Wie versprochen folgt heute der dritte Streich – das Siegerstück der „anderen Retros“ aus dem Schwalbe-Informalturnier 2020. Das ist ein klassisches Retro im besten Sinne. Harry Goldsteen (26.7.1939-5.6.2021) hatte lange Zeit nichts veröffentlicht, dann aber zu meiner großen Freude den Weg zurück zum Komponieren gefunden, im Wesentlichen in der Schwalbe.
Die Schwalbe 2020, 1. Preis
Matt? (13+13)
Die Frage lässt sich natürlich trivial mit „ja“ zu beantworten – wenn denn die Stellung legal ist. Man könnte also auch „Legal?“ als Frage unter das Diagramm schreiben. Die Legalität lässt sich natürlich nur durch Rückspielen im Endeffekt bis zur Partieanfangsstellung beweisen – so könnte man auch einfach „Löse auf!“ fordern, allerdings würde das ja schon Legalität der Stellung implizieren.
Schauen wir zunächst nach der Schlagbilanz: Weiß schlug offensichtlich axb und hxg, zusätzlich im Schachgebot in der Diagrammstellung – das erklärt die drei fehlenden schwarzen Steine.
Bei Schwarz sieht man einen Doppelbauern auf der g-Linie, ferner müssen [Bb7] und [Bc7] überkreuz geschlagen haben, um ihre weißen Kollegen durchzulassen.
Leicht zu sehen ist, dass bei Weiß die beiden Springer und die Dame fehlen, bei Schwarz [Lf8] sowie [Ba7] und [Bh7] – damit kommt sBg2 von f7 – warum geht es nicht anders herum? Die beiden fehlenden Bauern konnten nicht direkt geschlagen werden, mussten sich also (schlagfrei) umwandeln.
Wie können wir den Knoten im Nordosten auflösen? Nur durch g5-g6 – aber dafür brauchen wir Schachschutz auf f7. Wer kann den bieten?
Aber vorher muss ja auf h3 entschlagen werden: „Man sieht recht schnell, dass Th2xBh3 nicht funktioniert und zunächst eine schwarze Dame pendeln muss (ein Turm kann zwar auch, aber die Dame hat noch die schräge Zugmöglichkeit).“ (Silvio Baier in seinem Lösekommentar)
Und damit haben wir uns das nächste Problem eingehandelt: Wenn der weiße König sich auf f7 dazwischen stellen will, muss Weiß auf die erzwungenen Pendel der schwarzen Dame achten. Und schließlich brauchen wir auch noch ein Schild auf der h-Linie, um die Dame freispielen zu können.
Wollt ihr das nach diesen Vorüberlegungen einmal probieren?
Hans Gruber erklärt noch die weitere Auflösung: „Im weiteren Verlauf entwandelt sich die freie schwarze Dame auf a1, der schwarze a-Bauer zieht bis mindestens a6 zurück. Dies erlaubt die Rücknahme von wBa5:sSb6 (keine Angst vor Umwandlungsfiguren) und später sBc7:wSb6.“ Schließlich entwandelt auch noch sSh1.
Kurze Zusammenfassung des Preisrichters Paul Rãican: „Eindrucksvolles Retrospiel des weißen Königs, das von der Position der schwarzen Dame auf h3 oder h4 diktiert wird. Eine Konzeption von großer Finesse!“
A repeat performance: You’ve already posted this great composition in Harry’s necrology in june last year.
A wonderful resolution retro.
It has everything you can ask for: tricky solution, but not hopelessly so; tries; (almost) two triangulations by white king; elegant final resolution.
It is sad that this is probably the last problem we shall see from Goldsteen’s masterful hand.
Interessante Aufgabe in gewohnter “Goldsteen-Qualität”.
Ich beneide Silvio um seinen Scharfblick: er hat “recht schnell” erkannt, “dass Th2xBh3 nicht funktioniert” – bei mir hingegen hat es eine ganze Weile gedauert, bis der Groschen fiel, warum R: 1. Th2xBh3 h4-h3 2. Th3-h2 c6-c5 3. h2xLg3 usw. nicht funktioniert … 🙂