Den ersten Preis der Beweispartien im Retro-Preisbericht 2012 in StrateGems hatten wir uns in der letzten Woche hier angeschaut. Die beiden erstplatzierten „übrigen Retros“ gab es schon im Retro der Woche 28/2013 sowie 2/2016 zu bewundern; ein Blick auf diese beiden Stücke lohnt noch immer.
Dennoch möchte ich noch ein mal auf diesen Bericht zurückkommen, um mal wieder ein Märchen-Retro zu zeigen.
StrateGems 2012, 1. Lob
Ergänze KTBktbb zu einem Illegal Cluster, Circe. b) sBh3>h2 (14+15)
(Groß geschriebene Buchstaben kennzeichnen weiße, klein geschriebene schwarze Steine.) Wir erinnern uns: Ein Illegal Cluster ist eine illegale Stellung, die durch Entfernung jedes einzelnen Steines (natürlich außer der Könige) legal wird.
„Circe“ ändert keine Zugwege, aber Durchführung und auch Möglichkeiten von Schlagfällen. In Retros ist das Entschlagen eines Steins daran gebunden, dass er „Circegerecht“ auf dem Schlagfeld erscheinen kann: Dafür muss das Partieausgangsfeld des Schlagopfers besetzt sein: Steht das Schlagopfer selbst dort, so wird es mit dem Entschlag von dort wegbewegt, ansonsten ganz normal ergänzt. Ist das Partieausgangsfeld allerdings leer, so ist der Entschlag unmöglich.
Wie kann uns dieser Unterschied zum orthodoxen Schach nun helfen, eine Idee für das Lösen dieses Illegal Clusters zu finden?
Das könnte eine Stellung sein, in der ein König im Schach steht, und das nach der Rücknahme eines Schachgebots illegal bleibt, weil ein Entschlag nur aus Circe-Gründen unmöglich ist: Entschlag durch Schwarz oder Entschlag durch Weiß.
Irgend eine Bedeutung muss ja das „Loch“ auf h4 haben; versuchen wir doch, das für ein solches Schachgebot auszunutzen. Ergänzen wir dort den schwarzen Turm, auf g4 den schwarzen König, so können wir die Schachstellung durch wTf4 und wKe4 ausbauen. Wenn Weiß das Schachgebot zurück nimmt, kann auf f4 aus Circe-Gründen kein Stein entschlagen worden sein; also müsste die Rücknahme eines Königszuges auf der g-Linie ebenfalls schlagfrei erfolgen – und das wäre ein illegales Schach gegen den weißen König. Das ist übrigens der Grund, weshalb wir den auf e4 und nicht etwa auf d4 einfügen: Dann wäre nämlich nach R: Tf~-f4+ Kf4-g4! eine legale Rücknahme.
So aber könnte natürlich Bh7-h5 zurückgenommen werden; das können wir durch Einfügen von sBh6h7 unmöglich machen.
Und wofür brauchen wir nun noch den weißen Bauern? Den müssen wir nach f2 stellen: Ohne ihn ginge nämlich R: Tf1-f4+ Kg3/5xLg4! Und das verhindert der weiße Bauer. Also haben wir hier ein schwarzes Retropatt.
Was ändert sich, wenn wir nun den h3-Bauern ein Feld nach unten verschieben? Zunächst einmal: Unser Turm-Käfig funktioniert nun nicht mehr.
Aber vielleicht kann man damit den weißen König auf h1 einmauern? Die beiden übrigen weißen Steine fixieren wir leicht im Nordosten: wTh6, wBh7 und sTg6. Wenn wir nun bei wKh1 noch sBg2 und sBf2 ergänzen, so haben wir schon mal R: Kg1-h1 verhindert, aber Schwarz kann zum Schach gegen den weißen König nach g2 geschlagen haben (z.B. f3xBg2+), aber damit wäre Weiß nun retropatt! Aber Achtung, Schwarz kann ja auch z.B. f3xTg2+ entschlagen!
Das aber kann der schwarze König verhindern, den wir ja eh noch einsetzen müssen: auf g3. Denn dann kann Weiß das Schachgebot gegen den schwarzen König nicht zurücknehmen! Aber das stimmt doch auch, wenn wir sKg4 ergänzen – also doch noch eine Nebenlösung? Nein, denn dann ist die Diagrammstellung einfach legal wegen R: 1.– g3-g2+ 2.Kg2-h1 etc.
Preisrichter Henrik Juel fasste zusammen: „Neat diagram position without kings, nice twinning, and analogy between solutions: black and white retro-stalemate.“
I had forgotten all about this fine Illegal Cluster.
Kleiner Fehler im Lösungsdiagramm a): dort sollten sT und sK wohl die Plätze tauschen …
Bei b) wollte ich schon “Nebenlösung: statt sBf2 geht auch sBh3!” rufen, aber Thomas’ Anmerkung “Schwarz kann ja auch z.B. f3xTg2+ entschlagen!” greift natürlich auch hier.
Nette Kleinigkeit, die es schafft, auch Märchen-Abstinenzlern wie mir einige circe-spezifische Tricks nahezubringen.