Retro der Woche 28/2020

In der gerade erschienenen Ausgabe Juli-September 2020 von StrateGems ist bereits der Retro- und der Beweispartien-Preisbericht für das Jahr 2019 veröffentlicht. Wenn das so schnell geht, kann man beinahe sicher den Richter raten: Hans Gruber. Er wird in diesem Heft speziell als Preisrichter vorgestellt –mit mehr als 300 Berichten in mehr als 30 Ländern!

Von den 15 Aufgaben in der Nicht-Beweispartien-Abteilung waren 13 Anticirce-Verteidigungsrückzüger; alle vier Auszeichnungen gingen an diese Gruppe. Ich möchte euch den Preis (noch eine ehrende Erwähnung für Weeth / Wenda sowie zwei Lobe für Aufgaben von Andreas Thoma) vorstellen:

Günther Weeth & Klaus Wenda
StrateGems 2019, Preis
s#1 vor 10 Zügen, Verteidigungsrückzüger Typ Klan, Anticirce Calvet (6+10)

 

Weiß will also ein einzügiges Selbstmatt vor zehn Zügen erzwingen; Schwarz versucht sich zu verteidigen, indem er legale Züge zurückspielt, die diese Vorwärtsforderung möglichst verhindern. Beim Typ Klan (KLaus Wenda & ANdreas Thoma) bestimmt Weiß jeweils ob und was legal entschlagen wird, bei den älteren Typen Proca und Høeg bestimmt die die Partei am Zug bzw. die Gegenpartei.

Soweit der „ganz normale“ Verteidigungsrückzüger, hier kommt nun Anticirce hinzu: Dabei wird nicht wie beim „normalen“ Circe das Schlagopfer wiedergeboren, sondern der „Schläger erscheint auf seinem circensischen Feld der Partieanfangsstellung (PAS) wieder; ist dieses besetzt, ist der Schlag illegal und damit nicht möglich.

Hier gilt es, zwei mögliche Interpretationen der letzten Regel zu berücksichtigen: Man könnte sagen, dass das Schlagen auf das eigene PAS-Feld verboten sei, da das Feld ja (vor dem Schlag) besetzt sei. Genauso gut kann man argumentieren, dass der Schlag aufs eigene PAS-Feld zulässig sei, da das Feld ja nach Schlag und vor der circensischen Wiedererstehung ja frei sei. Die erste Alternative trägt den Namen „Cheylan“, die zweite den Namen „Calvet“.

Hier bestimmt also Weiß jeweils bei möglichen Schlägen, ob und was entschlagen wurde, und der Schlag aufs PAS-Feld des Schlägers ist zulässig.

Bei Anticirce-Verteidigungsrückzügern sind einerseits die Entschlagmöglichkeiten drastisch reduziert, weil ja nur Steine auf ihrem PAS-Feld entschlagen können -– das aber drastisch die Möglichkeiten erweiternd quasi überall auf dem Brett!

Weiterlesen

Problemas Juli 2020

Danach kann man beinahe die Uhr stellen: Pünktlich zum neuen Quartal erscheint die Juli-2020-Ausgabe von Problemas, dem Bulletin der spanischen Problemschach-Vereinigung, zum Download.

Wie immer gibt es viel, dieses Mal 44 Seiten, interessanten Lesestoff für jeden Problemschachfreund, natürlich auch für uns Retroleute: Eine paar Märchenretros zum Lösen, ein wieder sehr interessanter Artikel von Chris Tylor und Andrej Frolkin mit Beweispartien unter der #R Bedingung: Nach einem Mattzug wird der mattbietende Stein (oder auch mehrere mattbietende Steine) entfernt, und es geht weiter, als sei nichts geschehen.

Besonders interessant sind auch die Cooks mehrerer früherer bei Problemas erschienener Retros von Dmitrij Baibikow sowie verschiedene Korrekturen dazu. Und die doppelte Buchbesprechung (Keym: Anything but Average und Thoma: Vertrackte Retraktoren) wollt ihr sicher auch nicht verpassen.

Darüber hinaus natürlich wie immer Lesestoff zu quasi allen Gebieten des Problemschachs mit Schwerpunkten auf Zweizüger und Studien.

Viel Spaß wieder dabei!

Problemschach in Kanada

Gerade ist die 18. Ausgabe des ChessProblems.ca Bulletin zum Download erschienen. Wie immer hübsch gemacht liegt der Schwerpunkt dieser Ausgabe wie auch des kanadischen Problemschachs auf Serienzügern, aber auch auf Retros: So enthält diese Ausgabe einen ausführlichen Artikel von Jeff Coakley & Andrej Frolkin über Rebus-Probleme, und unter den “Recently Honoured Canadian Compositions” finden sich auffällig viele Retros.

Viel toller Lesestoff!

Retro der Woche 27/2020

Vor zwei Wochen hatte ich es bereits im Retro der Woche 25/2020 angekündigt, dass ich heute eine Beweispartie wiederum aus Phénix 2019 vorstellen möchte, die mit der dort gezeigten interessant zu vergleichen ist.

Michel Caillaud
Phénix 2019, Pascal Wassong gewidmet
Beweispartie in 20,5 Zügen (13+15)

 

Hier haben wir wiederum eine sehr „übersichtliche“ Menge an sichtbaren weißen Zügen: Genau zwei, mit denen der einzige fehlende schwarze Stein, [Ba7], geschlagen wurde. Bei Weiß fehlen [Lf1], [Bh2] sowie ein Springer. Besonders interessant ist natürlich der fehlende [Lf1], der ja nur zu Hause geschlagen worden sein kann.

