Wenn sich das Schachbrett vor unseren Augen dreht, kann das daran liegen, dass es auf einer Tortenplatte steht, zum Beispiel auf der berühmten von Dr. Ernst Bachl. Oder das liegt an dem einen oder anderen Silvesterpunsch zu viel.
Wenn sich aber nur das Zentrum des Bretts dreht, dann liegt das wahrscheinlich an der Märchenschach-Bedingung „Actuated Revolving Centre“!
Deren Regel ist eigentlich ganz einfach: Nach einem Zug ins Zentrum (Felder d4 e4 d5 e5) oder aus dem Zentrum heraus dreht sich das Zentrum mit all seinen Steinen darin um 90° im Uhrzeigersinn.
Zum Jahreswechsel lädt uns Michael Barth ein, zwischendurch ins Rotieren zu kommen. Wer rotiert mit?
Michael Barth Urdruck 31.12.2021 Beweispartie in 5 Zügen, Actuated Revolving Center (16+16)
Die Lösung findet ihr hier im kommenden Jahr — etwas konkreter: etwa in einer Woche!
Und nun wünsche ich euch einen schönen Silvestertag, kommt gut ins neue Jahr, dort sehen wir uns dann hoffentlich gesund und munter wieder!
Hier die Lösung:
Lösung
(“D” bedeutet Drehung des Zentrums)
1.e2-e4 D d7-d5 D 2.d5-d6 D Lc8-f5 3.d2-d4 D e7-e5 D 4.e5-e6 D d4-d3 D 5.Lc1-f4 e4-e3 D
Da zeigt Michael jeweils zwei weiße und zwei schwarze schlagfreie Betrüger-Bauern, ähnlich den orthodoxen Kreuzschlägen — wenn das nicht spezifisch ist für diese interessante Bedingung!
Eben erhielt ich von Andrej Frolkin die Mitteilung, dass der Längenrekord für orthodoxe Beweispartien, der hier am ersten Weihnachtstag urgedruckt wurde, doch noch defekt ist:
In den letzten Wochen haben wir uns intensiv mit der Geschichte der Längenrekorde eindeutiger Beweispartien beschäftigt, die dann gestern hier ihren Höhepunkt im neuen Rekord fand.
Darum möchte ich heute einerseits die Retro-Art wechseln, andererseits auch ganz aktuell werden; ich möchte euch heute einen orthodoxen Verteidigungsrückzüger vorstellen, der im Juni 2021 in der Schwalbe veröffentlicht wurde und mir sehr gut gefällt. Ihr erinnert euch? Beim Typ “Proca” bestimmt die schlagende Partei, welcher gegnerische Stein geschlagen wurde.
Joaquim Crusats Die Schwalbe 2021 #1 vor 6 Zügen, VRZ Proca (15+12)
Bei so vielen Steinen auf dem Brett, von denen wahrscheinlich einige nicht am Rückspiel bzw. dem Matt teilhaben werden, lohnen sich häufig ein paar retroanalytische Überlegungen vor.
Umwandlungen haben nicht stattgefunden, da alle 16 Bauern auf dem Brett stehen. Bei Weiß fehlt nur [Lf1], der auf b5 geschlagen wurde. Bei Schwarz fehlen Dame, Turm, (schwarzfeldriger) Läufer und Springer; die weiße Bauernstellung verrät nichts über mögliche Schlagfelder.
Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass Schwarz retropatt ist, er im Moment überhaupt keine Zugrücknahme zur Verfügung hat.
Also müssen wir mit dem Schlüssel Schwarz eine Rücknahme ermöglichen, um uns dann um das Matt zu kümmern.
Nachtrag 31.12.2021:
Leider ist der Versuch noch nebenlösig!
Am vierten Advent hatte ich noch gefragt, wie lange eurer Meinung nach der bestehende Längenrekord für (orthodoxe) Beweispartien wohl noch Bestand haben werde — und sechs Tage später präsentieren vier Autoren ihre Überbietung!! (OK, ich gebe zu: Als ich die Frage stellte, kannte ich schon die Antwort…)
Vor knapp fünf Jahren war der Versuch der ersten drei Autoren noch von Boris Tummes gekocht worden, nun hat er das Autorenteam verstärkt — und herausgekommen ist eine Beweispartie, die nun drei Halbzüge länger ist als der bisherige Rekord.
Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym & Boris Tummes Urdruck Beweispartie in 59 Zügen (14+14)
Kurz noch einmal zur Geschichte:
In den Jahren 1988/89 arbeiteten Pronkin und Frolkin elf Monate lang mit Hunderten von Positionen. Eine erste Rekordfassung (mit 58,0 Zügen) erschien in der Schwalbe im Juni 1989, eine kleine Korrektur (mit 57,5 Zügen), der bisherige Rekord, im Februar 1990. 2016 unternahm Frolkin, von Keym unterstützt, einen zweiten Versuch (Die Schwalbe , Februar 2017); doch wurde ihre Beweispartie (58,5 Züge) von Tummes als dualistisch nachgewiesen (Die Schwalbe, April 2018). In einem dritten Anlauf gelang Frolkin im Dezember 2021 gemeinsam mit Keym und Tummes der Durchbruch, der neue Rekord mit 59,0 Zügen.
Ich will euch gar nicht empfehlen, die Aufgabe selbst zu lösen — wer das dennoch machen will, wer noch weiter prüfen will, ist natürlich herzlich eingeladen!
