Preisrichter Paul Rãican hat seinen Bericht für den Schwalbe-Jahrgang 2020 dreigeteilt: Rückzüger, Beweispartien und andere Retros. In dieser und den folgenden zwei Folgen möchte ich die drei ersten Preise vorstellen – und bei den Rückzügern gibt es sofort eine Überraschung: sicher erwartet man gerade in der Schwalbe hier ein Anticirce-Proca. Aber weit gefehlt, Paul setzte eine „Pacific-Seeschlange“ an die Spitze, also einen Verteidigungsrückzüger (gelegentlich auch “friedlich” genannt), bei dem im Rückspiel nicht entschlagen werden darf.
Dieser Typ gilt meist als nicht besonders attraktiv, weil gerade die Entschlag-Würze fehlt, hier aber sehen wir komplexe und interessante Manöver, die den Lösern, die sich damit beschäftigt hatten, und offenbar auch dem Richter sehr gut gefallen hatten.
Die Schwalbe 2020, 1. Preis
-111 & s#1, Pacific Retractor (9+8)
(Im Preisbericht in der Schwalbe hat sich leider ein Tippfehler eingeschlichen: Dort ist fälschlich „#1“ in der Forderung notiert!)
Paul schrieb dazu: „Eine großartige Idee: In einem Pacific-Retraktor muss Schwarz nach 50 Zügen einen Bauernzug zurücknehmen, um die 50-Züge-Regel zu umgehen. Die Schlussposition für das s#1 ist sehr sorgfältig vorbereitet und macht die weißen Retrozüge der Offiziere (keine königlichen) eindeutig. Das verdient die Aufnahme ins FIDE-Album.“
Mein Vorschlag für diejenigen, die nicht selbst Löseversuche anstellen wollen, ist, die Lösung zweimal durchzuspielen: Einmal ohne die weiteren Kommentare von Silvio Baier und Manfred Rittirsch aus der Lösungsbesprechung zu lesen, und dann anschließend noch einmal! Ich glaube, das lohnt!
Silvio Baier kommentierte: „Trotz der fehlenden Entschlagmöglichkeiten ein ganz schwerer Brocken. Zum einen scheint das Mattfeld des weißen Königs nur schwer ersichtlich, zum anderen war für mich erst spät erkennbar, warum der Lh4 nach e7 gelangen kann, wobei die Verstellung Tg5-c5 im ersten Zug kaum zu glauben ist. Ein gewaltiges Epos…“ Manfred Rittirsch beschrieb seine Gedanken wie üblich sehr ausführlich: „Bei der Lektüre des Retro-Preisberichts 2015 im selben Heft [Heft 306-1, Dez. 2020, S.726, 3. Preis von S. N. Ravi Shankar – TB] wurde mir plötzlich klar, daß man bei einem friedlichen VRZ dieser Zuglänge um die 50-Züge-Regel ja gar nicht herum kommt! Damit spielte sich eigentlich alles von selbst, denn das Beinahe-Mattnetz hatte ich längst vor Augen und der Pendelmechanismus ist bei dieser Spielart ja bekanntlich alternativlos. Aber halt – eine Klippe mußte noch umschifft werden: der direkte Zug des Läufers zum Block nach e7 (von wo aus er auch a3 deckt) scheitert nach dem ersten Rückzug des Turmes, der unbedingt auf die 1. Reihe muß, um nach dem finalen Zug des sK nach b2 dessen Diagrammfeld c1 zu decken, und nur auf der g-Linie den Pendelmechanismus bewahrt, an der damit einhergehenden Liniensperrung und kann daher nicht der zweite zwangsfreie Zug sein. Stattdessen zieht der Läufer über die beiden Linien der K/T-Batterie. Für dieses versteckte perikritische Manöver hat sich die Zählerei unbedingt gelohnt!“
Hut ab vor beiden Lösern, besonders aber davor, dass Manfred das Selbstmattnetz schon beinahe sofort gesehen hat…
The history of the problem is also interesting. My initial aim was to mix two tasks into a single composition: a) to double the 50-moves rule in Pacific Retractor (the previous record is 1) and b) to realize more than 4 the white King scales.
The first version of the composition, having the forward stipulation R#1, was created when I was in my holidays at my twin sister in Australia. I submitted that version to the 8th FIDE World Cup and Bojan found an unexpected cook after the preliminary award was published.
We have then both intensively worked to rescue the idea working at weird hours. We gave up several times until this rather miraculous setting eventually emerged. The key decision was to change the forward stipulation from R#1 to S#1.
One year later, a similar history happened with the Pacific Retractor I have submitted in the 9th FIDE World Cup. This time the rescuer was Joaquim Crusats. And again the rescued version was kindly published by Thomas in Die Schwalbe.
It is pity the 10th FIDE World Cup explicitly rules out Pacific Retractors – it would have been so funny to make this a tradition!
A formidably constructed problem, but the long ways to reach 50 moves get a little tedious.
And for such a long problem, an automated rendering of the solution would be nice, Thomas.