Bleiben wir noch bei den Schwalbe-Retros des Jahrgangs 2015. Daraus möchte ich euch heute das aus meiner Sicht absolute Glanzstück, den ersten Preis aus der Abteilung der klassischen Retros vorführen – „ein Werk von nahezu epischer Breite“ (Preisrichter Mario Richter).
Die Schwalbe 2015, W. Dittmann zum Gedenken, 1. Preis
#1 vor 187 Zügen, VRZ (10+15)
Das ist eine herausfordernde Zügezahl, aber das Stück erschießt sich nicht ganz so schwer. Auffällig sind die schwarzen Bauern im Südwesten, die viele Rückzüge haben, und auffällig sind die Türme auf der h-Linie. Könnte Weiß den Schwarzen zur Rücknahme von Th8-h7 zwingen, wäre schon Schluss: Dann nämlich R 1.Th7-h6 & vor: Sh6#.
Damit ahnen wir vielleicht: Es wird zu Tempoduellen auf der h-Linie kommen, wo Schwarz dann zur Rücknahme eines Bauernzuges gezwungen ist, um die Illegalität wegen dreifach gleicher Stellung zu verhindern – und wenn das nicht mehr geht, dann ist es wie schon beschrieben zu Ende.
Betrachten wir noch die Schlagfälle: 10 (im Diagramm) + 6 (sBc:wBb, sBd:c, sBe:f, sBf:e, sBh7:g6, wBa auf seiner Linie geschlagen, wBh umgewandelt) = 16. Schwarz: 15 (im Diagramm) + 1 (wBc:Sd) = 16.
Wenn ihr selbst zu lösen versuchen wollt zu lösen (ich kann es euch eigentlich nur empfehlen!), dann wartet noch mit dem Klick auf „Weiterlesen“, denn dort bringe ich sofort die gesamte Lösung, die ich der Schwalbe-Lösungsbesprechung entnommen habe.
R 1.Ke2-d3 f4-f3+ 2.Kf3-e2 nun ist sSf1 fixiert, und Schwarz kann nur mit a2, b2, b3, c2 und Th7 zurücknehmen. Weiß droht 3.Th6-h5 mit Turmopposition auf der h-Linie zum Vorteil von Weiß 2.– Th6-h7! (2.– Th8-h7? 3.Th7-h5, vor 1.Sh6#). Nun ist die Opposition zu Gunsten von Schwarz. Weiß gewinnt sie mit folgendem Manöver. 3.Th1-h5! Th2-h6 Nun ist h2 besetzt und Weiß hat die Möglichkeit für Retrozüge seines Königs. 4.Ke4-f3 Th6-h2 5.Kf3-e4 Weiß beginnt die Stellungen zu wiederholen! 5.– Th2-h6 Zweites Mal die Stellung nach 3.– Th2-h6. 6.Ke4-f3 Th6-h2 7.Th2-h1! Th4- h6 (7.– Th3-h6? 8.Kf3-e4 und Opposition zum Vorteil von Weiß) 8.Kf3-e4 droht 9.Th3-h2. Th3-h4 Schwarz sucht wieder die Opposition. 9.Th1-h2! (jetzt ist 9.– Th2-h3 illegal!) 9.– Th4-h3 10.Th3- h1 Weiß hat die Opposition gewonnen. 10.– Th5-h4 11.Th4-h3 Th6-h5 12.Th5-h4 Th7-h6 13.Th6-h5 a3-a2 (13.– Th8-h7? 14.Th7-h6, vor 1.Sh6#) Wieder Opposition zum Vorteil von Schwarz, und Weiß wiederholt das Manöver. 14.Th1-h6! Th2-h7 … 23.– Th7-h6 24.Th6-h7 a4-a3 … 35.– a5-a4 … 46.– a6-a5 … 57.– a7-a6 … 68.– b4-b3 … 79.– b5-b4 … 90.– b6-b5 … 101.– b7-b6 … 112.– b3-b2 (112.– c3:Bb2? und Weiß setzt bereits nach dem 181. Zug Matt) … 123.– b4-b3 … 134.– b5-b4 … 145.– b6-b5 … 156.– c3-c2 … 167.– c4-c3 Nun, wo ein schwarzer Bauer auf c4 steht, wechselt Weiß seinen Plan. 168.Th2-h6! (168.Th1-h6? setzt erst nach dem 203. Zug Matt) 168.– Th4-h7! (168.– Th3- h7? 169.Ke4-f3! und Weiß setzt nach dem 184. Zug Matt: 169.– Th7-h3 170.Kd3-e4 c5-c4+ 171.Kd4- d3! c6-c5+ 172.Ke4-d4 Th4-h7 173.Kf3-e4 Th3-h4 174.Ke4-f3 Th4-h3 175.Kf3-e4 Th3-h4 176.Ke4- f3 Th5-h3 177.Kf3-e4 Th4-h5 (177.– Th3-h5? – illegal) 178.Th3-h2 etc.) 169.Ke4-f3! (169.Th3-h2? benötigt 191 Züge: 169.– Th5-h4 170.Th4-h3 Th6-h5 171.Th5-h4 Th7-h6 172.Th6-h5 c5-c4 173.Th2- h6 Th4-h7 174.Ke4-f3 Th3-h4 175.Kd4-e4 c6-c5+ 176.Ke4-d4 Th4-h3 177.Kf3-e4 Th3-h4 178.Th1-h2 etc.) 169.– Th3-h4! 170.Kd3-e4! c5-c4+ 171.Kd4-d3! c6-c5+ 172.Ke4-d4 Th4-h3 173.Kf3-e4 Th3-h4 Jetzt nicht 174.Ke4-f3?, da Weiß die Zugwiederholung gestartet hat. Daher führt Weiß zum 16. Male das Manöver zum Gewinn der Opposition aus. 174.Th1-h2! Th2-h3 175.Ke4-f3 Th3-h2 176.Kf3-e4 Th2-h3 177.Ke4-f3 Th3-h2 178.Th2-h1 Th4-h3 179.Kf3-e4 Th3-h4 180.Th1-h2 Th4-h3 181.Th3-h1 Th5-h4 182.Th4-h3 Th6-h5 183.Th5-h4 Th7-h6 184.Th6-h5 c7:Bb6 Das ist legal sowohl nach Høeg- als auch nach Proca- oder Klan-Regeln. 185.b5-b6 Th8-h7 186.Kf2-f3! (186.Th7-h6? und Schwarz ist retropatt) 186.– e4-e3+ 187.Th7-h6, vor 1.Sh6#.
Silvio Baier in seinem Kommentar: „Ganz großartig. Ein Oppositionsmanöver der Türme auf der h-Linie wird 16mal durch Anwendung der dreifachen Stellungswiederholung zu weißen Gunsten entschieden. Erst dann ist Schwarz gezwungen, einen weißen Sein zu entschlagen. Dieser sorgt dann für das entscheidende Tempo. Fidealbumwürdig.“ Dort kam es „natürlich“ auch hinein – mit 10,5 Punkten bereits über das WCCI.
Und Mario Richter nach der inhaltlichen Beschreibung kurz, knapp und treffend: „Grandios!“
Truly a monster retro problem.
Hallo Thomas, kleiner Schreibfehler in Deinen Erläuterungen (vermute ich):
Das ist eine herausfordernde Zügezahl, aber das Stück “erschießt” sich nicht ganz so schwer.
Der ist doch so hübsch, der könnte doch sogar absichtlich sein, oder? 😉