Retro der Woche 28/2023

Nachdem ich in der letzten Woche das zweitplatzierte Retro aus dem letztjährigen FIDE World Cup vorgestellt hatte, möchte ich dies nun mit dem aus dem Jahre 2021, vom neunten Turnier tun. Dort waren im Gegensatz zum letzten und zu diesem Jahr, wo nur orthodoxe Beweispartien teilnehmen durften, ausschließlich orthodoxe „klassische“ Retros zugelassen.

die Goldmedaille errang Dmitrij Baibikov aus Israel mit einem bemerkenswerten ergänze-und-löse-auf-Stück{ Silber ging in die Ukraine an Andrej Frolkin.

Andrej Frolkin
9. FIDE World Cup, 2. Preis/Silbermedaille
Letzte 16 Einzelzüge (14+13)

 

Die beiden fehlenden weißen Steine sind durch e7xf6 und hxg erklärt, Bei Weiß muss [Ba2] an seinem schwarzen Kollegen vorbeigeschlagen haben, ebenso muss [Bd2] auf die c-Linie geschlagen haben. Und damit stehen auch die Umwandlungsfelder der beiden weißen Umwandlungsfiguren prinizipiell fest: b8=D und wegen der Felderfarbe dxc8=L (deswegen auch nicht dxe8) — andererseits kann man hxg8=X nicht sofort ausschließen, denn ein Schlagfall ist noch frei. Wäre dann X ein Läufer, wäre auch dxe möglich.

Letzter Zug ist offensichtlich 1.– Lc2-h7+; mit dessen Rücknahme ist der Südkäfig zunächst einmal verschlossen. Der lässt sich offenbar auch nicht mittels exf3 öffnen: Das würde einen Schlag zu viel erfordern.

Damit lässt sich der Käfig nur mittels sKf1-f2 öffnen — das aber verlangt doppelten Schachschutz auf e1 und auf g1. Wo sollen die Figuren dafür herkommen?

Die müssen offenbar erst entschlagen werden — und das zuerst einmal durch einen weißen Stein, der entschlagen werden muss. Und der — so viel sei schon einmal verraten — muss dann entwandeln, damit der Bauer dann (auf b7 — siehe oben!) den zweiten schwarzen Schutzstein entschlagen kann.

Mit diesen Hinweisen mögt ihr vielleicht versuchen, die Auflösung der Stellung, die in den ersten 16 Halbzügen eindeutig ist, zu finden?

Lösung

1.–Lc2-h7+ 2.e5-e6 Lb8-a7 3.e4-e5 Ld6-b8 4.e3-e4 Lf8-d6 5.e2-e3 e7xSf6! 6.Sd5-f6 a4-a3 7.Se3-d5 a5-a4 8.Sf1-e3 a6-a5 9.Se3xDf1 — ab nun nicht mehr eindeutig: 9.– Dg1-f1 (a7-a6) 10.Sd5-e3 a7-a6 (Dg1-f1) 11.Sb4-d5 Df1-g1 12.Sa6-b4 Dg1-f1 13.Sb8-a6 Df1-g1 14.b7-b8=S Dg1-f1 15.a6:Sb7 Sc5-b7 16.a5-a6 Sd3-c5 17.a4-a5 Se1-d3 18.a3-a4 Kf1-f2 19.f2-f3 T~-g3, und es löst sich leicht weiter auf.

Der Preisrichter Joaquim Crusats weist darauf hin, dass 8.– a7-a5? zu schwarzer Retroopposition zwischen dem schwarzen König und der Dame auf f1 führen würde, weswegen Schwarz ein Tempo verlieren müsste, das im Endeffekt zu weißen Retropatt führt.

Seine zusammenfassende Beurteilung dieses Stücks möchte ich wörtlich zitieren:
„We are in front of a masterly composed classical retro problem based on a Release the Position approach. The presence of a cage that allows an open balance adds a lot of thrill to the solving process. The uncapture of an officer by another officer — not in relation to any check — together with the initial double-step of the [Pa7] being ruled out on the basis of a subtle retro-opposition mechanism, are very nice touchs that enrich this enjoyable problem.“
Dem kann ich nichts hinzufügen.

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