Als Schläger bietet sich erst einmal der Se5 an – zählen wir die dann erforderlichen schwarzen Züge.

Weiterlesen

Retro der Woche 26/2020

Bei Schach-960 (wir erinnern uns: Die Anfangsstellung wird ausgelost und spiegelsymmetrisch für Schwarz und Weiß aufgebaut, dabei stehen der König immer zwischen den Türmen und die Läufer auf ungleichfarbigen Feldern; die Rochaden sind im Endeffekt „wie im Normalschach“) ist das Lösen von Beweispartien normalerweise komplexer als sonst, da aus der Stellung neben der Zugfolge auch die initiale Partiestellung abgeleitet werden muss.

Bei der heutigen Aufgabe des finnischen Schach-960-Spezialisten Per Olin ist die Situation noch komplizierter, da wir nicht einmal die Zielstellung der Beweispartie kennen!

Per Olin
feenschach 2011, Hanno Harkola gewidmet
Eine Schach-960 Partie endete nach dem 62. Zug von Schwarz remis gemäß der 50-Züge-Regel. Wie war die Partieanfangsstellung und wie verlief die Partie bis zum 12. Zug von Schwarz? (12+13)

 

Aus dem Hinweis auf die 50-Züge-Regel wissen wir allerdings, dass sich die Bauernstruktur zwischen dem 12. Zug und dem Erreichen der Diagrammstellung nicht mehr verändert hat. Also müssen wir die als Basis für unsere Stellungsanalyse nehmen, die uns dann zur Lösung führen soll. Auch müssen alle Schlagfälle bis zum 12. Zug erfolgt sein.

Wir zählen sieben weiße Bauernzüge, also haben die vier fehlenden weißen Steine maximal fünf Züge gemacht; nur ein weißer Stein kann zweimal gezogen haben. Bei Schwarz sehen wir sechs Bauernzüge, zusätzliche zwei Züge für den schwarzen Turm im Käfig auf der h-Linie. Weiter stellen wir fest, dass der fehlende schwarze Springer zwei Züge gemacht haben muss, um sich schlagen zu lassen. Damit bleiben für die beiden anderen fehlenden schwarzen Steine, Dame und Turm, nur jeweils ein Zug übrig. Deswegen müssen der schwarze Turm auf a8 oder b8 gestanden haben, die schwarze Dame auf a8, b8 oder g8.

Weiterlesen

C wie Corona

Nicht nur SCHACH veranstaltet ein Corona-Turnier (siehe hier die Ausschreibung), sondern auch von den Organisatoren des abgesagten Sachsen-Treffens wurde ein solches organisiert: Gefordert war ein „C“ im Diagramm in den Rubriken Matt, Selbstmatt und Hilfsmatt.

Das allein das „C“ nicht ausreichte, um thematisch zu sein, musste Bernd Gräfrath erfahren: Wie aber sollte man seine „Ergänze zu einer Beweispartie“ Aufgabe (siehe dazu die Februar- und April-Hefte 2020 der Schwalbe) etwa mit den eingesandten Selbstmatts vergleichen?

So kam er auf die gute Idee, die Aufgabe hier als Urdruck zu veröffentlichen – das solltet ihr euch „zwischendurch“ mal genau anschauen!

Bernd Gräfrath
Urdruck
Ergänze zu einer Beweispartie in 7 Zügen (1+4)

 

Es ist schon verblüffend, dass diese fünf Steine ausreichen, um die Beweispartie eindeutig zu determinieren.

Viel Spaß beim Lösen; die Lösung kommt hier wie immer in etwa einer Woche.

—————

Lösung

Das hat Bernd mit Jacobi geprüft mit der Vorgabe, dass Th8-h6 geschah.

Retro der Woche 25/2020

Heute und in zwei Wochen möchte ich euch jeweils eine interessante Beweispartie aus dem letzten Jahr vorstellen, die in Phénix veröffentlicht wurde. Beide sind hoch originell und haben thematische Ähnlichkeiten, die das Vergleichen doppelt interessant machen.

Pascal Wassong
Phénix 2019
Beweispartie in 19,5 Zügen (16+15)

 

Das Brett ist ziemlich voll: Es fehlt nur [Bd7], der offensichtlich auf d3 geschlagen wurde. Und dieser Schlagzug ist neben h3 der einzige sichtbare weiße Zug.

Aber das sollte uns jetzt im Löse-Sinne nicht beunruhigen, dass 18 weiße Züge noch frei sind: Umwandlungen können wir zwar auf beiden Seiten ausschließen, aber irgendwie muss ja sTh2 in den weißen Königsflügel gelangt sein…

Weiterlesen

Schwalbe 303

Die Juni-2020-Ausgabe der Schwalbe bietet wieder 60 Seiten konzentrierten Problem-Lese- und Lösestoff. Aus den allesamt interessanten Artikeln möchte ich nur den Bericht zum Konstruktions- und Lösewettbewerb 2018 hervorheben sowie euch Retrofreunden besonders den Beitrag “Entschlag auf der Fesselungslinie” ans Herz legen:

Ich hatte mich riesig gefreut, als ich Anfang des Jahres Kontakt zu Harry Goldsteen bekam, von dem ich lange Zeit keine Aufgaben mehr gesehen hatte — und der sich nun mit zwei echten “Krachern” bei mir meldete. Den ersten konntet ihr schon im Urdruckteil des Aprilhefts bewundern, den zweiten nun hier in dem kleinen Aufsatz, der mir in Absprache mit Harry zur Publikation besser geeignet erschien als der Urdruckteil, in dem dieses Mal wieder neun abwechslungsreiche Aufgaben auf eure Lösungen und Kommentare warten.

Viel Spaß!