückweg eines schwarzen Läufers übr c5 und jenen einer Dame über d4. Außerdem muss der Lc8 schnell raus – deshalb erst d:c6.
Die Aufgabe zeigt das Thema des 11. WCCT sehr harmonisch. Meine Befürchtung, dass fast alle einigermaßen ambitionierten Aufgaben zu diesem Komplex schon veröffentlicht sind, hat sich zum Glück nicht erfüllt.