Vor zwei Wochen hatte ich hier eine der beiden Aufgaben vorgestellt, die sich im Ceriani-Gedenkturnier, dessen Preisbericht vor genau 50 Jahren in Die Schwalbe erschien, die beiden Preise teilte; heute ist nun die andere Aufgabe an der Reihe.
Deren Autor, Josef Haas (28.1.1922—Nov. 2003), war Kriminalbeamter, und seine Retros zeigen immer wieder die Notwendigkeit kriminalistischen Gespürs für das Erschließen der Lösung; die Auswahl seiner Retro-Aufgaben, die er im Jahr 1999 im Eigenverlag veröffentlichte, träge den bezeichnenden Titel „Tatort Schachbrett“ – übrigens eine sehr empfehlenswerte Lektüre!
Ceriani-Gedenkturnier, Preis ex aequo
Weiß nimmt 1 Zug zurück und setzt in 2 Zügen matt. b) wBb7 > h2 (11+11)
Bei Aufgaben dieser Art ist nicht nur das Finden der beiden Lösungen interessant, sondern auch stets die Begründung, weshalb die Lösung des einen Teils nicht im anderen funktioniert — solange dies nicht durch die Zwillingsbildung schon mechanisch ausgeschlossen ist.
Die Aufgabe ist recht komplex, deswegen greife ich hier gern auf die Lösungsangaben von Karl Fabel zurück, die er in „Meisterwerke der Retroanalyse“ (bearbeitet von Werner Keym in sechs immer noch sehr lesenswerten Folgen im Schwalbe-Jahrgang 1981 erschienen) veröffentlicht hat. Dabei bleibt euch immer noch etwas an „Eigenarbeit“ für das komplette Verständnis der Aufgabe. Aber die lohnt, das verspreche ich euch!
„Die Lösung der Diagrammstellung lautet: Zurück Sc2xLa1 und vorwärts 1.Sca3+ Kb2/c1 2.Dc2#. In der Zwillingsfassung führt zum Ziel: Zurück Bg5xBf6e.p.+ und dann 1.O-O+ Ld1 2.Txd1#. Der Hauptinhalt des Problems besteht in dem Beweis, daß in jeder der beiden Stellungen nur eine der beiden scheinbar möglichen Lösungen zulässig ist, während die andere an der Retroanalyse scheitert. Es kann hier nicht jedes Detail angegeben werden, und dem Leser soll auch nicht der Genuss der Retroanalyse geraubt werden. Immerhin sei doch auf folgendes hingewiesen: Führt man Lf3 nach c8 zurück, so sperrt man den wTa8 ein und 1 sT aus; in dieser Stellung mit 5 w. und 5 schw. Schlagfällen müssen sich die sBB h und g (nach sBgxwBh) auf h1 verwandelt haben: die Rochade ist unzulässig, und die Rücknahme Sc2xLa1 ist illegal. Da ist es schon besser, den sLf8 auf f8 durch eine w. Figur schlagen und den sLf3 auf f1 oder h1 durch Umwandlung entstehen zu lassen. — Wird in der Diagrammstellung auf al ein weiterer L aufs Brett gestellt, so muss dieser zur Entwandlung nach g1 zurück. Beide LL sind in diesem Fall durch die schlaglose Umwandlung der sBB g und h entstanden. Würde hingegen durch Rücknahme des e.p.-Schlages ein wB auf die g-Linie gebracht, so müsste der wTh1 gezogen haben, um sBh2-h1L zu gestatten; damit entfiele die Rochade und das Matt in 2 Zügen.
Durch die Versetzung von Bb7 nach h2 ändert sich das ganze Bild. Jetzt könnte sich ein auf a1 entschlagener sL nicht mehr auf g1 entwandeln, sondern müsste auf e1 entstanden sein; dann reichte es aber mit den Schlagfällen nicht mehr. Dagegen sind die Rücknahme des e.p.-Schlages und die Rochade zulässig: wBg2 hat den sBh und auf g4 oder g5 einen sS geschlagen, während sBg7 nach g2 zog und sBg2xLf1L geschah. Eine sehr verwickelte Angelegenheit!“
Auch wenn ich nun die eigentliche Lösung hier bereits verraten habe, so werdet ihr sicher feststellen, dass es zu deren tieferen Durchdringen noch des einen oder anderen Retro-Gedanken bedarf. Den gönnt euch – viel Spaß und Erfolg dabei!
A very complicated analysis.