Heute vollendet René J. Millour sein achtes Lebensjahrzehnt, und dazu gehen meine herzlichen Glückwünsche nach Frankreich!
René begeistert mich immer wieder mit großartigen Märchen-Retros, die meist im Diagramm völlig harmlos ausschauen, aber dann sehr eleganten Inhalt mit niemals erwartetem Tiefgang zeigen.
Solch ein Stück habe ich für heute ausgesucht, das ich etwas anders als üblich präsentieren werde: Ich zitiere im Wesentlichen aus dem Preisbericht von Hans Gruber, Uli Ring und mir — übrigens aus dem in der letzten Woche erwähnten Schwalbe-Heft 233.
Die Schwalbe 2001, 1. Preis
Forderungen im Text, Monochromes Schach (6+8)
Gefragt ist nach
a) In welcher Reihenfolge wurden die Springer geschlagen?
b) Ist die schwarze O-O noch möglich?
c) Wie viele Züge hat der weiße König mindestens ausgeführt?
im monochromen Schach (Schwalbe-Lexikon: „Es sind nur Züge erlaubt und legal, deren Ausgangs- und Zielfeld von gleicher Farbe sind. Das gilt auch bei der Beurteilung von Matt und Patt.“)
Zunächst der Kommentar von uns drei Richtern, anschließend, nach dem „weiter“, die ausführliche Lösungsangabe, wie wir sie für den Preisbericht geschrieben hatten.
„Auch unter vielen komplexen Monochrom-Retros des Autors ist dieses Problem eines der Topstücke, vor allem, weil das extrem komplizierte Element `Wer zum Henker konnte Stein X schlagen?’ gleich mehrfach zelebriert wird. Die ökonomie-stiftende Wirkung der Monochrom-Bedingung wird ungeheuer gut genutzt, was sich vor allem in der atemberaubend geringen Steinzahl und im Fehlen jeglichen sichtbaren Bauernschlags im Diagramm zeigt. Die in der Konstruktion verborgenen Retro-Überlegungen sind tiefgründig und reichhaltig.“
„Der [Ke1] verließ e1 mittels 0-0, die Damen und Läufer zogen erst nach Schlag oder Wegzug von [Bb2], [Be2], [Bb7]. Zuletzt erfolgte ein Schlag durch Tg1xe1+. Ta4 und Te1 sind UW-Figuren. Die UW eines wB auf g8 erfordert den e.p.-Schlag des [Bg7], also wandelte sich [Be7] (und nicht [Bg7]) auf g1 in sT um. Der Ta4 zog nach a4 entweder von der vierten Reihe aus (bevor [Bc2]-c4 erfolgte) oder von a6 aus (bevor [Ba7]-a5 erfolgte).
Falls der Turm von a6 aus kam, kann erfolgt sein (Vorwärtszugfolge): [Bc2]-c4, [Lc8]x[Sb1], [Be2]x(L)f5xg6e.p., (B)h7xSg8T, Tg8-a6-a4, [Ba7]-a5, [Lc1]x[Sb8], [Be7]x(L)f4xg3e.p.,(B)h2xSg1T, sT raus, 0-0.
Aber: Welcher Stein schlug den wT nach der Rochade?
[1] [Bb7] auf b5, d5, b3? Dann hätte zur Befreiung von [Lc8] zuvor [Bb7]x(D)a,c6 oder[Bb7]-b5x(D)a4 erfolgen müssen, gefolgt vom Schlag dieses Bauern durch [Lf1]. Damit kann aber bei der unterstellten Zugreihenfolge der wUW-T das Feld a4 nicht über a6 erreichen. [2] Mit Umwandlung von [Bb7]? b5x(D)a4xb3e.p.x(B)c2xSb1 mit Umwandlung; dieser Umwandlungsstein schlägt dann den Rochadeturm, konnte dann aber selbst nicht geschlagen werden! [3] Durch [Lc8] oder [Bh7], bevor diese selbst geschlagen wurden? Dem Excelsior von [Be7] nach g1 müsste dann der Exzelsior des [Be2] folgen, der dann [Lc8] bzw. [Bh7] schlägt. Aber nach [Bc2]-c4, [Lc8]x[Sb1], [Be7]. . . xSg1T (mit Schlag des wL), w0-0, sLx[Th1], wBe2. . . xSg8T (mit Schlag des sL), Tg8-a6-a4 kann jetzt kein Stein mehr [Sb8] schlagen! Eine UW von [Bb2] kommt hierzu nicht in Frage, weil er auf b6 hätte e.p. schlagen (um [Lc8] freizulassen) und auf b6 verharren müssen, bis [Ba7]-a5 gezogen wurde – damit käme der wUW-T wiederum nicht nach a4.Also muss der wT vor [Bc2]-c4 über die 4. Reihe nach a4 gelangt sein! Also bleibt [Bc2] stehen, bis die T-UW erfolgte. Und [Lc8] konnte nicht den [Sb1] schlagen.
Versuchen wir einen Exzelsior des [Bb7]x b7-b5x(D)c4xb3 e.p., [Lc1]x[Sb8], [Be7]…xSg1T, w0-0, [Be2]xSg8T, Tg8-g4-a4, [Bc2]-c4, b3x(L)c2xSb1 mit Umwandlung; dieser Umwandlungsstein schlägt dann den Rochadeturm oder umgekehrt, aber: Einer von beiden bleibt übrig!
Es bleibt der Exzelsior von [Bh7] mit Schlag des Rochadeturms: [Ba7]-a5, b4x(L)c5xb6 e.p.x(D)a7x(S)b8 mit Umwandlung, [Be7]…xSg1T (mit Schlag des wL und des weißen Umwandlungssteins), w0-0, h5x(B)g4xf,h3xe,g2xd,f,h1 mit Umwandlung (mit Schlag von D, L, T), der schwarze Umwandlungsstein schlägt [Sb1], e4xf5xg6e.p.xh7xSg8T (mit Schlag des sL und des schwarzen Umwandlungssteins), Tg8-g4-a4, [Bc2]-c4 (ein kleiner, aber nicht ins Gewicht fallender Schönheitsfehler ist, dass auch die Umwandlung des wBg2 statt der des wBe2 möglich ist).
Damit ist die Reihenfolge der Springerschläge klar: b8, g1, b1, g8!
Wenn h7xSg8T erfolgt, sind [Dd8], [Lf8], [Lc1] und der schwarze Umwandlungsstein bereits geschlagen. Nach f8 kommt kein Blockierstein (wTa1, sTe1), also muss der wK, um das Matt durch die Umwandlung zu verhindern, nach f8 wandern! Und in der Konstellation sKe8, wKf8, wTg8, sTh8 muss der sT ziehen, um Tg8-g4 zu ermöglichen!
Also ist die schwarze 0-0 unzulässig! Der weiße König hat mindestens 15 Züge gemacht!“
Es ist wirklich beeindruckend, welch tiefgründige Ideen mit monochromen Schach sparsam dargestellt werden können! Zwei andere Monochrome-Retros von René konntet ihr schon als RdW 22/2017 und RdW 51/2017 bewundern.
A most impressive monochrome retro.