Habe ich euch mit dem letzten Retro der Woche schon neugierig auf den ersten Preis des Yoav Ben-Zvi Gedenkturniers gemacht? Wenn das noch nicht ausgereicht haben sollte, will ich die Ansicht des Preisrichters Hans Gruber zitieren: „one of the most exciting compositions that ever was created.“
Yaov Ben-Zvi Gedenkturnier 2022, 1. Preis
Beweispartie in 45 Zügen (16+14)
45 Züge sind eine ganze Menge, und Michel erwähnt, dass man die Aufgabe mit 46.e4+ natürlich noch verlängern könnte, was Rekord für Beweispartien ohne Umwandlungen sei, aber der interessiere ihn nicht bei dieser Aufgabe.
Bei Weiß sind nach alle Mann an Bord, bei Schwarz fehlen [Bc7] und [Lc8], die offensichtlich auf c3 und auf b3 (Felderfarbe des schwarzen Läufers) geschlagen wurden. Das hilft für das Lösen nur bedingt weiter; spannender ist da schon die auffällige Ansammlung der Türme im Südosten.
Hier kann, hier muss man ähnlich versuchen zu lösen, wie man es bei Auflöse-Retros machen würde: „Löse den Knoten im Südosten auf!“
Dabei bemerkt man, dass sLc1 und wSd1 im Diagramm komplett eingeschlossen sind, der Knoten endgültig also nur durch die Rücknahme von e2-e3 geöffnet werden kann. Dafür muss aber erst [Lf1] heimkehren — und das kann er erst, wenn die Türme ihren exponierten Aufenthalt auf der ersten und zweiten Reihe beendet haben.
Also müssen wir einen Korridor für die Türme einrichten, durch den sie wieder auf freie Feld gelangen können. Das kann offenbar nur über die d-Linie geschehen; dafür muss sie allerdings freigeschaufelt werden: sBd4 muss zurück, die weiße Dame muss verschwinden.
Auch der weiße König steht noch im Weg, damit (rückwärts notiert) für die Türme, egal, ob weiß oder schwarz, Ld2, Te1-e2, Le1, Td2-dx gespielt werden kann. Und dafür, man ahnt es, werden zahlreiche Bahnungen — sowohl gleich- als auch gemischtfarbig — notwendig.
Und wenn ihr die Lösung gefunden (oder nachgespielt…) habt, werdet ihr feststellen, dass es weiterer Bahnungen etwa auf der a-Linie oder der c1-h6 Diagonale bedarf, um die Stellung in der geforderten Zügezahl zu erreichen. Wer zählt einmal alle Bahnungen in dieser Aufgabe? Untersuchenswert ist etwa auch, wieso der erste Zug des [Lf1] eindeutig ist?
Das ist genau der Knackpunkt: In der Beweispartie muss das „Auflöse-Manöver“ in genau festgelegter Zügezahl, komplett eindeutig und ohne jegliche Zugumstellung realisiert sein, im klassischen Retro sind solche Umstellungen nicht immer vermeidbar und werden auch gerade bei nicht-thematischen Zügen akzeptiert — nach Erreichen der klaren Auflösung gibt es dort eh keine Einschränkungen für das Rückspiel zur Partieanfangsstellung.
Ist euch beispielsweise auch aufgefallen, was mit den weißen Türmen passiert ist? Oder warum man b4 nicht früher spielen kann? Wahrscheinlich bedarf es zwei- oder dreifaches konzentriertes Durchspielen der Lösung, um alle Feinheiten entdecken und würdigen zu können — und das möchte ich euch ans Herz legen!
Begeisternde Beweispartiekunst auf allerhöchstem Niveau, zu der ich die anfangs zitierte Ansicht von Hans teile — mich würde, falls die Aufgabe nicht noch gekocht werden sollte, jede andere Album-Bepunktung als 12 ziemlich verständnislos zurücklassen.
Wonderful experience just playing through the moves! The wKR joins the wQ in making critical moves for both black and white rooks to pour in through a bishop gate with unbelievably economical timing. Thanks for the marvel, Michel! I will sleep well tonight.
Michel Caillaud does it again. An incredibly good proof game.
C’est absolument incroyable !
Bin einer Meinung mit Hans – alles andere als 12 Punkte wäre skandalös (böse Zungen würden sagen, das kann nur dann passieren, wenn ein FIDE Album Richter BPs grundsätzlich nicht mag, wie dies leider schon der Fall war). Ohne Zweifel auf der Shortlist der allerbesten Beweispartie aller Zeiten. Man sollte sich dabei vergegenwärtigen, wie alleine diese BP dasteht, da gibt es weit und breit nichts Vergleichbares (mir ist zumindest nichts bekannt). Das kann man bei kaum einer anderen BP sagen.
Ein Wunderwerk an Technik und Originalität – Wahnsinn!