Ansonsten: Spielt zuerst einmal die Lösung genüsslich durch, stellt euch für die nächsten Male im Prinzip die gleichen Fragen, wie ich sie für den alten Rekord vorgeschlagen hatte — und zum Schluss versucht einmal die Kniffe zu ergründen, mit denen den fantastischen Vier die Verlängerung gelang? Viel Spaß und anregende Beschäftigung wünsche ich euch dabei!
Lösung
Und den Vieren gilt mein herzlicher Glückwunsch zu dieser Großtat — und mein ebensolcher Dank, dass sie mir die Ehre zuteilwerden ließen, diese Superaufgabe hier im Blog urzudrucken und damit auf einen sicheren ersten Preis in einem beliebigen Informalturnier zu verzichten. Übrigens soll in der Schwalbe 2022 hierzu ein Aufsatz „aus erster Hand“ erscheinen, auf den ich schon sehr gespannt bin.
Am heutigen ersten Weihnachtstag gehen herzliche Glückwünsche nach Finnland, wo Unto Heinonen seinen 75. Geburtstag feiert.
Unto ist uns Retrofreunden besonders als vielseitiger Komponist von Beweispartien bekannt, er ist aber auch sehr fleißig und erfolgreich im Bereich des Märchenschachs, wo er ein besonders produktiver Mitarbeiter der Augsburger Problemkiste war — allein dort sind über 1000 seiner Aufgaben erschienen.
Seine Beweispartien — die PDB enthält 190, von denen 58 in der Schwalbe erschienen sind — sind immer abwechslungsreich, zeichnen sich stets durch Originalität und Qualität aus. Nicht umsonst habe ich schon 15 seiner Stücke im der „Retro der Woche“ Rubrik veröffentlicht.
Heute möchte ich von Unto eine Synthese aus orthodoxer Beweispartie und Märchenschach vorstellen; viel Spaß beim Lösen!
Unto Heinonen StrateGems 2001 Beweispartie in 8,5 Zügen — b) Beweispartie in 8 Zügen, Madrasi (14+12)
Und wie stets folgt die Lösung hier in etwa einer Woche.
Frohe Weihnachten Schöni Wienacht Merry Christmas Zalig Kerstfeest Feliz Navidad Buon Natale Joyeux Noël З Рiздвом Христовым С Рождеством Христос се роди メリークリスマス 圣诞节快乐 Glædelig Jul Hyvää Joulua God Jul
Euch allen wünsche ich ein frohes, ein schönes, ein ruhiges, ein friedliches und besinnliches Weihnachtsfest 2021!
Vielleicht habt ihr ja jetzt an den Feiertagen Zeit, Lust und Muße, zwischendurch eine hübsche kleine Retroaufgabe zu lösen?
Bengt Giöbel & Frithjof Lindgren Eskilstuna-Kuriren 1948 (Verbesserung) -1w, dann #2; b) alle Steine ein Feld nach rechts (10+2)
Viel Spaß dabei, und lasst euch dabei die Weihnachtsplätzchen schmecken! Die Auflösung gibt es wie immer in etwa einer Woche hier!
Und morgen, am 25.12., schaut hier unbedingt vorbei, da gibt es Bescherung!
Hier nun die Lösung:
Lösung
a) R 1.Ke1-d1 & vor: 1.O-O-O! Ke2 2.Td2#
b) R 1.Td1-b1 & vor: 1.O-O! Ke2 2.Tfe1#
Nachdem ich vor drei Wochen hier den Fabel’schen Längenrekord von 1947 und letzte Woche dessen Überbietung von Michel Caillaud aus dem Jahre 1982 vorgestellt hatte, will ich heute die Geschichte der Beweispartie-Längenrekorde weitererzählen.
Karl-Heinz Bachmann verbesserte 1987 mit einigen technischen Kniffen in ähnlichem Schema den Rekord auf 48 Züge (P0002277) – und dann kam ein Riesensprung: Dimitri Pronkin und Andrej Frolkin schraubten den Rekord auf unglaubliche 57,5 Züge!
Das konnte natürlich nur mit einer gänzlich anderen Grundidee funktionieren, denn das Fabel-Schema hatten Caillaud und Bachmann großartig ausgeschöpft. Pronkin und Frolkin hatten die aberwitzig erscheinende Idee, das Thema mit einer Anhäufung von Umwandlungen anzugehen.
Dimitri Pronkin und Andrej Frolkin Die Schwalbe 1989, Preis Beweispartie in 57,5 Zügen (14+14)
Eine auf den ersten (und auch noch den zweiten und dritten) Blick schier unglaubliche Stellung mit jeweils acht Türmen – die beiden anderen Bauern müssen jeweils geschlagen werden, um Schneisen für die Umwandlungsbauern zu schaffen. Also nicht nur ein Längenrekord, sondern auch eine materialökonomische Aufgabe, die durch die Einheitlichkeit der Umwandlungen und die „aristokratische“ Stellung ohne Bauern nicht einfach „nur“ ein unglaublicher Rekord ist, sondern auch seine ästhetischen Reize hat.
feenschach wirft wieder seine Schatten voraus: Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Hefte 246 und 247 druckfrisch in die Post kommen.
Um aber sicher die Schlusstermine für das FIDE-Album 2019-2021 und WCCI zu treffen, stehen die Urdrucke schon auf der feenschach-Seite zum Download bereit — darunter sind auch 20 Retros! Viel Spaß und Erfolg beim Lösen!
Und wo Urdrucke sind, sind auch Bemerkungen und Berichtigungen nicht weit: Auf hier gibt es eine Aktualisierung, die neue B&B-Datei deckt die Jahrgänge 2008 bis 2021 ab, auch die ist auf der feenschach-Seite zu finden.