Nach zweijähriger Corona-bedingter Pause treffen sich die Märchenschachfreunde wieder am Himmelfahrts-Wochenende in Andernach – wie seit dem ersten Treffen 1975 jedes Jahr, wenn man von den letzten beiden absieht.
Dort spielt traditionell auch Retroanalyse, häufig natürlich märchenschachlich gewürzt, eine wichtige Rolle, und so will ich zum Aufwärmen heute eine Märchen-Beweispartie vorstellen.
Circe ist sicher eine der fruchtbarsten und bekanntesten Märchenbedingungen überhaupt: Ein geschlagener Stein wird auf seinem Partieausgangsfeld wiedergeboren. Für Läufer und Dame ist dies eindeutig bestimmt (dabei übersieht man mögliche Umwandlungen großzügig), für Springer und Türme definiert man das Anfangsfeld mit gleicher Felderfarbe als Wiedergeburtsfeld (ein wS geschlagen auf d4 wird auf g1 wiedergeboren, ein auf d5 geschlagener auf b1). Bei Bauern nimmt man das Feld der zweiten bzw. siebten Reihe, auf der sie geschlagen wurden, als Anfangsfeld an. Ist dieses Feld besetzt, verschwindet das Schlagopfer ganz normal.
Der Autor unserer heutigen Aufgabe hat sich auch wieder angemeldet; sein Stück zeigt ein ganz typisches Circe-Thema.
Probleemblad 1995
Beweispartie in 22 Zügen, Circe (16+16)
Eine mit orthodoxer Brille betrachtet natürlich sehr kuriose, völlig illegale Stellung! Irgendwie muss ja die schwarze Dame d8 verlassen haben, irgendwie müssen die Türme, Dame und König von Weiß mitten aufs Brett gekommen sein – und irgendwie müssen ja auch Läufer uf die Eckfelder gelangt sein.
Kann man denn aus der Stellung überhaupt etwas ableiten oder muss man wie wild probieren?
Zählen wir doch mal einfach die sichtbaren weißen Züge: 3+1+3+4+5=16 – da bleiben also noch sechs Züge übrig, um mit den Bauern freie Wege zu schaffen: Für König, Dame, Türme, aber auch für die Läufer, damit sie auf die Eckfelder kommen.
Bei etwas Nachdenken fällt aber auf, dass etwa das Aufziehen der b- und des g-Bauern nicht reicht: Damit können Dame, König und die Türme nicht rechtzeitig auf ihre Zielfelder gelangen: Wir haben zwar vier Züge gespart, brauchen aber drei Türm-, zwei Dame- und einen Königszug mehr – das sind in Summe zwei zu viel!
Und einfaches Aufziehen reicht vielleicht auch nicht, denn irgendwie müssen ja auch mögliche schwarze Schlagtäter wieder zurück versetzt werden – falls dies die weißen Steine mitten auf dem Brett erledigen können.
Speziell ist hxg3 und axb3 erforderlich, um die Türme schnell genug auf die sechste Reihe zu bringen – nur wie wird man dann die Doppelbauern los, wie können Ba2 und Bh2 wiedergeboren werden? Die Antwort hilft vielleicht schon weiter?!
Wer mag, kann nun natürlich gern versuchen, die Lösung selbst zu finden – ansonsten lohnt es aber auf alle Fälle, die in Ruhe nachzuspielen – und sich damit vielleicht schon auf das Andernacher Märchenschachtreffen ab kommenden Donnerstag einzustimmen!
Dreifacher Platzwechsel zweier weißer Bauern – das lässt sich natürlich orthodox nicht darstellen!
A remarkable achievement.