Ich muss gestehen, dass ich ziemlich enttäuscht war, als ich die Retro-Einsendungen zum 11. FIDE World Cup erhielt: Ich hatte mir als Preisrichter natürlich quantitativ mehr als nur zwölf Aufgaben (von denen eine noch nebenlösig ausscheiden musste) erwartet, und auch die durchschnittliche Qualität der Aufgaben konnte mich nicht vom Hocker reißen.
Zu Glück ragten zwei oder drei Aufgaben qualitativ heraus, sodass die ersten beiden Plätze sehr schnell für mich feststanden. Das Stück, das ich deutlich ganz vorn sehe, möchte ich euch heute vorstellen; ich orientiere mich dabei an meinem Kommentar im Preisbericht. Das zweitplatzierte Stück werde ich hier in der kommenden Woche zeigen.
11. FIDE World Cup 2023, Preis & Goldmedaille
Beweispartie in 22 Zügen (13+13)
Im Diagramm sehen wir 18 schwarze Züge (4+1+3+3+5+2), bleiben vier frei. Schwarz benötigt allerdings zwei weitere Züge, um [Th1] im Südosten zu schlagen, dann stehen ihm noch zwei zur Verfügung, um einen seiner Türme auf b3 zu opfern, womit dann alle schwarzen Züge erklärt sind.
Damit ist auch klar, dass die fehlenden schwarzen Bauern mangels Zugmöglichkeiten zu Hause starben – und dass sBd6 von e7 kommt, damit Dd5 ermöglicht wird.
Damit Schwarz sich ausreichend schnell entwickeln kann, muss Weiß bereits im 3. Zug Sxd7 spielen und anschließend so schnell wie möglich auf b7 mit seinem Läufer schlagen. Da nun andererseits Schwarz sofort Dd5 spielen muss, ist dem Läufer zunächst der Rückweg abgeschnitten, er muss sich gar auf a8 verstecken. Wenn nun die Dame den weißen Turm schlägt, muss der Läufer die Gelegenheit nutzen, wieder nach Hause zurückzukehren. Dies aber erzwingt den Turmschlag auf h1 als Bahnung für wBg2 — dazu allerdings ist ein Schachschutz für den weißen König nötig.
Und wie können wir den bereitstellen? Hinweise mehr geben, sondern euch einladen, das selbst zu erarbeiten: Das lohnt – und die inhaltlichen Anmerkungen verstecke ich zunächst bei der Lösung, damit nicht der Schlusskommentar zu viel verrät!
Aus meiner Sicht großartige, vom österreichischen Nachwuchs-Komponisten deutlich herausgearbeitete und strategisch anspruchsvolle Thematik mit prächtiger Verzahnung des weißen und schwarzen Spiels — für mich mit deutlichem Abstand das beste Problem dieses Turniers. Diese Bewertung wird auch in keiner Weise durch das vom Autor angegebene Vergleichsstück P1007348 (auch das lohnt sich anzuschauen) mit gleicher “Springer-Thematik” mit nur achtzügigem Rundlauf getrübt, da dort das Spiel und auch die Motivation für das Springermanöver völlig unterschiedlich ist: reines “Verstecken” des Springers.