Einen Geheimtipp für die Beweispartie-Freunde möchte ich einmal loswerden: Wenn euch eine Beweispartie von Reto Aschwanden über den Weg läuft, solltet ihr sofort alles liegen und stehen lassen, euch sofort auf die Aufgabe stürzen. Denn dieser Verfasser ist Garant für gehaltvolle, interessante und originelle Aufgaben — so ist es auch mit dem heutigen Beispiel.
Champagner-Turnier 2004, 1. Preis
Beweispartie in 23 Zügen (12+15)
Dem kundigen Thebaner verrät übrigens die Turnierangabe schon alles über die Umgebung, in der die Aufgabe veröffentlicht wurde: bei den Weltproblemschachtreffen WCCC richtet Michel Caillaud schon lange ein Retro-Turnier aus, in dem es was zu gewinnen gibt? Richtig! Die Turniere zeichnen sich schon lange durch eine hohe Qualität der eingereichten Aufgaben aus, und so ist es auch hier — bei dem Verfasser ja auch nicht besonders überraschend!
Beim Blick aufs Diagramm fällt sofort die schwarze Umwandlungsdame auf: entweder ist sie thematisch, oder das Thema ist so spektakulär, dass auch ein so großartiger Konstrukteur wie Reto sie als notwendig akzeptiert.
Der einzige Schlag durch Weiß war offenbar axb — und das heißt, dass sich ein schwarzer Bauer auf a1, b1 oder d1 umgewandelt hat. Der einzig sichtbare Schlag durch Schwarz ist hxXg, wobei X entweder der g-Bauer ist (ein weißer Bauer auf dem Königsflügel kann nicht aktiv geschlagen haben) oder ein Turm, denn bei Weiß fehlen die beiden Türme sowie [Bg2] und [Bh2].
Das übliche Zählen der sichtbaren Züge bringt hier nicht viel: Bei Weiß sehen wir 1+1+0+3+4+7=16 Züge — da fehlen uns noch sieben!
Bei Schwarz sehen wir, wenn wir der zweiten Dame die fünf Bauernzüge zur Umwandlung zuschlagen, 2+7+3+4+5=21 — auch da sind noch zwei Züge frei. Und wieso kann die Damenumwandlung nicht im letzten Zug (g2xXh1=D?) stattgefunden haben? ganz einfach, da für ein Durchfressen von b7 nicht genug Schlagobjekte zur Verfügung stehen.
Vielleicht könnte der Versuch, die Schlagfelder der Türme herauszufinden, hilfreich für die Lösungsfindung sein? Dabei wird sofort deutlich, dass die Türme sich nicht für eine schwarze Umwandlung auf d1 opfern konnten: Das würde vier Turmzüge erfordern plus mindestens sieben Züge des [Bh2] — und ganz so viele haben wir nun doch nicht übrig…
Aber übrigens zeigt sich so auch, dass eine Umwandlung auf b1 mit Schlag eines der Türme nicht möglich ist: von dort brauchte die Dame drei weitere Züge.
Also muss [Ta1] für die nun nachgewiesene Umwandlung auf a1 weggezogen haben — nur wohin? Das solltet ihr nun versuchen herauszubekommen, und dann auch zugleich das Schlagfeld des zweiten weißen Turms bestimmen.
Die Felder werden euch sicher überraschen — oder hat sie jemand, ohne diese Aufgabe zu kennen, doch erraten? Ganz ehrlich??
Unglaublicher Inhalt eines extrem originellen Platzwechsels. Und überraschend ist besonders der Turmzug nach a1: Woanders kann Weiß den Turm nicht loswerden!
It is very surprising that the white rooks switch places.
Danke für die Blumen! Ganz so umwerfend gut finde ich meine Aufgaben aber nicht immer 😉
“Leider” frisst ein im Bau befindliches SPG Löseprogramm momentan meine ganze Kunstschach-Zeit, so dass letzthin keine neuen Werke dazugekommen sind. Dessen Komplexität bzw die Komplexität des Lösens habe ich massiv unterschätzt. Dafür stehen die Zeichen nicht schlecht, dass sich damit neue Lösemöglichkeiten eröffnen.
Beim Champagner Turnier war natürlich auch die Zeit eng begrenzt, wodurch ich keine Version ohne UW Figur habe finden können. Das wäre noch ein lohnenswertes Projekt. A Propos: Von verschiedenen Seiten lese ich immer wieder, die SPGs seien ähnlich den orthodoxen Zweizügern langsam abgegrast und es gäbe nicht mehr viel zu tun. Die Meinung teile ich nun wirklich nicht.