In meinem Bericht letzte Woche vom Ergebnis der Retro-Kompositions-Weltmeisterschaft WCCI hatte ich bereits angekündigt, darauf noch intensiv zurück zu kommen; das will ich nun tun.
Natürlich beginne ich mit einer Aufgabe des alten und neuen Weltmeisters — das ist übrigens das im Wettbewerb mit Abstand am höchsten bewertete Stück, das in höherem Sinne Silvio Baier die Titelverteidigung sicherte.
Die Schwalbe 2020, 2. Preis
Beweispartie in 26 Zügen (12+14)
Auffällig an der Diagrammposition ist natürlich die weiße Homebase, die das übliche Züge-Zählen für Weiß sofort ad absurdum führen würde. Und der zweite Blick lässt uns als potenzielle Löser vielleicht gar verzweifeln: Nicht ein einziger Schlag ist sichtbar, da bei Schwarz kein Doppelbauer zu sehen ist.
Aber vielleicht hilft hier das Zählen der sichtbaren schwarzen Züge? Gehen wir zunächst einmal davon aus, dass wir keine schwarzen Bauernschläge einrechnen; das hat dann speziell Auswirkungen auf die Turmwege.
Die minimale Anzahl der Züge aller anderen Steine ist ziemlich leicht zu sehen; mit der Annahme von oben kommen wir also auf 3+2+6+4+3+10=28 — upps, das sind zwei zu viel! Und damit kann die obige Hypothese nicht stimmen.
Also müssen wir davon ausgehen, dass die Türme ihre Zielfelder mit jeweils einem einzigen Zug erreicht haben — dies ließe zwei Züge frei. Aber die brauchen wir, da „irgendwie“ [Ba7] und [Bh7] Platz gemacht haben müssen — und das kostet auf jeder Brettseite mindestens einen schwarzen zusätzlichen Bauernzug. Und dann haben wir 28+2x(1-2) = 28-2 = 26 Züge — und das passt!
Und das zeigt weiterhin, dass die beiden fehlenden schwarzen Bauern zu Hause geschlagen wurden, selbst also nicht gezogen haben können.
Vor allen Dingen aber zeigt das, dass die vier weißen Bauern allesamt umgewandelt haben müssen, da sie wegen der notwendigen Schläge auf a,b,g und h direkt nicht geschlagen werden konnten.
Da nach den vier Umwandlungsmärschen Weiß nur noch insgesamt sechs freie Züge zur Verfügung stehen, vermuten wir schnell vier Ceriani-Frolkin-Umwandlungen, denn Pronkins benötigen einfach mehr Züge.
Also bleiben zum Lösen noch zwei zentrale Fragen offen: „Welche Umwandlungen fanden statt?“ und „Welche Bauernschläge erfolgten an den Bretträndern?“
Allumwandlungs-Ceriani-Frolkin, die wohl erstmals durch Zickzack-Züge geschlagen werden: Das ist in der „Proofgame of the Future“ Notation „(ZZ & CF)(QS) & (ZZ & CF)(RB)“ — und die hohe Bewertung mit dreimal 3,5 Punkten (mit eine 4 und einer 3 als Streichresultate) ist aus meiner Sicht völlig verdient: Diskutieren kann man meiner Meinung nach höchstens, was denn vier der fünf Richter an vier Punkten fehlte?
A wonderful proof game.
Ein sehr elegantes Problem! Super.
Ich habe die Position kurz meinem eigenen (Beta-)Prüfprogramm gefüttert: Dauert (noch) zu lange… Das Problem ist, dass auf Stufe Strategiesuche die Notwendigkeit von Cross Captures nicht erkannt wird. Damit werden erstmal alle Strategien auch ohne solche Schläge gefunden. Bei gegebener Strategie ohne Cross Captures wird dann festgestellt, dass die Züge nicht ausreichen, gespielt werden muss also nichts.
Da es aber sagenhaft viele solcher Strategien gibt (viele Milliarden), ist das auch so noch zu langsam. Müsste man verbessern… 😉
Vielen Dank an Thomas fürs Zeigen.
Das Stück ist nicht C+, aber HC+. Die weißen Steine brauchen von c8 und e8 auf die Schlagfelder sechs Züge (e8-g6 und dann e8-h5 in einem Zug scheidet aus, weil der Bg6 dem zweiten UW-Stein auf e8 im Weg steht.). Also sind auch alle weißen Züge erklärt, der letzte musste somit der einer Umwandlungsfigur sein und daher muss Schwarz zuletzt diese geschlagen haben. Nur b:Xa5 ist möglich, und die entspechenden Stellungen nach 25,5 Zügen sind getestet.
Die Darstellung mit ausschließlich thematischen weißen Zügen und keinerlei Spuren in der Bauernstellung ist sicher perfekt. Allerdings kann man es durchaus so sehen, dass die Thematik im Vergleich zu anderen Beweispartien (z.B. 6 CF-Steine oder 4 PR-Steine) etwas weniger komplex ist, so dass 3,5 Punkte aus meiner Sicht völlig in Ordnung sind. (ZZ & CF)(DS) & (ZZ & CF)(DS) – dann mit e:f7 und Umwandlungen auf f8. – ist auch möglich, an (ZZ & CF)(TS) & (ZZ & CF)(TS) bin ich allerdings knapp gescheitert.